zurück 26.1.1888, Donnerstag ID: 188801265

Besprechung der 4. Symphonie und des »Te deum« [am 22.1.1888] durch Theodor Helm im Pester Lloyd Nr. 26
      »Wiener Musikbrief.
    Heute haben wir über drei hochinteressante Konzerte zu berichten, welche sämmtlich im großen Musikvereinssaale stattfanden. [... Paradies und die Peri ...], genau eine Woche später gab es ebendaselbst gelegentlich eines von dem akademischen Wagner=Verein veranstalteten Bruckner=Konzerts großartige Ovationen für den greisen Komponisten seitens seiner zahlreichen Freunde und Verehrer, [... Sophie Menter ... über "Peri" ...].
    Das Bruckner=Konzert vom 22. d. wurde von gegnerischer Seite als ein reines Partei=Meeting hingestellt, dem das eigentliche Publikum fern geblieben wäre. Das ist nun einerseits nicht wahr, denn wir haben mehrere erklärte Widersacher Anton Bruckner's in dem Konzert gesehen, unter denen Einer sogar - stürmisch applaudirte. [... die Bruckner-Gemeinde konnte den großen Saal füllen ...] Eine künstlerische Partei, die aber dies vermag, hat hiemit ihre Existenzberechtigung zur Genüge bewiesen und darf ebenso wenig ignorirt werden, als der durch sie auf den Schild erhobene schaffende Künstler selbst. [... hochkarätige Besetzung ... Richter (gestern "Tristan") leistete Übermenschliches ... Tedeum schon vor 2 Jahren besprochen ...] ein Werk, das sogar pronocirt konservativen Federn (z. B. jener Ludwig Speidel's) die wärmsten Lobsprüche abgewann.
    Ueber die "romantische Symphonie" dürften die Ansichten viel mehr auseinandergehen, obgleich dieselbe (in Wien zuletzt 1881 aufgeführt) sich von der großen "Siebenten", auch in Budapest bekannten, bedeutsam unterscheidet. [... dort Verbindung zu Wagner, hier zu Schubert ... Anmerkungen zum Scherzo, zum Andante (zu lang geraten, "labyrinthisch"), zum 1. Satz ("am überzeugendsten") und zum Finale (wie eine orchestrierte Orgelimprovisation, ohne logischen Faden, unvermittelt die prächtige Coda ...].
    Uebrigens wurde Bruckner neulich nach sämmtlichen Sätzen der Symphonie (am stürmischsten nach dem 1. und 3.) wiederholt gerufen und der brausende Jubel am Schlusse des Tedeums verpflanzte sich buchstäblich ins Auditorium. Zu den am stärksten Applaudirenden gehörte unsere kunstsinnige Kronprinzessin Stefanie, welche den phantasievollen Schöpfungen eines ihr bisher gänzlich unbekannten Musikers mit der gespanntesten Aufmerksamkeit folgte und am Schlusse des Konzertes Bruckner durch den Vorstand des Singvereins, Herrn Ludwig Koch, ausdrücklich zu seinem Erfolge gratuliren ließ.
    Beiweitem weniger enthusiastisch, als in diesem Bruckner=Konzert ging es Tags darauf in dem Konzert der Frau Sophie Menter zu. [...].« (*).

