zurück 15.4.1896, Mittwoch ID: 189604155

"Die Lyra" XIX, Nr. 14 (504) bringt auf S. 156 [= S. 6] eine Kritik zur Aufführung der 2. Symphonie in Brünn [am 25.3.1896]:
"     Brünn. Der Musikverein hielt das zweite Concert, wie gewöhnlich, im großen Festsaale des deutschen Hauses ab. Der erste und größte Theil der Vortragsordnung war die Symphonie in C-moll (Nr. 2) von Anton Bruckner. Bruckner verlangt ein vortreffliches Orchester; der Eindruck war nicht in allen Sätzen ein gleichmäßiger. Der erste läßt die plastische Durchführung der Motive vermissen. Die Aufführung des Tonwerkes war eine vorzügliche. Musikdirector Otto Kitzler, vor mehr als dreißig Jahren eine Zeit auch Bruckner's Lehrer in der Composition, ließ es sich ganz besonders angelegen sein, seines einstigen Schülers Werk würdig und künstlerisch zur Durchführung zu bringen. Er zeigte abermals sein tiefes musikalisches Verständniß und richtiges Eindringen in das Wesen der Werkes. Für den lebhaften, anhaltenden Beifall hatte Musikdirector Kitzler wiederholt zu danken; auch das Orchester selbst. [... über die anderen Programmnummern (Goltermann, Moszkowsky, Max Bruch) und Mitwirkenden (Lucy Herbert Campbell: Violoncello, Herr Oplustil: Tenor) ...]" [keine Signatur] (*).

Die Österreichische Musik- und Theaterzeitung Nr. 19 erwähnt Bruckner und Aufführungen seiner Werke mehrfach:
Auf S. 2 in einer Kritik Theodor Helms zu Kiels Oratorium »Christus« [vgl. 7.4.1896]:
"            Wiener Concerte.
    
Das am Charmittwoch Abends (1. April) veranstaltete zweite ausserordentliche Gesellschaft-Concert brachte die (für Wien) erste Aufführeung des Oratoriums "Christus" von Friedrich Kiel [...].[... über Mängel der Komposition und der Aufführung ... deprimierender Gesamteindruck ... eine vollständige Aufführung des Lisztschen "Christus" wäre die bessere Wahl gewesen ...] Aber freilich gehörte dazu ein anderer Dirigent als Hr. v. Perger, der leider an die religiöse Musik Liszt's ebensowenig zu glauben scheint, als an jene Bruckner's. War doch der Name Liszt im Spielplane der heurigen Gesellschafts-Concerte nicht ein einzigesmal vertreten.
     [... über Edvard Griegs Konzert am 24.3.1896 ...]" (**a).

Auf Seite 3 Besprechung des Quintetts [am 27.3.1896] durch Theodor Helm:
"     Zweite ausserordentliche Soirée des „Böhmischen Streichquartettes”. Mit auf das Sorgfältigste einstudirten Vorträgen [... des Dvorak-Sextettes mit C. Rychlik als 2. Bratschisten und J. Burian als 2. Cellisten, des g-Moll-Klavierquartetts von Brahms mit Richard Epstein ...] und des F-dur-Streichquintettes von Bruckner (zweite Viola wieder Hr. Rychlick) beschlossen unsere Prager Gäste im grossen Musikvereinssaal am 27. v. M. ihre hiesige künstlerische Thätigkeit für diese Saison. Das Ereigniss des Abendes war die Erstaufführung des herrlichen Bruckner'schen Quintettes durch die „Böhmen”, da dessen Darstellung bei uns fast ausschliesslich dem wackeren Quartett Hellmesberger vorbehalten schien. Rosé und Genossen hatten das höchst schwierige Werk zwar einmal mit grösstem Beifalle in Linz gespielt, in Wien wagten sie sich bisher noch nicht daran -- wahrscheinlich aus Furcht vor den gewissen Beckmessern. Das Volksquartett Duesberg hegte solche Bedenken nicht, es führte Bruckner's Quintett zuletzt am 10. April 1893 [recte: 10.4.1894] hier auf. Eine relativ ganz tüchtige Wiedergabe, aber doch nicht zu jener Musteraufführung gediehen, welche durchaus unerlässlich, um die hyperkühne Polyphonie und die zahllosen Feinheiten, insbesondere der beiden ersten Sätze des Quintettes, ohne die sonst nur zu leicht störenden Schärfen und Härten in voller Klarheit hervortreten zu lassen. Und eben diese Musteraufführung gelang neulich wahrhaft erstaunlich den „Böhmen”! Höchstens konnte man über das Zeitmass des Adagios in Ges verschiedener Meinung sein. Mir persönlich erschien dieser himmlische Satz, dessen verklärte Idealität auf mich berückend wirkt, wie kein anderer eines lebenden Kammercomponisten, einen Gedanken zu langsam genommen. Auch singt sich mir der Brüder Hellmesberger seelenvolle Cantilene bei diesem Vortrag aus der ersten Geige und dem Violoncell heraus noch tiefer in's Innerste des Herzens. Aber andererseits erreichten die „Böhmen” durch die ausserordentliche Klarheit und plastische Bestimmtheit der Wiedergabe eine fast noch nie dagewesene höchste Klangschönheit, der gegenüber, sowie unter dem überwältigenden Eindruck der auf das Imponirendste herausgearbeiteten, grossartigen Contrapunktik bald alle Bedenken schweigen mussten. Ein nicht endenwollender Beifallssturm lohnte die glänzende Leistung, mit welcher die „Böhmen” sich selbst nicht minder ehrten, als den leider diesem seinem neuesten Triumphe ferne gebliebenen Meister. Jedenfalls konnte das „Prager Streichquartett” seine heurige, so erfolgreiche Concertthätigkeit in Wien nicht würdiger abschliessen, als mit der vollendeten Wiedergabe einer der edelsten und bedeutendsten Schöpfungen unseres grossen Bruckner. [... über den Quartettabend des Hellmesberger-Quartetts ...]    Theodor Helm." (**b).

