zurück 5.6.1884, Donnerstag ID: 188406055

Das Musikalische Wochenblatt Nr. 23/24 berichtet auf S. 296f von der Aufführung des Quintetts [am 5.4.1884] und zieht Vergleiche mit Brahms und Beethoven [der Autor ist ziemlich sicher Theodor Helm (s. Anm.)].
                »Wien.

           (Fortsetzung.)
     [... über Gerickes Konzert vom 20.4.1884 ...]
     Lassen wir nun noch die bemerkenswerthesten Vorkommnisse der Saison auf dem Gebiete der Kammermusik [...] an uns vorüberziehen. Da möchten wir nun - was die Kammermusik anbelangt - vor Allem ein Streichquintett (F dur) unseres abenteuerlich-genialen Anton Bruckner nennen, welches ein Adagio (in Ges dur) enthält, welches zu dem Zartesten, Verklärtesten,Innerlichsten und Klangschönsten gehört, was überhaupt von langsamen Sätzen seit Beethoven geschrieben wurde. [...] Aber ich fordere alle Freunde der edlen Kammermusik auf, sich durch Nachlesen der demnächst in Gutmann's Verlage hier erscheinenden Partitur von der Wahrheit meiner Worte zu überzeugen.
     Stünde das ganze Quintett auf der Höhe dieses zauberhaften Adagios, so hätte man es - meines Erachtens - mit dem überhaupt bedeutendsten Streichquintett der Gegenwart zu thun, selbst das so überaus anziehende und meisterhafte Brahms'sche müsste dagegen zurücktreten. Leider aber fällt namentlich das Finale nach dem Adagio bedeutend ab [... Lob für die Themen der ersten Sätze und das Trio, Bemerkungen über die kühne Harmonik, über die Interpreten ...] Möchte doch das Bruckner'sche Quintett, wenn es erst im Druck erschienen, auch über die Grenzmarken Oesterreichs in das ernste, nicht vorschnell urtheilende musikalische Deutschland eindringen! Von Seiten der HH. E. Bernsdorf und O. Gumprecht hat eine derartige Novität zwar kaum etwas Anderes, als das entschiedenste Anathema zu erwarten, es gibt aber in den grossen deutschen Musikstädten der vorurtheilslosen und gebildeten Fortschrittsfreunde genug, welche trotz der obligaten reactionären Verketzerung Bruckner's Quintett wenigstens in seinen drei ersten Sätzen als eine werthvolle und sehr erfreuliche Bereicherung des modernen Kammermusikrepertoires betrachten dürften. An deren Adresse waren vorstehende Zeilen gerichtet.

      (Fortsetzung folgt.)«


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 188406055, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-188406055
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11