[Vermutlich nicht genau an diesem Tag geschriebene] Eintragung Bruckners in den Gebetsaufzeichnungen: »NB. Stimmen neu corrigiren Paur ungerade Tacte Schluß bei 4. Sinf. Gutmann. Überschreitungen - gut sehen -« (*).
Kalendernotiz Bruckners: Zusatz »Br« bei dieser Woche [Dienst an der Hofkapelle] (**).
Prinzessin Amélie notiert im Tagebuch, daß sich in der zweiten Pause der [gestrigen?] Bayreuther »Meistersinger«-Aufführung Cosima Wagner und Daniela Thode höhnisch über Bruckner geäußert hätten. Anwesend seien außerdem Eva und Isolde Wagner, Siegfried Wagner, Fürstin Reuss, Graf und Gräfin Wolkenstein, Mottl und Hans Richter gewesen. Man habe eine Bruckner-Anekdote erzählt: Bruckner habe berichtet, daß das Thema der 7. Symphonie ihm ein verstorbener Freund im Traum eingegeben habe. Hans Richter habe ihn als den originellsten der lebenden Komponisten bezeichnet und eigens das ”Te deum” gelobt, und Henry Thode habe von Bruckners Vespasiankopf gesprochen (***).
In Bayreuth Aufführung des »Parsifal« (°).
"Die erste Aufführung des »Parsifal« im Bayreither [sic] Wagnertheater wurde vorgestern weihevoll beschlossen. Ergriffen von dem erhabenen Werke, fühlte sich das Publicum vom Anfang bis zum Ende im Banne hehrer Kunst. Die Darstellung war überwiegend mustergiltig, die zauberhaften Verwandlungen übten einen herrlichen Effect. Das Orchester löste seine Aufgabe in vorzüglicher Weise. Es stand unter der Leitung des jungen Kapellmeisters Felix Mottl, der damit die Meisterprobe glücklichst ablegte. Gerechtes Aufsehen erregte der Tenorist van Dyck als Parsifal; der Sänger ist bekanntlich für Wien engagirt. Er besitzt eine helle, leichte Stimme, eine sehr deutliche Aussprache bei hohen Brusttönen und einem trefflichen Spiel, das durch eine glückliche Erscheinung bestens unterstützt wird. Van Dyck’s Engagement bedeutet gewiß einen Gewinn für die Wiener Oper. Frau Materna als Kundry bleibt Bayreuth stets getreu; ihre Stimme klang frischer als in Wien, was wohl zum guten Theile durch die machtvolle Akustik des Hauses und das gedämpfte Orchester bewirkt wurde. Scheidemantl’s Anfortas [sic] wirkte ergreifend auf die Hörer. Wiegand störte durch eine undeutliche Aussprache und distonirte auch zeitweilig. Das Publicum war ein glänzendes. Man bemerkte mehrere deutsche Fürstinnen und viele Franzosen. Sensation erregte die Anwesenheit des Prinzen Alexander von Battenberg und seines Vaters; die hohen Herren waren von Damen stark umringt.“ (°°).
Zitierhinweis:
Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 188807225, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-188807225letzte Änderung: Dez 18, 2024, 22:22