zurück 10.5.1896, Sonntag ID: 189605105

Bericht der Steyrer Zeitung Nr. 38 auf S. 3 über Franz Bayers dreitägigen Besuch bei Bruckner und die Arbeit an der 9. Symphonie:
"                  Localnachrichten.
                             
Steyr, am 9. Mai 1896.
[...]
     Bei unserem großen Meister Dr. Anton Bruckner in Wien weilte auf dessen speciellen Wunsch vor Kurzem der hiesige Regens chori Herr Franz Bayer drei Tage. Wie uns Herr Bayer mittheilt, ist der Gesundheitszustand Bruckner's nicht der beste und, obwohl größtentheils außer Bett, verbringt er die meiste Zeit des Tages schlafend in seinem Lehnstuhl. Den Schlußsatz seiner 9. Symphonie hat er wohl vollständig skizzirt, doch wie er zu Herrn Bayer selbst äußerte, hofft er selber nicht mehr, diesen ganz fertig ausarbeiten zu können. Seiner "lieben Steyrer" erinnert er sich äußerst gerne, und speciell freut es ihn, daß in Steyr so ein reger Sinn für seine Compositionen existirt, und er läßt für alles den "lieben Steyrern" danken. Weiters ersuchte Dr. Bruckner Herrn Bayer, den neuen hochw. Herrn Stadtpfarrer zu bitten, die paar Gegenstände (Lorbeerkränze &c) im sogenannten "Bruckner=Zimmer", welches im Stadtpfarrhofe (2. Stock) sich befindet, belassen zu wollen. In letzterer Zeit übernahm Bruckner von einem Verwandten Namens Zachhuber in Wolfern die Taufpathenstelle, wobei ihn Herr Bayer vertreten mußte. Außer dem üblichen Taufgeschenk, welches der Taufpathe=Stellvertreter überbrachte, übergab jetzt Bruckner an Herrn Bayer für sein Taufkind Anton Zachhuber eine große Photographie mit der eigenhändigen Fertigung "Erinnerung an Deinen Taufpathen 1896, Dr. Anton Bruckner", um dieselbe dem Vater des Kindes einzuhändigen. " " (*).

Diesem Besuch und Bruckners Gesundheitszustand widmet sich auch ein Artikel im Alpen-Boten Nr. 38 auf S. 3.
"                  Oertliches.
[...]
     (Von Dr. Anton Bruckner.) Auf speciellen Wunsch des Herrn Dr. Bruckner weilte Herr Chorregens Bayer kürzlich drei Tage bei demselben, dessen Gesundheitszustand leider nicht der beste ist. Die meiste Zeit des Tages bringt der Tonheros schlafend im Lehnsessel zu. Von seiner neunten Symphonie sind die drei ersten Sätze fertig, während der letzte Satz nur skizziert, aber nicht ausgeführt ist. Nach eigener Aeußerung hofft Dr. Bruckner selber nicht mehr, diesen Satz fertig bringen zu können. Um "seine lieben Steyrer" erkundigte sich der Kranke sehr lebhaft und sein Wunsch wäre, unter denselben wieder einige Zeit weilen zu können. Uebergroße Freude machen ihm "seine lieben Steyrer" durch die Aufführung seiner Compositionen und er kann denselben nicht genug Worte des Dankes widmen. Herr Bruckner empfieng Herrn Bayer recht herzlich, der Abschied war ein überaus rührender. Dr. Bruckner küsste seinen Gast mit thränendem Auge, bedankte sich für alles, speciell wieder für das Zustandekommen der Aufführung seiner Messe und des Requiems &c., und bat Herrn Bayer, ihm recht bald wieder zu schreiben, eventuell ihn zu besuchen, und den Herrn Stadtpfarrer [Strobl] zu ersuchen, die noch von ihm hier zurückgelassenen paar Gegenstände im sogenannten "Bruckner=Zimmer" im Stadtpfarrhof zu belassen. Für sein Taufkind Anton Zachhuber in Wolfern übergab der berühmte Tonkünstler dem Herrrn Bayer eine große Photographie mit der eigenhändigen Widmung "Erinnerung an Deinen Taufpathen, 1896. Dr. Anton Bruckner." (**).

Bericht des »Ménestrel« über die Verleihung eines hohen Ordens an Brahms, was eine Besonderheit darstelle. Lediglich Bruckner habe als 60jähriger eine kleine Auszeichnung [Franz-Josephs-Orden] erhalten (***).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189605105, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189605105
letzte Änderung: Nov 23, 2023, 15:15