zurück 13.5.1895, Montag ID: 189505135

Brief Josef Schalks an Franz Schalk:
      Bruckner habe sich auffallend erholt und gedenke in diesen Tagen das Finale der 9. Symphonie in Angriff zu nehmen (*).

Artikel zur Denkmalsenthüllung [am 12.5.1895] erscheinen in der Linzer Montagspost Nr. 19 auf S. 6:
„         Bruckner=Feier.     Die Liedertafel „Frohsinn“ konnte die Feier ihres 50jährigen Jubiläums wohl kaum schöner beschließen, als ihrem Besten, dem Ehrenmitgliede Dr. Anton Bruckner, ein sichtbares Denkmal ihrer Dankbarkeit und Verehrung zu stiften. Als passendsten Ort hiezu wählte man sein Geburtshaus, das Schulhaus zu Ansfelden. Ein Extrazug führte nun gestern Sonntag 2 Uhr nachmittags die wackere Sängerschar und zahlreiche Freunde derselben zur Geburtsstätte des Gefeierten. Beim Eingange zum Orte Ansfelden, wo ein Triumphbogen aufgestellt war, hatte die Gemeindevertretung Ansfelden, der Veteranenverein, sowie die tüchtig geschulte Musikkapelle des Ortes, die Schüler der Landes=Ackerbauschule Ritzlhof mit ihren Lehrern, die Liedertafel von St. Florian u. v. a. Aufstellung genommen und die ankommenden Sänger aus Linz begrüßt. Vorerst ergriff Herr Bürgermeister von Ansfelden, der Reichsraths= und Landtags=Abgeordnete Johann Plaß, das Wort, um dem „Frohsinn“ den Dank der Gemeinde für die Ehrung ihres Sohnes, ihres Ehrenbürgers zu sagen, worauf Herr Professor Bernhard Deubler aus St. Florian im Namen des Stiftes St. Florian der Liedertafel Dank und Anerkennung für die Förderung Brucknerscher Muse zollte. Noch begrüßte Herr Steuereinnehmer Brauneis die Linzer Sänger namens der Liedertafel St. Florian, worauf sich der imposante Festzug unter den Klängen der Ansfeldener Kapelle zum Festplatz begab. Die Feier (im Pfarrhofgarten) wurde eingeleitet mit der Bruckner=Hymne von W. Floderer (Text von Karl Kirschbaum [sic]). Anschließend daran hielt Herr Stadtrath Milbeck, der verdienstvolle Führer des „Frohsinn“, die glänzende Festrede.
      Aus dieser Rede, die eine wahrheitsgetreue Schilderung von Bruckners Leben und Wirken gab, wollen wir Nachstehendes anführen: Bruckner am 4. September 1824 geboren, wählte sich den schönen aber mühevollen Beruf eines Lehrers. 1851 führte ihn sein Glücksstern nach dem Chorherrnstifte Sanct Florian, einer berühmten Pflegestätte für Kunst und Wissenschaft, wo er als Stiftsorganist bis 1855 wirkte. In diesem Jahre wurde er Domorganist in Linz. Ueber ein Jahrzehnt blieb Bruckner in Linz; nicht Rast und Ruhe gönnte er sich, unermüdlich dem Studium seiner Kunst obliegend, strebte er nach höherem. Die musikalischen Kreise, namentlich die Liedertafel „Frohsinn“, deren Chormeister er lange Zeit war, verdanken ihm vieles. Sein Fleiß fand den verdienten Lohn, als er im Jahre 1861 die Maturitätsprüfung aus Orgelspiel, Harmonielehre und Contrapunkt glänzend bestand. Im Jahre 1864 feierte Bruckner mit seiner großen Messe, die in der Linzer Domkirche eine gelungene Aufführung fand, den ersten Triumph als Compositeur auf dem Gebiete der Kirchenmusik. Im Jahre 1865 war das oberösterreichische Sängerbundesfest. Hier sei des Componisten Wettkampfes Erwähnung gethan, wobei Bruckner mit seinem bekannten großartigen „Germanenzug“ den – zweiten Preis erwarb. Die sehr strenge hochnothpeinliche Jury hat einem heute längst vergessenen Chore Weinwurms den ersten Preis zugedacht. Im Jahre 1866 vollendete Bruckner