zurück 7.12.1924, Sonntag ID: 192412075

Aufführung der 4. Symphonie und des »Te deum« durch das Symphonieorchester Helsingfors unter Leo Funtek (*).

Aufführung des "Te deum" durch das Osnabrücker Symphonieorchester unter Otto Volkmann mit dem Chor des Musikvereins und den Solisten Käthe Neugebauer, Agnes Leydhecker, Antoni Kohmann und Gustav Havemann in Osnabrück (**).

Die Österreichische Volkszeitung Nr. 335 weist auf S. 8 auf die morgige Aufführung der 8. Symphonie hin (***).

Die Reichspost Nr. 336 verzeichnet auf S. 10 in der "Kritischen Radiowochenschau" eine Bruckner-Feier (29.11.1924) von Radio Wien (°).
Auf derselben Seite Hinweise auf die Kirchenmusik am 8.12.1924 (°°).
Auf Seite 11 gibt der Artikel "Berliner Bruckner-Pflege" eine Vorschau auf die dortigen Bruckner-Feiern, so am 12.12.1924 mit dem 150. Psalm und der d-Moll-Symphonie ("Nullte") (°°°).

Die Mississippi-Blätter Nr. 342 (Westliche Post, St. Louis, Missouri) bringen auf S. 8 einen Artikel mit Bruckner-Anekdoten:
"             Denkmal für Bruckner.
     Linz war in den sechziger Jahren nicht sehr aufregend. [... gesellschaftliche Struktur ...Frohsinn-Mitglied ...]. Wir hatten um jene Zeit eben ein allerliebstes Tantchen im Hause, Vaters jüngste, kaum noch flügge wunderschöne Schwester, auf ein paar Monate zu uns bei Besuch, die nun aber nicht müßig gehen, sondern auch hier ihre höhere Töchterbildung eifrig fortsetzen sollte, und zum Klavierunterricht für sie wurde dieser Bruckner empfohlen, der aber meiner guten, doch in Sachen des Anstandes und guten Betragens sehr genauen und wehrhaften Mutter gleich auf den ersten Blick so sehr mißfiel, daß sie, für die Tugend der kleinen Schwägerin besorgt, für alle Fälle stets im Zimmer nebenan wachsam zu bleiben und hilfsbereit aufzupassen beschloß. [... Schülerin klagt über Schmerzen in den Gelenken, Bruckner drückt die Hände ...] Jessas, die herzigen armen Handerln! Da schoß meine Mutter empört herein, und an diesem Tage spielten sie nicht weiter; der sittlich allzu gefahrdrohende Klavierunterricht blieb hinfort eingestellt.
     Wahrhaft reine Menschen sind immer ganz arglos, sie lassen sich auch deshalb niemals zivilisieren; denn was wir Zivilisation nennen, ist ein äußerer Anstrich und Verputz [...] wirkt komisch. Bruckner bemerkte das bald und ergab sich darin. Er war gewohnt ausgelacht zu werden, und ertrug das nicht bloß, sondern gefiel sich geradezu darin, ja mit der Zeit half er sogar der angeborenen Lächerlichkeit, der kein anständiger Mensch entgeht, wofern er sich nicht ungewöhnlich gut aufs Heucheln versteht, noch absichtlich nach. An der Universität gingen wir zuweilen bloß der Hetz wegen in sein Kolleg; es war zu komisch, wenn er an die Tafel malte, wie die zweite Stimme der ersten "nachsteigt", bis ihr der Atem ausgeht und sie sich nicht mehr weiter traut, sondern schön stad wieder umdraht: "Pfirt di Gott, i geh liaber wieder z'Haus, sicher is sicher!" Und je mehr wir lachten, desto mehr schwang er sein berühmtes bäuerisches Schnupftuch, sichtlich erfreut. [...] ein leibhaftiger Protest gegen den Wahn jener Zeit, als ob das Kunstwerk ein Geschöpf seines Künstlers und darum aus der Biographie dieses Künstlers erklärbar wäre, statt, wie wir heute [... dank Benedetto Croce ...] wieder wissen, Eingebung, Anfall einer höheren Macht, Heimsuchung des Künstlers durch eine seinen [sic] Willen entrückte Kraft, "das Geschenk von oben", wie Goethe zu sagen pflegte. Bruckner ist seit Bach, Mozart und Schubert das schönste Beispiel der dem gegen sich wahrhaften Künstler eingeborenen Gewißheit, selber an seinen Werken ganz unschuldig, ja in [nicht lesbares Wort] ein völliges Passivum zu sein, des Anhauchs der unverhofft auf ihn einstürmenden Kraft in Geduld gewärtig. Ein "Telephon der Ewigkeit" hat Nietzsche die Musik genannt; Bruckner saß immer achtsam, doch sorglos daran, er wußte, daß er schon zur rechten Zeit wieder angerufen werden würde, er saß erwartungsvoll an der Orgel. [...].
     [... im Unterricht ein anderer Charakter ... war einer der echten Künstler,] die niemals in ihrer Person zu finden sind, sondern nur in ihren Werken. [... Denkmaler verewigen aber nur das Sterbliche, das Unsterbliche kann dennoch vergessen werden; erfreulich: überliefern das Außere ... ]; auch Seipel ist ja von Angesicht sozusagen eine Salonausgabe Bruckners.
     Aber ein Denkmal soll, wie schon das Wort sagt, uns denken lassen an den, dem es gesetzt wird. [... Max Auers Bestrebungen, die Bruckner-Orgel wiederherzustellen ... die unbeherrschbare Mechanik sei "der Schrecken aller Organisten" ... seit den 1890er Jahren Pläne, zu restaurieren und die Seitenorgeln einzubinden ...].
     Auers Ruf hat mächtig gewirkt: Der Bundespräsident und der Bundeskanzler, [... österreichische Institutionen und Persönlichkeiten...], und Siegfried Ochs, Karl Muck und Siegmund v. Hausegger bürgen dafür, daß er auch in Deutschland Widerhall erwarten darf. Notwendig ist rund eine Milliarde österreichischer Kronen. Das muß doch Bruckner unter Brüdern noch wert sein." [keine Signatur] (#).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 192412075, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-192412075
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11