zurück 15.5.1895, Mittwoch ID: 189505155

In der Kommissionssitzung der Philosophischen Fakultät liest Dekan Karabacek Bruckners Gutachten [vom 30.4.1895] vor. Hofrat von Zeißberg bedauert, daß Bruckner nicht auf die Arbeiten Marschners eingegangen ist. Hofrat Zimmermann meint, daß Bruckners Brief gar kein Gutachten sei. Als neuer Gutachter soll Mandyczewski gefragt werden (*).
 
Wortlaut des Protokolls (die Unterstreichung nachträglich mit Farbstift):
"Z. 820.
                       Protokoll,
aufgenommen in der Decanatskanzlei der philosophischen Facultät der k. k. Universität in Wien am 15t Mai 1895. um 9 Uhr Vormittags
                Vorsitzender Decan
[links:] Anwesende Com[m]issionsmitglieder die Gefertigten
[rechts:] Von den Comissionsmitgliedern entschuldigt [keine Angaben]
                 Der Gegenstand
Gesuch des Dr Franz Marschner um Verleihung einer Lectorstelle für praktische Ästhetik der Tonkunst.
Decan liest das abfällige Gutachten Dr Bruckner's vor. Hofr. v. Z. bemerkt es sei beklagenswerth sei, dß Br. auf die Arbeiten M's nicht eingegangen sei.
Hofr. Zim[m]er [zuerst nur "Z." geschrieben] bemerkt, B's Brief sei kein Gutachten. Hofr. v. Zeissberg frägt ob es eine andre Persönlichkeit gäbe die ein Gutachten abzugeben im Stande wäre. Es wird D M Eusebius Manditschefsky genannt. Dekan wird beauftragt in vertraulichem Wege sich an diesen Herrn um ein Gutachten zu wenden.
Schluß ½ 10 Uhr
                     RobZim[m]ermann
                          Zeißberg
                           Exner
                         Karabacek" (*a).
Kanzleivermerk auf der Rückseite dieses Dokuments "prs. 15. Mai 1895. Z. 820 [darunter mit dem Farbstift, der auch zur Unterstreichung  (siehe *a) verwendet wurde:] Marschner  [weiter unten, anderer Stift:] Fug[? oder Fux = Johann Nepomuk Fuchs?]. Dir. Conservator" (*b).
 
Die Einladung zu dieser Sitzung lautete folgendermaßen (Vorgedrucktes fett gedruckt):
"Einladung | zur | Commissions-Sitzung
   Mittwoch am 15. Mai 1895 um 9 Uhr
über
Dr Marschner's Gesuch um Verleihung einer Lectorstelle für praktische Ästhetik der Tonkunst
                                            Der Decan
P. T. Herrn Professor
Dr Freih. v Berger, Exner, Zeissberg, Zim[m]mermann" (*c).

Schreiben des Obersthofmeisteramtes an die Schloßinspektion Belvedere [= Henrich?] (Konzept):
    Bruckners Gesuch [vom 19.2.1895] sei bewilligt; die Wartenegg-Wohnung im »Stöckl« werde zunächst für die Dauer dieses Sommers zugeteilt. Dr. Reisch werde müdlich verständigt. Unterschriften Westermayers und Horsetzkys. (**).

Von der Gedenktafel-Enthüllung am 12.5.1895 in Ansfelden berichten 

das Deutsche Blatt Brünn Nr. 38 auf S. 4:
"Aus Stadt und Land.
     (Anton Bruckner.) Sonntag fand in Außfeld [sic] bei St. Florian die Enthüllung der Gedenktafel für Anton Bruckner statt." (***),