seine erste Symphonie. Im Jahre 1868 [sic] begründete Bruckner bei dem Wettbewerb im Orgelspiele zu Nancy, Paris, London seinen Weltruhm. In diesem Jahre folgte er einem ehrenvollen Rufe als k. k. Hoforganist nach Wien. Für ihn begann nun erst die Leidenszeit. Ein gutmüthiger, bescheidener, offen ehrlicher Charakter mit kindlichem Gemüthe pakte [sic! recte wohl „paßte“] nicht. Gegen Haß, Neid, Bosheit und alle möglichen Hindernisse, die ihm die Kritiker in den Weg legten, hatte der Arme zu kämpfen. Seine Genialität, sein Fleiß erlahmte nicht. Er erkämpfte sich die Achtung, die ihm jetzt auch seine Gegner nicht versagen können, durch seine unsterblichen Werke. Im Jahre 1886 fanden seine Verdienste von Allerhöchster Stelle aus gerechte Würdigung durch die Verleihung des Ritterkreuzes des Franz Josef=Ordens. Im Jahre 1891 hat die Universität Wien ihn zum Ehrendoctor promoviert. Im vorigen Jahre endlich hat ihn die Landeshauptstadt Linz zu ihrem Ehrenbürger ernannt. – Die Liedertafel „Frohsinn“ hat stets an dem Schicksale Ihres [sic] Freundes Bruckner regen Antheil genommen und seine Werke in mustergiltiger Weise zur Aufführung gebracht, wir erinnern da an das Vereins=Gründungsfest im Jahre 1886, bei dem lediglich Compositionen Bruckners, der damals selbst dabei anwesend war, darunter das herrliche Te deum, gebracht wurden.     Bruckners Triumph war damals ein großartiger und nachhaltiger.
      Nach der Enthüllung der Gedenktafel sang der „Frohsinn“ die „Ehre Gottes“ von Beethoven. – Zum Schlusse der erhebenden Feier brachte nach Herr Bürgermeister Plaß ein dreifaches Hoch auf unsern Kaiser, in das die Anwesenden begeistert einstimmten.
       Der Wortlaut der Gedenktafel lautet: „Ihrem Ehrenmitgliede Dr. Anton Bruckner Ritter des Franz Josef=Ordens, k. k. Hoforganist, Doctor der k. k. Universität Wien, Ehrenbürger der Landeshauptstadt Linz, geboren in diesem Hause am 4. September 1824, widmet diese Gedenktafel die Liedertafel "Frohsinn", Linz. Mai 1895."
      Unter den Festgästen bemerkten wir den Herrn Pfarrer Zauner von Ansfelden, Herrn Hofrath Obermüllner, mehrere Mitglieder des Männergesangvereines „Sängerbund“ aus Linz, sowie den Intimus Bruckners, Herrn Domkapellmeister K. Waldeck. Die Zeit bis zur Rückfahrt nach Linz verbrachten die Sänger und zahlreichen Feugäste [sic! recte wohl „Festgäste“?] – es dürften über 500 Personen anwesend gewesen sein – in Herzogs Gasthause.
     Nach dem prächtigen Soloquartette des „Frohsinn“ „Die Nacht“ brachte der genannte Verein „Nachtzauber“ von Storch und „Maiennacht“ von Abt (Tenorsolo Herr Poscher) zur Aufführung. Rauschender Beifall lohnte die tadellosen Vorträge. Auch die benachbarte Liedertafel in St. Florian bewährte sich in einem Chore „Jung Werner“ von Rheinberger.
      Zu bald schlug die Scheidestunde, nach Absingung schöner Mottis und Versicherung aufrichtiger Freundschaft, trennten sich die Festgäste und die Liedertafel „Frohsinn“ wanderte um 6 Uhr abends dem Bahnhofe zu, um die Rückfahrt nach Linz zu bewerkstelligen.
      Es war ein schönes Fest, ein echt deutsches Fest, das wir dem ehrenfesten  „Frohsinn“ verdanken.     Wir schließen mit dem aufrichtigen Wunsche, daß Gott unserem Meister Bruckner bald seine Gesundheit schenken und ihn uns noch lange Zeit erhalten möge.“ (**)

und in der Linzer Zeitung auf S. 548f:
„               Anton Bruckner zur Ehr’.
