zurück 24.7.1896, Freitag ID: 189607245

Dr. Heller macht eine Visite bei Bruckner (*).

Die Allgemeine Zeitung München Nr. 203 (Morgenblatt) erwähnt im Feuilleton auf S. 1 auch Bruckner:
"               Wechselströme der Musik.
          
Eine Skizze von O. G. Sonneck.
     "Es wird Zeit, daß die Deutschen den Vorwurf Lügen strafen, der ihnen seit lange gemacht wird, Italienern und Franzosen das Feld nicht auf das tapferste überlassen zu haben." – Wer diese Worte nicht schon kennt, ahnt kaum, daß sie aus dem 1842, und zwar von Robert Schumann stammen. So gut passen sie wieder für unsre Epoche. [.... eine französisches Buch nenne als Vertreter einer deutschen Schule nach Wagner ...] Brahms, Goldmark und Rich. Strauß. Mag mit dieser sonderbaren Zusammenstellung der französische Musikgelehrte ein chronologisches wie stilistisches Charivari anrichten, könnte man ihm in seiner Weise mit einem Ragout bekannter Namen dienen: Bargiel, Bruckner, A. Becker, Humperdinck, [... etc. ...] – viel würde nicht gewonnen. [... erwähnt: Spitta und Komponisten, auch der Barockzeit ...].
     Wir mögen nicht an einen Niedergang der Tonkunst glauben. Es wird alles besser werden, haben wir nur nimmer Programmmusiker, sondern Musik=musiker. [... über den Münchner Komponisten Anton Beer und seine Propagandisten ...]. Und wäre die Propaganda für ihn selbst unverschämt, so wäre das noch weit anständiger, als sie mit Waffen des Unverstandes, des Neides, der Bosheit, der Selbstberäucherung und der Entstellung zu bekämpfen. – Nun, Geduld ist die Seelsorgerin des Erfolges!" (**).

Meldungen über Bruckners Befinden erscheinen

im Linzer Volksblatt Nr. 169 auf S. 4:
"    – Professor Dr. Bruckner. Aus Wien, 22. d. M., wird dem "Linzer Volksblatt" geschrieben: "Soeben komme ich von dem lieben, guten Dr. Bruckner. Es geht ihm besser. Ich fand ihn außer Bett, gerade im Begriffe, ein Stück Buttersemmel zu essen. Es war eine kleine Lungenentzündung im Anzuge gewesen, die aber zum Glück wieder erloschen ist   Er erzählte mir gleich, daß er die heilige letzte Oelung empfangen habe, ohne es zu wissen, und war darüber besorgt. Ich musste ihm versichern, daß die heilige letzte Oelung auch wirksam ist, wenn der Kranke nichts davon weiß, ähnlich wie die Taufe bei den kleinen Kindern. Dann war er zufrieden. Eine eigentliche Kräftigung ist wohl in seinem Alter nicht mehr zu erwarten. Doch kommt mir seine Stimme noch ziemlich kräftig vor, und da noch die gute Jahreszeit ist, so dürfte er doch wieder soweit sich erholen, daß er an seiner letzten Symphonie, die er, wie er mir sagte, der allerhöchsten Majestät, nämlich dem dreieinigen Gott, widmen wird, weiterarbeiten kann. Durch die Huld Sr. Majestät des Kaisers erhielt er eine anmuthige Wohnung im oberen Belvedere, über die er ganz glücklich ist. Denn der Hausherr verlangt keinen Zins, steigert ihn nicht und kündigt ihm auch die Wohnung nicht. Er ist also von dieser Sorge völlig frei. Es fehlt somit zu seiner vollen Zufriedenheit nichts, als daß er einige Wochen hindurch jeden Tag um ein Jahr jünger würde. Dann wäre es bald recht gut. Nun, dieser Wunsch wird freilich nicht erfüllt. Er wird jeden Tag älter und sein Kraftcapital geringer, bis es ganz aufgezehrt ist. Das Andenken aber an diesen merkwürdigen Mann, der bei so hoher künstlerischer Begabung die Einfalt und Geradheit des Kindes bewahrte, wird ein bleibendes sein." " [keine Signatur] (***),

in der Linzer Zeitung auf S. 818 (auf einen Artikel der »Presse« zurückgreifend): 
„   Linzer und Kronlands=Nachrichten.
                                
Linz, 23. Juli.
[…]
     * (Anton Bruckner.) Wie die „Presse“ meldet, hat sich das Befinden des greisen Patienten etwas verschlimmert.“ (°)

und in der »Presse« Nr. 202 auf S. 3:
»     (Anton Bruckner.) Am gestrigen Tage ist eine Besserung im Befinden Bruckner's eingetreten.« (°°).

Der dem Linzer Volksblatt übermittelte Bericht wird auch im "Vaterland" Nr. 202 auf S. 2 des Abendblatts veröffentlicht:
"    * [Professor Dr. Bruckner.] Aus Wien, 22. d. M., wird dem "Linzer Volksblatt" geschrieben: "Soeben komme ich von dem lieben, guten Dr. Bruckner. Es geht ihm besser. Ich fand ihn außer Bett, gerade im Begriffe, ein Stück Buttersemmel zu essen. Es war eine kleine Lungenentzündung im Anzuge gewesen, die aber zum Glück wieder erloschen ist   Er erzählte mir gleich, daß er die heilige letzte Oelung empfangen habe, ohne es zu wissen, und war darüber besorgt. Ich musste ihn versichern, daß die heilige letzte Oelung auch wirksam ist, wenn der Kranke nichts davon weiß, ähnlich wie die Taufe bei den kleinen Kindern. Dann war er zufrieden. Eine eigentliche Kräftigung ist wohl in seinem Alter nicht mehr zu erwarten. Doch kommt mir seine Stimme noch ziemlich kräftig vor, und da noch die gute Jahreszeit ist, so dürfte er doch wieder so weit sich erholen, daß er an seiner letzten Symphonie, die er, wie er mir sagte, der allerhöchsten Majestät, nämlich dem dreieinigen Gott, widmen wird, weiterarbeiten kann. Durch die Huld Sr. Majestät des Kaisers erhielt er eine anmuthige Wohnung im oberen Belvedere, über die er ganz glücklich ist. Denn der Hausherr verlangt keinen Zins, steigert ihn nicht und kündigt ihm auch die Wohnung nicht. Er ist also von dieser Sorge völlig frei. Es fehlt somit zu seiner vollen Zufriedenheit nichts, als daß er einige Wochen hindurch jeden Tag um ein Jahr jünger würde. Dann wäre es bald recht gut. Nun, dieser Wunsch wird freilich nicht erfüllt. Er wird jeden Tag älter und sein Kraftcapital geringer, bis es ganz aufgezehrt ist. Das Andenken aber an diesen merkwürdigen Mann, der bei so hoher künstlerischer Begabung die Einfalt und Geradheit des Kindes bewahrte, wird ein bleibendes sein." " (°°°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189607245, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189607245
letzte Änderung: Nov 23, 2023, 16:16