zurück 5.4.1890, Karsamstag ID: 189004055

"Das Vaterland" Nr. 94 veröffentlicht auf S. 6 die am 4.4.1890 veröffentlichte Zuschrift an das Linzer Volksblatt zum Artikel vom 30.3.1890 und liefert einen Kommentar dazu:
               "Die Wiener Musikkritik.
     Das "Linzer Volksblatt" hat unsere jüngste Kunstnotiz: "Ein Opfer der Wiener Musikkritiker" reproducirt. Daraufhin erhielt das Blatt folgende Zuschrift:
     Es dürfte manche Leser in Oberösterreich interessiren, etwas über gewisse musikalische Zustände in Wien zu erfahren. Da Schreiber dieser Zeilen gut unterrichtet ist, so erlaube ich mir aus Anlaß des in Nr. 74 des "Linzer Volksblatt" erschienenen Artikels: "Ein Opfer der Wiener Musikkritiker" einen weiteren Beitrag zu dieser Sache zu liefern. Im Wiener Wagner=Verein hat nicht blos Bruckner, sondern auch noch ein anderer Wiener Componist sehr opferwillige Freunde. Was Bruckner anbelangt, so sind es zwei Professoren, die Herren Löwe und Schalk, die sich durch Vorführen der Bruckner'schen Symphonien auf dem Claviere große Verdienste erworben haben. [...zwei Sängerinnen, die sich für den anderen Komponisten engagieren wollten, drohten gewisse Wiener Kritiker mit ungünstigen Besprechungen ... sogar Inserate der fortschrittlichen Veranstalter würden unterdrückt ... mit Geld könne man die Urteile der "Judenblätter" beeinflussen]. Manche Theater= und Kunstnachrichten in diesen Blättern sind daher sehr vorsichtig aufzunehmen. Um nochmal auf Bruckner zu kommen, so kann ich mittheilen, daß heuer die Schuld nicht auf die Philharmoniker kommt. Das Nähere gehört nicht hieher. Wir möchten nur wünschen, daß unser Freund Bruckner nächstes Jahr ein oder die andere Symphonie den Philharmonikern zur Verfügung stellen möchte.
     Letzterer Satz ist unrichtig. Wohl hat Bruckner eine Symphonie zur Umarbeitung zurückgenommen, dagegen lag gar kein Hinderniß vor, außer jenem, welches ein gewisser Kritiker in den Weg legte, eine der übrigen Symphonien aufzuführen.
     Noch ein hübscher Beleg über die Art der Wiener Musikkritk: Der Jude Grünfeld hat sein 25jähriges Künstlerjubiläum gefeiert. [... die Presse überschlug sich: "vollkommenster Repräsentant eines österreichischen Musikers, Abbild des gesegneten Heimatlandes" ...] Doch wir wollen uns aller Commentare enthalten; die christliche Bevölkerung Oesterreichs wird wohl wie ein Mann einig sein in der Zurückweisung dieser Behauptung, daß ein clavierspielender Reclamejude das "menschgewordene Abbild Oesterreichs" sei." [keine Signatur]


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189004055, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189004055
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11