      (Enthüllung der Gedenktafel in Ansfelden.)
     Als der Linzer Gesangverein Liedertafel „Frohsinn“ im April 1886 eine überaus würdige Bruckner=Feier veranstaltet und in Anwesenheit des Componisten in glänzender Ausführung gebracht hatte, schrieb Bruckner aus Wien, unterm 20. April 1886 an die Liedertafel „Frohsinn“ „Ein Tag. Groß an Ehren, großartig in seiner Anlage und in seinem idealen Zwecke, ist mir geworden! Mein heißgeliebtes, engeres Vaterland wurde mir durch dieses mich höchst ehrende Fest in der Landeshauptstadt recht nahe gerückt! Waren bisher alle meine früheren Feste in der Fremde, diesmal war’s in meiner innigstgeliebten Heimat, zuhause, in der Familie! Nie habe ich das so gefühlt wie jetzt! Und dies ward mir durch den ausgezeichneten lieben Verein, dessen Ehrenmitglied zu sein ich die Ehre habe!  …“ Nun hat die Liedertafel „Frohsinn“ abermals eine schickliche Gelegenheit benützt, unseren „zweiten Beethoven“ gebürend zu ehren und damit dem geliebten Meister einen erquickenden, erwärmenden Sonnenstrahl der Freunde in seine Krankenstube zu senden. Indem aber unser wackerer erster und ältester Gesangverein den Richard Wagner der Symphonie, den österreichischen Berlioz in so würdiger Weise ehrte, hat er sich selbst ein neues unverwelkliches Lorbeerblatt in den Siegeskranz seiner Erfolge und Verdienste eingefügt.
      Ansfelden, das schon im 13. Jahrhundert urkundlich aufscheinende Dorf nächst der Krems, dessen Kirche mit dem schlanken schimmernden Kirchthurm weithin sichtbar in die oberösterreichischen Lande ragt, war gestern, 1m 12. des Maienmondes, das Pilgerziel zahlreicher Freunde und Verehrer des größten vaterländischen Componisten der Gegenwart. […], heute prangt das kleine Dorf in jedem Conversations=Lexikon, in jeder Musikgeschichte als der Geburtsort eines der größten Genies, die Frau Musika zu ihren auserkorenen Lieblingen erwählt.
     Die Repräsentanten des freundlichen Fleckens thaten auch alles, um dem Feste einen schmucken Rahmen zu geben. Die 150 Festestheilnehmer, welche ein Sonderzug der Kremsthalbahn zur Haltestelle Ansfelden gebracht hatte, wurden an dem mit Fahnen und einer „Willkommen“=Tafel geschmückten Ortseingange von den Honoratioren des Ortes, dem Veteranenverein Ansfelden mit Fahne, den Zöglingen der nahen Landes=Ackerbauschule Ritzlhof und einem zahlreichen Theile der Bevölkerung empfangen und zuerst von dem Reichsraths= und Landtags=Abgeordneten, Bürgermeister Herrn Johann Plaß namens der Orts= und Pfarrgemeinde Ansfelden, dann von dem Theologie=Professor und Regenschori des Stiftes St. Florian Herrn Bernhard Deubler namens des am persönlichen Erscheinen verhinderten Herrn Prälaten dieses Stiftes, dem die Pfarre Ansfelden incorporiert ist und dessen stets gern gesehener Gast der Gefeierte bis zu seiner letzten schweren Erkrankung häufig war, zuletzt endlich von dem Steuereinnehmer Herrn Brauneis namens des Männergesangvereines St. Florian begrüßt, welche Willkommgrüße Herr Stadtrath Milbeck an der Spitze der circa 80 Mann starken und mit dem Vereinsbanner ausgerückten Liedertafel auf das herzlichste erwiderte. Nach Absingung zweier Begrüßungsmotti wurde unter den Klängen der gut geschulten und durch auswärtige Kräfte verstärkten Ansfeldener Kapelle der Marsch durch den Ort, dann zum stattlichen Pfarrhof in dessen Garten unternommen, wo die Liedertafel in dem dem Geburtshause Bruckners gegenüberliegenden Theile Aufstellung nahm. Nach Absingung einer schwungvollen Bruckner=Hymne (Text vom Vereinssecretär Kerschbaum, Composition von Wilhelm Floderer) hielt der Vorstand der Liedertafel Stadtrath Milbeck die Festesrede, die wir nachstehend im Wortlaute wiedergeben:
      „Grüß Gott!“ rufe ich freudigst bewegt allen zu, die heute hieher gekommen sind, um mit uns Sängern des deutschen Liedes den großen Tondichter Dr. Anton Bruckner an seiner Geburtsstätte zu feiern, ihm einen kleinen Beweis unserer unendlichen Verehrung darzubringen, ihn zu preisen als den gottbegnadeten Meister im unendlichen Reiche der Töne!
