zurück 12.12.1890, Freitag ID: 189012125

Artikel von Hans Puchstein im Deutschen Volksblatt Nr. 696, S. 1 - 3, auf S. 2 über das Quintett [27.11.1890] mit Bemerkung zum Vergleich Beethoven-Bruckner-Brahms:

    "Aus den Concertsälen. [... Verriss der zweiten Brahms-Symphonie, Philharmonisches Konzert ...]
     Der Kammermusik-Abend des Quartettes Hellmesberger brachte [... neben einem Werk Zellners ein Quartett Beethovens, die beide der Referent nicht hören konnte, und die nach Aussage zuverlässiger Zeugen] mit einer Vollendung gespielt wurden, die in Wien bisher noch nicht erreicht wurde. Dasselbe gilt von dem berühmten großartigen Quintett von Anton Bruckner. [... Wegen einiger Kritiker wie Hanslick wagten es die Gesellschaft der Musikfreunde und die Philharmoniker nicht], die Werke dieses größten Meisters der Gegenwart, des einzigen berufenen Nachfolgers Beethoven's, in der Zahl aufzuführen, die die Bedeutung Anton Bruckner's erfordert, während man gegen die eigene bessere Ueberzeugung in jedem Jahre mehrere Werke desselben Brahms aufführt, den mit A. Bruckner zu vergleichen, ein Verbrechen an den heiligen Idealen der Kunst ist. Das letzte Jahr brachten die beiden eben erwähnten musikalischen Gesellschaften kein Werk des großen Symphonikers und auch das Programm dieser Saison hat nur eine einzige seine Symphonien aufzuweisen!

    Da ist es denn umso erfreulicher, daß sich die erste Gesellschaft, die in Wien der Pflege der Kammermusik huldigt, des greisen Meisters annahm und sein herrliches Quintett, trotz der Opposition der "N. Fr. Pr.", aufführte. Das Edle zieht eben den Edlen an, das Vornehme findet bei dem wahrhaft Vornehmen die eifrigste Pflege, mag auch die große Menge der niedrig Denkenden und geistig Armen darüber zetern wie sie will. Die Aufführung war eine der Namen Bruckner und Hellmesberger würdige. Man hatte das erhabene Werk sorgfältig, wie wir hören, in nicht weniger als zehn Proben einstudirt und so war denn auch der Erfolg ein beispielloser. Schon nach dem ersten Satze mußte sich der unter nicht endenwollendem Jubel gerufene Meister dem Publikum mehreremale zeigen und dasselbe Schauspiel wiederholte sich am Schlusse der anderen Sätze, um sich am Ende des Quintettes zu den begeistertsten Ovationen für unseren großen Mitbürger zu gestalten.
    Möge der Beifall, der am 27. November den kleinen Musikvereinssaal durchhallte, nicht ungehört verklingen, möge er den Leitern der Gesellschafts- und der philharmonischen Concerte eine Mahnung sein, daß das Publikum ein Recht hat, die Beseitigung der falschen Götzen zu fordern und die weitgehendste Pflege von Anton Bruckner's wahrhaft erhabener Kunst, die eine würdige Fortsetzung der Wege Beethoven's bedeutet, zu verlangen. [... Liszt-Abende mit Stavenhagen, Stradal (in Prag) und Göllerich (in Nürnberg) ... wünscht, dass Liszt] endlich in seiner ganzen Größe anerkannt und dementsprechend auch in den Concertsälen gefeiert werde.         Hans Puchstein." (*).

Kritik zur Aufführung der 4. Symphonie [am 10.12.1890] im Münchener Fremdenblatt Nr. 570 auf S. 3, signiert „+“:
"      + Das dritte Abonnement=Concert der musikalischen Akademie führte am Mittwoch ein zahlreiches Auditorium in das k. Odeon. Das Programm enthielt diesmal ausschließlich Werke von modernen Compositeuren und wurde mit Wagners Faust=Ouverture eröffnet. Die Durchführung der Komposition war von Seite der Concertgeber unter der Leitung des k. Hofkapellmeisters Herrn Fischer eine vorzügliche und das Publikum spendete reichlichen Applaus. [… Max Bruch, Bariton Brucks, „stürmisch applaudirt“ … Brahms „lauter Beifall“ …]. Die zweite Abtheilung des Programms brachte eine Novität, eine Symphonie in Es=dur von Anton Bruckner. Der Name Bruckner ist auf den Concert=Programmen der letzten Jahre keine Seltenheit und schon einige hoch beachtenswerthe Kompositionen wurden von dem in Wien lebenden Komponisten aufgeführt. Die ersten Sätze der Symphonie, die bei der herrlichen Exekutirung durch das Hoforchester Beifall erzielten, erwecken wohl das Interesse des Auditoriums, aber in Bezug auf den Bau ist kein einheitlicher Guß zu bemerken. Dem Hoforchester war mit dem Bruckner’schen Werke keine leichte Aufgabe gestellt, es muß daher die Leistung der ausübenden Künstler für die vorzügliche Durchführung aller Sätze mit besonderer Auszeichnung erwähnt werden.“ (**).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189012125, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189012125
letzte Änderung: Okt 31, 2023, 17:17