Über dasselbe Konzert berichten außerdem die Linzer Zeitung (Bruckner wurde nach jedem Satz bejubelt):
»Linz 25. Jänner. [...] 
   » * (Bruckner=Concert.) Die "Presse" meldet: Der letzte Sonntag war ein Fest= und Ehrentag für einen ausgezeichneten Wiener Compositeur, für einen viele Jahre hindurch in den Hintergrund gedrängten Künstler. Der Wiener Symphoniker Bruckner, dessen mächtige Schöpfungen bisher nie recht nach Gebür [sic] gewürdigt wurden, kam zu Ehren, und der tosende, demonstrative Beifall, der Sonntag mittags die Aufführung mehrerer Bruckner'scher Compositionen im großen Musikvereinssaale begleitete, schien gleichsam eine unbewußte Abbitte des Publicums zu enthalten für die Kränkungen, welche die Kunst des Meisters jahrelang von Neid und Mißgunst zu erleiden gehabt hatte. Das Programm des Concerts, das sich in seiner Gesammtheit als eine große Ovation für den schwer geprüften Componisten darstellte, umfaßte die seit acht Jahren in Wien nicht mehr gehörte sogenannte "romantische" Symphonie (Nr. 4) und ein Tedeum. Hofkapellmeister Hans Richter leitete die Aufführung dieser Werke mit dem diesen Dirigenten eigenthümlichen feurigen Schwung. Nach jedem Satz der Symphonie wurde der Compositeur vom Auditorium aus dem Künstlerzimmer auf die Estrade gejubelt und es fehlte auch nicht an duftigen Blumenspenden und Lorbeerkränzen, die dem Meister dargereicht wurden. Das Soloquartett im Tedum war mit den Damen Forster, Papier=Paumgartner und den Herren Winkelmann und Schwegler auf das trefflichste besetzt. - Die Durchlauchtigste Frau Kronprinzessin Stephannie geruhte das Concert mit ihrer Anwesenheit zu beehren.« (**),

die Linzer Tagespost Nr. 21 bringt auf S. 3 die Rezension der Deutschen Zeitung [24.1.1888?] (Kronprinzessin Stephanie war anwesend, niemand sei, im Gegensatz zum 21.3.1886, vor Konzertschluss gegangen): " - Ueber das in Wien am 23. d. [sic], mittags, im großen Musikvereins=Sale [sic] stattgehabte Brucknerconcert äußert sich die "Deutsche Zeitung" folgendermaßen: "Die beiden vorgeführten Werke: die große vierte, sogenannte "Romantische" Symphonie (seit 1881 in Wien nicht mehr gehört) und das gewaltige Tedeum entfesselten einen wahren Sturm des Enthusiasmus; [... brausender Jubel, Hervorrufe, Blumenspenden ...] Mit der gespanntesten Aufmerksamkeit folgte Kronprinzessin Stephanie der Aufführung bis zum Schlusse des Concertes, nach den einzelnen Sätzen der Symphonie sowohl, als nach dem Tedeum ihren lebhaftesten Beifall kundgebend. Die kunstsinnige hohe Frau schien sichtlich überrascht, die Phantasie und das Können eines ihr noch völlig unbekannten Meisters so ganz anders zu finden, als sie sich beides nach den Schilderungen der gewissen Bruckner feindlichen Clique vorgestellt haben mochte." (***)

und die Gemeindezeitung Nr. 21 auf S. 6:
»Der letzte Sonntag war ein Fest und Ehrentag für einen ausgezeichneten Wiener Compositeur, für einen viele Jahre hindurch in den Hintergrund gedrängten Künstler. Der Wiener Symphoniker Bruckner, dessen mächtige Schöpfungen bisher nie recht nach Gebühr gewürdigt wurden, kam zu Ehren, und der tosende, demonstrative Beifall, der Sonntag Mittags die Aufführung mehrerer Bruckner'scher Compositionen im großen Musikvereinssaale begleitete, schien gleichsam eine unbewußte Abbitte des Publicums zu enthalten für die Kränkungen, welche die Kunst des Meisters jahrelang von Neid und Mißgunst zu erleiden gehabt hatte. Das Programm des Concerts, das sich in seiner Gesammtheit als eine große Ovation für den schwer geprüften Componisten darstellte, umfaßte die seit acht Jahren in Wien nicht mehr gehörte sogenannte "romantische" Symphonie (Nr. 4) und ein Tedeum.« (°).

Die Steyrer Zeitung Nr. 8 bringt auf S. 4 eine kurze Notiz:
                  "Correspondenz der Redaction.
     [...] N. N.: Das große Bruckner=Concert am Sonntag in Wien verlief glänzend. Bericht im nächsten Blatt." (°°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 188801265, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-188801265
letzte Änderung: Mai 13, 2024, 21:21