     Wenn Sie mich fragen, wieso gerade die Liedertafel „Frohsinn“ in Linz dazu kommt, diese Feier zu veranstalten, so antworte ich darauf, Dr. Anton Bruckner ist einer der unsrigen seit dem Jahre 1855, er hat in der Liedertafel „Frohsinn“ als Chormeister so verdienstvoll gewirkt, er hat uns stets für das deutsche Lied zu begeistern verstanden, er hat unsern Verein so oft im Heimatlande sowohl, als auch seinerzeit in dem allen unvergeßlichen deutschen Sängerfeste in Nürnberg im Jahre 1861 zum glänzenden Siege geführt.
     Wir wählten gerade den gegenwärtigen Zeitpunkt für diese Feier, weil wir die Ueberzeugung haben, daß wir die Festlichkeiten, aus Anlaß des 50jährigen Bestehens der Liedertafel „Frohsinn“  nicht würdiger abschließen können, als mit einer Gedenkfeier für unser hochgeehrtes Ehrenmitglied Dr. Bruckner. Was Bruckner als Compositeur, als Meister des Orgelspieles Großes geleistet, das zu schildern kann heute nicht meine Aufgabe sein, ich will nur einige der hervorragendsten Momente seines reichen Wirkens, seiner emsigen Thätigkeit hervorheben und sie in Erinnerung bringen.
     Bruckner, geboren am 4. September 1824 hier in diesem Hause, widmete sich gleich seinem Vater dem schönen, aber auch mühevollen Berufe eines Lehrers. Schon im Jahre 1851 leuchtete ihm ein Glücksstern, der unsern lieben Bruckner nach St. Florian führte, in jenes weltberühmte Chorherrenstift, das eine wahre Pflegestätte für Kunst und Wissenschaft von jeher war und ewig sein wird. Dort fand Bruckner als Stiftsorganist die beste Anregung für die Entwicklung, für die Entfaltung, für die Veredelung seiner außergewöhnlichen großen musikalischen Fähigkeiten. Von 1855 an ist Bruckners Name in unserer Landeshauptstadt stets mit Ehre genannt, in diesem Jahre kam Bruckner nach Linz, da brach sich sein großes Talent – ohne Protection – ganz aus Eigenem Bahn, er siegte bei Besetzung der Dom=Organistenstelle in Linz über alle seine Mitbewerber. Bruckner blieb nun mehr als ein Jahrzehnt in Linz, er entzückte oft und oft durch sein herrliches Orgelspiel die andächtig lauschenden Zuhörer, die oft scharenweise herbeigeströmt waren. Er gönnte sich aber keine Rast und Ruh, er strebte nach Vollendung, widmete sich dem Studium mit voller Hingebung, der Lohn dafür blieb nicht aus, denn er bestand in Wien im Jahre 1861 vor einem strengen Richtercollegium die Maturitätsprüfung über Orgelspiel, Harmonielehre und Contrapunkt mit glänzendem Erfolge. Im Jahre 1864 feierte Bruckner seinen ersten großen Triumph als Compositeur auf dem Gebiete der Kirchenmusik, die Aufführung seiner ersten großen Messe in der Donkirche zu Linz brachte ihm reiche, hochverdiente Anerkennung ein. Im darauffolgenden Jahre fand in Linz das oberösterreichisch=salzburgische Sängerbundesfest statt. Es wurden Preischöre zu Ausschreibung gebracht, da trat Bruckner auch mit in Concurrenz, es gelang ihm aber nur, von den gestrengen Preisrichtern mit dem 2. Preise bedacht zu werden und merkwürdig, Bruckners Preischor „Germanenzug“ ist heute noch auf der Bildfläche zu finden, während die übrig preisgekrönten Chöre schon längst in Vergessenheit gerathen sind; Bruckners „Germanenzug“ findet heute noch überall die glänzendste Aufnahme, er wird heute noch überall, wo er zur Aufführung gelangt, bejubelt. Im Jahre 1866 vollendete Bruckner in Linz seine erste Symphonie, welche zwei Jahre später vom dortigen Musikverein zur gelungenen Aufführung gebracht worden ist. Im Jahre 1868 [sic] errang Bruckner bei den internationalen Wettbewerben im Orgelspiel in Nancy, Paris, London erste Preise und begründete damit seinen Weltruhm. In diesem Jahre verließ Bruckner Linz und sein Vaterland Oberösterreich, er folgte einem ehrenvollen Rufe in die Kaiserstadt Wien und wurde daselbst Professor am Conservatorium und k. k. Hoforganist. Da begann aber die Leidenszeit für Bruckner.
