zurück 17.4.1886, Samstag ID: 188604175

Die Deutsche Zeitung Nr. 5133 berichtet auf S. 3 von der Aufführung des »Te deum« am 7.4.1886 in München (nahezu wörtliche Übernahme des Artikels vom 15.4.1886):
      » - Aus München wird uns geschrieben: "Anton Bruckner's "Te Deum" wurde hier am Mittwoch den 7. d. im dritten Abonnements=Concert aufgeführt und errang einen großartigen Erfolg. Unter der bewährten Leitung des Hofcapellmeisters Levy, sowie unter Mitwirkung erster Solokräfte der königlichen Oper, des königlichen Opernchores und Opernorchesters konnte das gewaltige Werk nicht besser interpretirt werden. Der Erfolg war aber auch ein ganz außerordentlich großer! Unser sonst ziemlich kühles Publicum ließ sich in der Begeisterung zu minutenlangen Beifallsstürmen hinreißen und verlangte immer wieder nach dem Meister, welcher in zahllosen Hervorrufen durch sein Erscheinen den Dank quittiren mußte. Prinzessin Amalia (Tochter des Herzogs Karl Theodor, Bruders unserer Kaiserin), Prinzessin [sic] Adalbert mit Prinzessin Cloida [recte: Elvira?] verherrlichten das Concert durch ihre Anwesenheit. Prinzessin Amalia beehrte auch bereits die Generalprobe des "Te Deum" mit ihrer Gegenwart und wurde Bruckner durch die Ansprache der Prinzessin ausgezeichnet, welche dem Meister ihre volle Bewunderung über das mächtig ergreifende Werk ausdrückte. C. A.« [Carl Almeroth?]« (*).

Kritik von R. Hirschfeld über das Konzert vom 11.4.1886 (mit »Trösterin Musik«) in der Allgemeinen Kunst-Chronik Nr. 16 auf S. 333-335:
           »Musikalisches.
[... Hofoper ...]
     Ein Concert des Akademischen Gesang-Vereines im grossen Musikvereinssaale erhob sich weit über die Productionen sonstiger Männergesangvereine. [...]
     [... Männerchor-Kompositionen beruhen mehr auf sich abstumpfenden harmonischen Effekten als auf unverwüstlicherer polyphoner Stimmführung ...] . . . Von dem Bruckner'schen Chore "Trösterin Musik" mit Orgelbegleitung konnte ich keinen reinen ästhetischen Eindruck empfangen. Trotz ausdrucksvollster Vertonung des Textes und kunstreichsten, gut klingenden Tonsatzes hat der Componist mit dem plötzlichen Eingreifen der Orgel bei den Worten: "Wie Orgelton, wie Meereswogen kommt dann der Trost in's Herz gezogen" die Grenzen der Musik und Malerei überschritten. [... das erinnere an Verirrungen wie im »Tuba mirum« von Berlioz ...] Wenn der Componist den "Orgelton" des Dichters so wörtlich nimmt, warum behandelt er die "Meereswogen" so stiefmütterlich? Dass eine Orgel in einem Concertsaal eher bei der Hand ist als ein ausgiebiger Wassersturz, kann doch hierbei nicht in Betracht kommen. Sollte aber wirklich der Textdichter nach der Composition Aenderungen vorgenommen haben, die das plötzliche Einfallen der Orgel nun so eigenthümlich und peinlich markiren, so ändert dies meiner Meinung an dem Urtheile über die ganze Composition nichts. Ist es doch gerade wieder unsere moderne Schule, welche die Trennung des Componisten vom Dichter nicht anerkennt. Warum also nur an einzelne Uebergriffe und nicht lieber an die fruchtbringenden Ideen unserer Zeitgenossen sich halten? ... [... über weitere Programmnummern ...]
               Dr. Robert Hirschfeld. « (**).

Besprechung des Bruckner-Konzerts vom 15.4.1886 (mit »Germanenzug«, »Um Mitternacht« [WAB 90], Adagio der 3. Symphonie und »Te deum«) durch Emil Kränzl (***a) und Bericht vom Fest-Commers (***b) in der Linzer Tages-Post Nr. 88 auf S. 2f bzw. S. 3:
(***a)
»Bruckner=Concert der Liedertafel "Frohsinn."
    Nemo propheta in patria konnte bis vor verhältnismäßig kurzer Zeit kein schaffender Künstler mit mehr Berechtigung von sich sagen, als Meister Anton Bruckner. [... über Bruckners Bedeutung und allmähliche Anerkennung ... über seine Schwächen: Kompliziertheit, sonderbare Harmoniefolgen, zu hohe Anforderungen an Instrumente und Stimmen (»grausam zugesetzt«) ... über das Konzert selbst ... »Um Mitternacht« (dem »Frohsinn« gewidmet) [sic] mit Harfenbegleitung, »ein beinahe erotischer Duft« ... ausführlich über das »Te deum« ... Lob für den »Frohsinn« (ab hier Text bei 34/596ff) und die Solisten ... Scheidtweiler beim »Te deum« besser als bei »Um Mitternacht« (zu derb) ... das durch den Musikverein verstärkte Theaterorchester wurde] den hohen Anforderungen gerecht mit Ausnahme der Hörner, des beständigen enfant terrible unserer Orchesterconcerte. [... Bruckner anwesend ... Beifallsjubel...] Dem so Gefeierten überreichte der Vorstand der Liedertafel "Frohsinn" noch einen Lorbeerkranz mit weißrothen Schleifen.
               Dr. Emil Kränzl.« (***a).

(***b)
»Nachrichten aus Linz und Oberösterreich.
          
