zurück 8.1.1885, Donnerstag ID: 188501085

3. Konzert des Hellmesberger-Quartetts im Großen Musikvereinssaal (#) mit Werken von Mozart (A-Dur-Quartett), Beethoven (Klaviertrio D-Dur = Geistertrio, Klavier: Paula Dürnberger (#)) und Bruckners Quintett (2. Viola Th. Schwendt (#) [nicht Kupka], Cello Ferdinand Hellmesberger (#a)) (mit dem Adagio als 2. Satz) (*).
    Im Publikum sitzen viele Mitglieder des Wagner-Vereins (dank Josef Schalk), Landgraf Fürstenberg, Paumgartner und Löwe. Nachfeier bei Wandl (**).

(Franz Schalks von Josef Schalk redigierter) Bericht über die Uraufführung der 7. Symphonie in Leipzig erscheint in der Deutschen Zeitung Nr. 4674 auf S. 6:
    » – Aus Leipzig wird uns unterm 3. d. geschrieben: "In dem im hiesigen Stadttheater zu Gunsten der Errichtung eines Richard Wagner=Denkmals veranstalteten Concerte kam Anton Bruckner's siebente Symphonie zur ersten Aufführung. Dem größten Theil des Publicums war wohl der Name des Wiener Componisten noch unbekannt und es schien nur zu vermuthen, daß in einem Programm, welches, der Feier entsprechend, nur die auserlesensten Nummern enthielt, auch nur ein ungewöhnliches und würdiges neues Werk habe Raum finden können. Mit deutlich wahrnehmbarer Aufmerksamkeit und wachsendem Interesse folgte es nun der Entfaltung jener großartigen und tiefernsten symphonischen Gedanken, welche dieses Werk in sich birgt. Von Satz zu Satz steigerten sich Beifallskundgebung und Enthusiasmus. Am Schlusse erschien nach langanhaltenden Rufen der Componist und wurden ihm zwei Lorbeerkränze überreicht. Capellmeister Nikisch hatte das Werk in seinen großen Zügen wahrhaft congenial erfaßt und brachte es durch sein Orchester zu überwältigendem Ausdruck. Eine Wiederholung dieser einzig dastehenden Aufführung findet schon im nächsten Monat statt«. » (***).

(°) Vom Leipziger Konzert berichtet auch das Musikalische Wochenblatt Nr. 3 auf S. 33f:
    »Leipzig. Ein Concert, so gar nicht nach dem Recept, welches gemeinhin für Aufstellung der Symphonieconcerte der Concertinstitute benutzt wird, dabei in der Ausführung seiner Hauptnummern von ausgesuchtester Güte, war das, welches am Abend des 30. Dec. im Neuen Stadttheater stattfand und mit seinem von Hrn. Director Staegemann und dessen excellentem Capellmeister Hrn. Nikisch planvoll entworfenen modernen Programm speciell die dieswinterlichen Gewandhausconcerte mit ihrer hyperclassischen Physiognomie in wirklich erfrischendster Weise unterbrach. Seine Hauptnummer bildete die Composition eines hochbegabten, hier vorher gänzlich unbekannt gewesenen österreichischen Tonsetzers, die 7. Symphonie des Wiener Hoforganisten Anton Bruckner. [...] Die Symphonie von Anton Bruckner hat uns im höchsten Grade interessirt, in ihrem 2. und 3. Satz, Adagio und Scherzo, uns sogar die wärmste Bewunderung abgenöthigt. Dieser Componist weiss wirklich etwas Eigenes und dabei Bedeutendes zu sagen, eine seltene Ursprünglichkeit der musikalischen Ideen zeichnet sein Werk aus. Das Tiefste, Nachhaltigste gibt er im Adagio, einem ganz herrlichen Tonstück, das in der Erfindung der Hauptthemen wahrhaft Beethoven'sche Erhabenheit zeigt und den Hörer bis zum Ende des dasselbe beschliessenden weihevollen Trauerhymnus in Athem hält. Nicht minder originell ist das Scherzo, ein Muster leichtflüssiger Productionskraft und durchaus orchestral gedacht. Im 1. und 4. Satz will es dem Hörer an einigen Stellen erscheinen, als würde der logische Faden der Entwickelung unterbrochen, als wäre die Verbindung der einzelnen Theile eine mehr äusserliche und stocke der symphonische Fluss. Inhaltlich sind aber auch diese beiden Sätze von grossem Interesse, ja von einem Reichthum der Gedanken, um welchen der Componist zu beneiden ist. Erhöht wird die Eindrucksfähigkeit dieser Symphonie durch eine glänzende Instrumentation. Hr. Capellmeister Nikisch hatte die Novität bewundernswürdig einstudirt, die Ausführung glückte ungemein und gereichte der Capelle zu höchstem Ruhme. Der anwesende Componist wurde nach dem 4. Satz seines hochbedeutenden Werkes gerufen und musste zwei Lorbeerkränze, eine verdiente Auszeichnung, entgegennehmen. [... Lob für das Orchester, die Gesangssolisten, Vorbehalte zu Pianist Pohlig ...].« (°).
[keine Signatur auf S. 34] Als Autor wird E. W. Fritsch überliefert (°a).

Auf S. 35 ist das Leipziger Konzert in der Rubrik "Concertumschau" verzeichnet: "[...] Leipzig. [...] Conc. im Neuen Stadttheater unt. Leit. des Hrn. Nikisch am 30. Dec.: 7. Symph. v. A. Bruckner, [...]" (°b).

Bericht im Neuen Wiener Tagblatt Nr. 8 auf S. 5 (mit Zitat aus den Leipziger Nachrichten vom 1.1.1885 und mit Ankündigung der Zweitaufführung am 27.1.1885):
    » * In den letzten Tagen des vergangenen Jahres gelangte in Leipzig unter der Leitung des auch in Wien bestbekannten Kapellmeisters Artur Nikisch eine Symphonie (Manuskript von Anton Bruckner) zur ersten Aufführung, die einen wahrhaft durchschlagenden Erfolg für sich hatte. Ein dortiges Blatt schreibt über die Novität: "Das Werk selbst fordert die höchste Bewunderung heraus. Nicht so sehr dem direkten Beethoven'schen Vorbilde sich anschließend, als vielmehr dem von Berlioz und Liszt in ihren symphonischen Dichtungen gegebenen, stellt der Komponist vor uns Tonbilder hin, in denen die Gluth der Farbe mit dem fortreißenden Feuer der Einbildungskraft wetteifert und so den Hörer von Anfang bis Ende wie mit unsichtbaren Ketten festhält." Die Symphonie - die siebente Meister Bruckner's - gelangt übrigens Ende dieses Monats vor dem Könige nochmals und wenigstens in zweien ihrer Sätze zur Aufführung.« [keine Signatur] (°°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 188501085, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-188501085
letzte Änderung: Mai 13, 2024, 13:13