     Bruckner, ein gutmüthiger, aufrichtiger, bescheidener Mann, mit wahrhaft kindlichem Gemüthe paßte nicht in die Weltstadt, – er fand da nicht so viele und mächtige Freunde, die ihm hinlänglich Schutz gewähren °konnten vor seinen Feinden, die in Neid, Haß, Mißgunst und Bosheit gegen ihn ankämpften, ihm alle möglichen Hindernisse in den Weg legten, so daß die großartigen titanenhaften symphonischen Werke, die Bruckner schuf, nicht den vollen, ihren [sic] gebürenden [sic] Erfolg finden konnten. Trotz alledem erlahmte Bruckner nicht, seine Schaffensfreudigkeit dauerte fort, er schrieb eine Symphonie um die andere, eine großartiger als die andere.
      Im  Jahre 1886 wurde ihm von Sr. Majestät das Ritterkreuz des Franz=Joseph=Ordens verliehen; im Jahre 1891 wurde er von der Wiener Universität zum Ehrendoctor ernannt, eine Auszeichnung, welche die ehrwürdige, weltberühmte Universität vor ihm noch keinem Tondichter zutheil werden ließ. Im Jahre 1894 wurde Bruckner Ehrenbürger der Landeshauptstadt Linz und zwar in „Anbetracht der hohen Verdienste, welche er sich durch die Composition seiner Meisterwerke um die Tonkunst erworben hat, in Anbetracht des Ruhmes, den er als Componist und Orgelvirtuose von den größten europäischen Musikstätten errungen hat und von dem ein Abglanz auch auf seine Heimat Oberösterreich, insbesondere auf die Landeshauptstadt Linz, als die Stätte seines langjährigen künstlerischen Wirkens zurückfällt.“
      Die Liedertafel „Frohsinn“ hat Bruckner, als er Linz verließ, zu ihrem Ehrenmitgliede ernannt, sie hat aber auch seither an seinem Leben und Wirken stets innigsten Antheil genommen, sie hat, soweit es die Umstände gestattet, auch Compositionen von ihm zur Aufführung gebracht, und dann all ihr Können aufgeboten, um dieselben in würdiger, möglichst gelungener Weise zum Vortrage zu bringen; so hat der „Frohsinn“ im Jahre 1886 zur Feier seines Gründungsfestes ein Concert mit Compositionen Bruckners veranstaltet und dabei das herrliche, großartige Tedeum ins Programm aufgenommen.
     In der Chronik des „Frohsinn“ steht über dieses Concert zu lesen: „Das Festconcert gewann an Reiz noch ungemein durch die Gegenwart Meister Bruckners selbst, welcher stürmisch begrüßt und nach jeder Nummer und insbesondere am Schlusse des Concertes mit einem wahren Beifallsjubel, der Zeugnis gab von der echten, unerzwungenen Begeisterung der Zuhörerschaft, überschüttet wurde.“
      Bei dem an dieses Concert sich anschließenden Commerse habe ich in der Dankesrede an Bruckner unter anderem gesagt: „ Wir lassen uns in keiner Weise beirren durch die allfällig gehässigen Urtheile einzelner Wiener Kritiker, die, anstatt das heimische Talent zu unterstützen, aus principieller Gegnerschaft das Schöne, Gute, Edle, was Bruckner geschaffen, in geradezu verletzender Weise wegzuleugnen suchen, oder wo dies nicht möglich, doch zu verkleinern trachten. Wir haben die feste Ueberzeugung, daß die Feinde Bruckners – alle ohne Ausnahme – nach und nach zum Rückzuge blasen und allmählich ganz verstummen werden und daß Bruckner als würdiger Nachfolger Beethovens und Richard Wagners als Stern erster Größe am musikalischen Himmel für immerdar erglänzen wird.“
     Mit Stolz erfüllt das mich heute sagen zu dürfen, daß diese Prophezeihung in in Erfüllung gegangen ist. Bruckners Ruhm ist ja in stetem Wachsen begriffen, in Deutschland mehrt sich die Schar seiner begeisterten Verehrer in herzerfreuender Weise.