Linz, 16. April 1886.
[...]
      § Bruckner=Commers. Nach dem gestern im Volksgartensalon abgehaltenen Festconcerte [...] fand daselbst zu Ehren des anwesenden Componisten eine Festcommers statt. [...] "Heuer feiern wir einen lebenden Meister der Töne [... Text von Milbecks Rede (mit orthographischen Änderungen) bei 34/598ff ...] als Stern erster Größe am musikalischen Himmel für immerdar erglänzen wird." (Stürmischer Beifall.)
    [... Prof. Commenda kommandiert das »Salamander-Reiben« ... Bruckners Ansprache ...]
     "Meine Herrschaften! Es fällt mir schwer, auf eine so ausgezeichnete Rede zu antworten. [... Text der Rede, mit geringen orthographischen Änderungen, bei 34/600ff ... »ich bitte Sie also« ...] Alle meine lieben Freunde und Gönner, meine Heimat leben hoch, hoch, hoch!« (Stürmischer, nicht endenwollender Beifall.)
     [... Floderers Chor »An Meister Bruckner«, Absingen von Commersliedern...] Auch Meister Bruckner hielt wacker aus und mußte noch so manche Ovation über sich ergehen lassen. Heute früh trat derselbe die Rückreise nach Wien an. Dieses Festconcert, sowie der darauffolgende Commers wird gewiß jedem Theilnehmer, deren sich auch viele aus der Ferne eingefunden hatten, in steter Erinnerung bleiben, galt die Feier doch unserem lieben Meister und Landsmann: Anton Bruckner.« [keine Signatur] (***b).

.Auch die Linzer Zeitung berichtet auf S. 411f vom Bruckner-Konzert:
»41. Gründungsfestconcert der Liedertafel "Frohsinn".
   Die Programme zu den Gründungsfestconcerten der Liedertafel "Frohsinn" werden seit Jahren mit anerkennenswerter Sorgfalt zusammengestellt; man weiß hiebei mit richtigem Gefühle das herauszufinden, was gewissermaßen actuell und dabei musikalisch wertvoll ist. Auch für das gestrige Gründungsfestconcert hatte man ein solches zeitgemäßes Programm gefunden, das zugleich bestimmt war,unseren berühmten Landsmann Anton Bruckner, welcher dem Concerte anwohnte, zu feiern. [... über Bruckners Bedeutung, die Anfeindungen durch einige Kritiker, Bruckners Stilbesonderheiten, ausführliche Besprechung des »Te deum« ...] Dieses eine Werk würde genügen, Bruckner seinen Platz an der Seite unserer Tonheroen anzuweisen.
   Die Aufführung des Tedeum war eine ganz vorzügliche; Solisten, Chor und Orchester führten ihre Aufgabe mit sichtlicher Begeisterung durch. [... über die Schwierigkeiten des Werkes, die Solisten ...] 
   Die Wirkung des ersten Chores "Germanenzug" wurde einigermaßen durch die nicht ganz reine Stimmung der begleitenden Harmonie beeinträchtigt. [...] Der zweite Chor "Um Mitternacht" verlor durch den unzarten, ja derben Vortrag des Tenorsolos an Wirkung. Hr. Scheidtweiler, ein sehr achtbarer und musikalisch gebildeter Sänger, welcher diesen Part mit anerkennenswerter Bereitwilligkeit in letzter Stunde übernommen hatte, sang denselben vollkommen correct, eine schöne Wirkung hätte er indes nur dann erzielen können, wenn er über eine weiche, biegsame Stimme verfügen würde. [... über das Adagio der 3. Symphonie: unzulängliche Besetzung der Streicher; bessere Bläser und mindestens sechs Kontrabässe wären wünschenswert ...] Herr Kapellmeister Floderer gab sich mit Erfolg alle Mühe, das Adagio zur Geltung zu bringen. Reichlicher wurde seine auf das "Tedeum" verwendete Mühe gelohnt, das, in abgerundeter Weise zu Gehör gebracht, bei allen Zuhörern einen reinen, nachhaltigen Eindruck zurückließ.
   Daß der gefeierte Meister Anton Bruckner den ganzen Abend hindurch Gegenstand lauter und herzlicher Ovationen war, ist selbstverständlich. Vom Vorstande der Liedertafel, Hrn. Polizeirath Milbeck, wurde demselben am Schlusse des Concertes unter jubelndem Beifalle des zahlreich erschienenen Publicums ein prachtvoller Lorbeerkranz überreicht. Se. Excellenz der Herr Statthalter Freiherr von Weber=Ebenhof wohnte der Aufführung bei. [Signatur:] K.« (°).

Anschließend auf S. 412 ein Bericht vom Festcommers:
»Der zweite Theil des Festabends bestand in einem zu Ehren Bruckners veranstalteten Commerse. [... Ansprache Milbecks, Salamander-Reiben unter Leitung Commendas, Ansprache Bruckners, Aufführung einiger Chöre (»Stimmt an mit hellem hohen Klang«, »Alt Heidelberg« (Text vom jüngst verstorbenen Scheffel), »Auf den Bergen die Burgen« und »O alte Burschenherrlichkeit«), auch der »Sängerbund« anwesend, Emil Haas als Vertreter der Steyrer Liedertafel, Bruckners »Abreise nach Wien um 2 Uhr 40 Minuten nachts« ...] Die Liedertafel "Frohsinn" kann mit Stolz auf diesen Festabend zurückblicken und ist zu dem erzeilten Erfolge zu beglückwünschen.« [keine Signatur] (°°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 188604175, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-188604175
letzte Änderung: Dez 08, 2023, 13:13