Auf Seite 4 Kurzkritik des Konzerts vom 25.3.1896 (mit »Träumen und Wachen«) von B. Lvovsky:
   "[... über Dvoraks Konzert ...] 
   An demselben Tage Mittags fand im grossen Musikvereins-Saale das Orchester-Concert des „Schubertbund” unter Leitung seines trefflichen Chormeisters Adolf Kirchl statt und nahm einen sehr schönen Verlauf. Schon der erste Chor „Gesang der Geister über den Wassern”, achtstimmig mit Begleitung der tieferen Streichinstrumente, war von grosser Wirkung; sehr glücklich war auch die Wahl der zwei folgenden Novitäten. Vorerst des Chores mit Tenorsolo „Träumen und Wachen” von Anton Bruckner, einer bedeutenden Composition, deren Ausführung manche Schwierigkeiten bereitet; die zweite Neuheit [... Richard Heuberger dirigierte selbst ... über die weiteren Werke, die Solisten und andere Konzerte ...]      B. Lvovský."  (**c).

Und auf Seite 9 ein Bericht (auf S. 11 in Heft Nr. 20/21 signiert "-xy-") von der Aufführung der 2. Symphonie in Brünn (am 25.3.1896):
"                  Musikbriefe.
    Brünn. Das Ende der Saison brachte zwei bedeutungsvolle Concerte; das Musikvereins-Concert (25. März) erfreute uns hauptsächlich durch die Aufführung der zweiten (C-moll-) Symphonie A. Bruckner's, [... als zweites: das Konzert der Wiener Philharmoniker ...] Nach der Aufführung der Bruckner'schen Symphonie lasen wir in einem Referate, dass „Bruckner, der geniale Orgel-Virtuos, Kirchen-Componist und Symphoniker, jahrelang, auch in Wien, um seine Anerkennung kämpfen musste” - „und weiter kämpfen muss”, wollen wir hinzufügen, nach dem, was wir anlässlich des letzten Concertes des böhmischen Quartetts in Wien, in welchem als Nr. 3 des Programmes auch das Bruckner'sche Streich-Quintett F-dur aufgeführt wurde, erfahren haben. Trotzdem sahen wir, dass die Bruckner-Gemeinde in Wien ziemlich stark ist. Hier in Brünn, wo die Kämpfe der Wiener musikalischen Parteien unbekannt oder wo sich die Mehrzahl gegen dieselben gleichgiltig verhält, wo man also unparteiisch zuhört und urtheilt, wurde die Bruckner'sche C-moll-Symphonie mit einem Erfolge aufgeführt, wie unseres Wissens kein anderes Werk in neuerer Zeit hier errang. Neben der Bedeutung des Werkes galt selbstverständlich die Anerkennung auch der vorzüglichen Aufführung unter Leitung O. Kitzler's, des ehemaligen Lehrers Bruckner's. Die reiche, polyphone Stimmführung erlaubt es der Mehrzahl nicht, nach einmaligem Anhören dieser Schöpfung deren ganze Bedeutung zu begreifen, aber ihre Wirkung auf Alle war die eines Meisterwerkes. Von packender Wirkung sind die zahlreichen Steigerungen, ferner die Macht des Ausdruckes, hauptsächlich im zweiten Satze, dem Andante, die Frische des Rhythmus im Scherzo mit einem allerliebsten Trio und die Einleitung des vierten Satzes. Den Musiker interessiren ferner die obligaten Stellen verschiedener Instrumente im ersten Satze, die Wiederkehr und Verwandtschaft der Motive im letzten Satze mit jenem des Scherzo, ferner der ganze Aufbau des letzten Satzes. [... über die anderen Werke, darunter einen Chor von Max Bruch, ... dieser] konnte nach dem grossen Eindrucke, welchen die Composition Bruckner's auch noch nach dem Violoncell-Concerte hinterlassen, nicht ganz durchdringen. [... über ein Konzert der Wiener Philharmoniker ...]" (**d).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189604155, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189604155
letzte Änderung: Mär 30, 2023, 9:09