     Unser aller herzlichster Wunsch ist, daß der liebe Meister Bruckner wieder bald, recht bald seine volle Gesundheit erlangen möge! Das walte Gott!
      Wir können aber unseren Meister nicht besser ehren, als daß wir der Mit= und Nachwelt seinen Ruhm verkünden, und so haben wir hier an seiner Geburtsstätte diese Gedenktafel angebracht! Ich übergebe hiemit dieselbe der löblichen Gemeindevorstehung von Ansfelden mit der Bitte, sie stets als theures Kleinod zu bewahren.
     Sie alle, alle, die hier versammelt sind, lade ich ein, mit mir einzustimmen in den Ruf; Unser genialer Landsmann, der große Tondichter Bruckner, lebe hoch! Hoch! Hoch!“
     Die von dem Sprecher mit dem ganzen Reichthum seines Empfindens in glänzender Weise vorgetragene Rede machte auf alle Umstehenden einen tiefen Eindruck, den die folgende meisterhafte Wiedergabe der „Ehre Gottes“ von Beethoven nur noch erhöhen konnte. Bürgermeister Plaß brachte hierauf auf Seine Majestät den Kaiser ein dreifaches Hoch aus, das begeisterten Wiederhall [sic] fand, die Kapelle intonierte sodann die Volkshymne, die von den Zuhörern entblößten Hauptes angehört wurde. Die Gedenktafel, deren Hülle bei den Schlußworten der Festesrede gefallen war, bildete nun das Object der Besichtigung aller Festestheilnehmer. Auf einer etwa einen Meter hohen weißen Marmortafel ist vom Steinmetzmeister Binder in Linz in schwarzer Schrift eingemeißelt zu lesen:
     Ihrem Ehrenmitgliede, | dem berühmten Tondichter | Dr. Anton Bruckner, | Ritter des Franz=Josef=Ordens, | k. und k. Hoforganist, Lector an der k. k. Universität | in Wien, | Ehrenbürger der Landeshauptstadt Linz, | geboren in diesem Hause am 4. September 1824, | widmet diese Gedenktafel | die Liedertafel "Frohsinn" in Linz | Mai 1895.
     Schade ist, daß der Platz vor dem bescheidenen Schulhause zu klein, als daß sich die neue Zierde gehörig repräsentieren könnte. Die Festtheilnehmer labten sich nach Beendigung der officiellen Feier in Herzogs Gasthausgarten an einem guten Tropfen Florianerbier, so sie infolge des starken Andranges überhaupt einen bekommen konnten. Wohlgelungene Gesangsvorträge des Gesangsvereines aus St. Florian unter ihrem tüchtigen Chormeister und der Liedertafel fanden enthusiastische Aufnahme.
     Nach nochmaligen Dankesworten des Vorstandes Herrn Milbeck für die freundliche Aufnahme wurde auf den anwesenden Bruder des gefeierten Meisters, der als Calcant im Stifte St. Florian in Verwendung steht, ein Motto gebracht, worauf jener in schlichten Worten für seinen Bruder dankte. Die Feier wäre in vollständig ungetrübter Freude verlaufen, wenn Meister Bruckner selbst derselben hätte beiwohnen können.“       [keine Signatur]  (***). 

Von diesem Ereignis berichten auch

das Fremdenblatt Nr. 130 auf S. 4:
„      Theater und Kunst.