die Reichspost Nr. 111 auf S. 5:
"    –  An Anton Bruckner's Geburtshaus im festlich beflaggten Ansfelden bei St. Florian wurde Sonntag Nachmittags eine Gedenktafel enthüllt. In Ansfelden wurde Bruckner im Jahre 1824 geboren und hier wirkte er auch als Schulgehilfe [sic]. Der Feier wohnte eine große Menschenmenge aus Linz und Umgebung bei. Reichsrathsabgeordneter und Bürgermeister von Ansfelden, Plaß, begrüßte den „Frohsinn” und gedachte hiebei auch Bruckner's als Sohn des Ortes. Vor dem Hause – es ist das Schulhaus – ertönte ein feierlicher Chor, worauf Stadtrath Mirbach [sic], der Vorstand der Liedertafel, die Festrede hielt, nach welcher die Hülle fiel und brausende Hochrufe auf Bruckner erschollen. Es sprach auch der Regenschori [Bernhard Deubler] namens des Stiftes St. Florian und Bürgermeister Plaß richtete Dankesworte an den "Frohsinn" und schloß mit Hochrufen auf den Kaiser. Mit einem Chore und der von der Capelle gespielten Volkshymne schloß die erhebende Feier." (°),

der Welser Anzeiger Nr. 20 auf S. 2:
"      Auswärtige Berichte.
     Linz,
13. Mai [Eigenbericht.] (Bruckner=Feier. – Zur Kaiserreise nach Linz.) In Ansfelden bei Sanct Florian wurde gestern Nachmittags unter großartiger Theilnahme der Bevölkerung die von der Liedertafel "Frohsinn" gewidmete und am Geburtshause Bruckners angebrachte Gedenktafel enthüllt. Dieser schöne Act, durch welchen sich die Liedertafel "Frohsinn" selbst ehrte, bildete den Abschluß der anläßlich des fünfzigjährigen Jubiläums des "Frohsinn" veranstalteten Unternehmungen. Die einfache Feier war erhebend und ergreifend und die Ansfeldner nicht wenig stolz darauf, daß ihrem berühmten Sohne des Ortes eine solche Ehrung wiederfuhr.     Die Gedenktafel enthält folgende Inschrift: "Ihrem Ehrenmitgliede dem berühmten Tondichter Dr. Anton Bruckner, Ritter des Franz=Josef=Ordens, k. k. Hoforganist, Lector an der Universität Wien, Ehrenbürger der Landeshauptstadt Linz, geboren in diesem Hause am 4. September 1824, widmet diese Gedenktafel die Liedertafel "Frohsinn" in Linz. Mai 1895."     Ein Bruder Bruckners, Küster und Gärtner in St. Florian, wohnte der Feier bei. Bruckner kam fast jedes Jahr, wenn [er auf (?)] der Fahrt nach Steyr begriffen war, nach Ansfelden und [suchte (?)] dort die noch lebenden Jugendgenossen auf. Nunmehr war er [über (?)] mehrere Jahre nicht in Ansfelden, dürfte aber , wenn es [ihm seine (?)] Gesundheit erlauben wird, bald wieder seinem Geburtsort [einen (?)] Besuch abstatten." (°°)

und "Das Vaterland" Nr. 132 auf S. 6f:
"     * [Bruckner=Feier.] Das "Linzer Volksbl." schreibt [14.5.1895]: Sonntag, 12. d. M., fand in Ansfelden am Geburtshause des Componisten Bruckner die feierliche Enthüllung einer Gedenktafel statt. [... anwesende Vereine und Personen (Bgm. Plaß, Deubler, Pfarrer Zauner) ... Ablauf der Feier (Grußworte von Plaß und Deubler, Brauneis (Liedertafel St. Florian), Festzug zum Schulhaus, Bruckner-Hymne (Text von Kerschbaum), Ansprache von Milbek [sic] ½ Stunde, Text der Inschrift ...] – Nach der Enthüllung der aus weißem Marmor angefertigten Gedenktafel intonirte der "Frohsinn" Beethoven's "Ehre Gottes", worauf ein von Herrn Plaß ausgebrachtes dreifaches Hoch auf Se. Majestät den Kaiser, welches bei den Festgästen begeisterten Widerhall fand, den würdigen Abschluß der Festfeier machte." (°°°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189505155, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189505155
letzte Änderung: Jul 28, 2023, 19:19