[…]
     – Aus Linz, 13. d., wird uns telegraphiert: Sonntag Nachmittags fand in Ansfelden, das herrlich beflaggt war, die Enthüllung der von der Liedertafel "Frohsinn" an Bruckner's Geburtshaus angebrachten Gedenktafel statt. Dort hat Dr. Anton Bruckner seinerzeit als Schulgehilfe gewirkt. Der Feier wohnte ein zahlreiches Publikum aus Linz und Umgebung bei. Reichsraths-Abgeordneter Plaß, Bürgermeister von Ansfelden, begrüßte den Verein "Frohsinn" und gedachte Bruckner's als Sohn des Ortes. Vor dem Hause (es ist das gegenwärtige Schulhaus) ertönte ein feierlicher Chor, worauf Stadtrath Milbeck, der Vorstand der Liedertafel, die Festrede hielt. Hierauf fiel die Hülle. Brausende Hochrufe erschollen nun auf Bruckner. Auch der Regenschori hielt namens des Stiftes St. Florian eine Rede. Bürgermeister Plaß richtete hierauf Dankesworte an den Verein „Frohsinn“ und brachte ein "Hoch!" auf Se. Majestät den Kaiser aus. Mit der Volkshymne schloß die schöne Feier." (°),

die Neue Freie Presse Nr. 11033 (Abendblatt) auf S. 1:
"     [Anton Bruckner=Feier] Aus Linz wird uns gemeldet: Gestern Nachmittags fand in dem reich beflaggten Orte Ansfelden bei St. Florian die Enthüllung der von der Liedertafel „Frohsinn” auf Bruckner's Geburtshaus angebrachten Gedenktafel statt. Dort wurde der Meister im Jahre 1824 geboren und wirkte auch als Schulgehilfe daselbst. Der Feier wohnte ein zahlreiches Publicum aus Linz und Umgebung bei. Reichsraths=Abgeordneter und Bürgermeister von Ansfelden, Plaß, begrüßte die Liedertafel „Frohsinn” und gedachte in warmen Worten Bruckner's. Vor dem Hause, es ist das gegenwärtige Schulhaus, ertönte ein feierlicher Chor, worauf Stadtrath Milbeck, der Vorstand der Liedertafel, die Festrede hielt, nach welcher die Hülle unter brausenden Hochrufen auf Bruckner fiel." (°°),

die Österreichische Volkszeitung Nr. 130 auf S. 2:
"     * Bruckner=Feier. Aus Linz wird uns berichtet: Gestern Nachmittags fand im beflaggten Orte Ansfelden bei St. Florian die Enthüllung der von der Liedertafel „Frohsinn” auf Bruckner's Geburtshaus angebrachten und gewidmeten Gedenktafel statt. Der Feier wohnte eine große Menschenmenge aus Linz und Umgebung bei. Stadtrath Mirbeck [sic] hielt die Festrede, worauf brausende Hoch=Rufe auf Bruckner ertönten." (°°°)

und das Neue Wiener Tagblatt Nr. 130 auf S. 3:
"    * (Gedenktafel für Anton Bruckner.) Aus Linz wird uns telegraphiert: Sonntag Nachmittags fand im beflaggten Ansfelden bei St. Florian die Enthüllung der von der Liedertafel "Frohsinn" an Anton Bruckner's Geburtshaus angebrachten Gedenktafel statt. In Ansfelden wurde bekanntlich Bruckner im Jahre 1824 geboren und hier wirkte er auch als Schulgehilfe [sic]. Der Feier wohnte eine große Menschenmenge aus Linz und Umgebung bei. Reichsrathsabgeordneter und Bürgermeister von Ansfelden, Plaß, begrüßte den „Frohsinn” und gedachte hiebei auch Bruckner's als Sohn des Ortes. Vor dem Hause – es ist das Schulhaus – ertönte ein feierlicher Chor, worauf Stadtrath Mirbach[sic], der Vorstand der Liedertafel, die Festrede hielt, nach welcher die Hülle fiel und brausende Hochrufe auf Bruckner erschollen. Es sprach auch der Regenschori [Bernhard Deubler] namens des Stiftes St. Florian und Bürgermeister Plaß richtete Dankesworte an den "Frohsinn" und schloß mit Hochrufen auf den Kaiser. Mit einem Chore und der von der Capelle gespielten Volkshymne schloß die erhebende Feier." (#).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189505135, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189505135
letzte Änderung: Dez 03, 2023, 23:23