zurück 6.10.1891, Dienstag ID: 189110065

Umfangreicher Bericht des Grazer Tagblatts Nr. 36 auf S. 7, signiert "Ingo" über den Tag in Admont [15.9.1891]:
"Begegnung mit Anton Bruckner.
              Nachklang vom Admonter Lehrertag.
     Die Hauptversammlung war zu Ende, alles drängte sich in die verschiedenen Speisehäuser, um sich nach gethaner wackerer Geistesarbeit auch körperlich gütlich zu thun. [... mancher ging in die Kirche ...zauberhafte Orgelkllänge ...] Derjenige, der den Zauber der Töne soeben wie himmlische Gaben unter die Lauschenden mit vollen Händen verstreut hatte, war Anton Bruckner, der große Meister. Und dort stand er, so bescheiden, als ob er nicht um ein Quentchen mehr wert wäre, als alle die alltäglichen, ihn umgebenden Menschenkinder.
     [... Abschiedsabend im Hotel "Post" ...]
     Drinnen, im mittleren Raume, beim langen, grob zubehauenen Tische, da saß er, der Meister der Töne, Anton Bruckner, inmitten einer Gesellschaft ehrwürdiger Herren und von Lehrern. Zufrieden und heiter strahlte sein faltenreiches Antlitz, vergnügt schmunzelnd, wenn er den goldenen Tropfen aus dem Kelchglase nippte. Wie einfach, wie einfach! mochte sich jeder denken. [... Bruckners Charakter, Äußeres, Gestik ...]
     Und plötzlich, wie auf Befehl, war der Raum, in dem sich der Künstler befand, vollgepfropft. Die Begeisterung ließ sich nicht mehr zurückdämmen, sie rang nach Ausdruck und sie fand denselben, einfach und würdig. Ein Lehrer trat in die Mitte seiner Genossen und sprach in hoher Begeisterung:
     "Kameraden! Die herrlichen Tage in Admont schließen mit dem erhebendsten Augenblicke. Uns wird ein Glück zutheil, das wir voll und ganz erst später einmal würdigen werden, wenn die Musikgeschichte in voller Gerechtigkeit dem Manne den Platz gewiesen haben wird, den sie ihm bisher noch nicht ganz eingeräumt hat, den Platz als einen der besten deutschen Musiker.
     [... Genuss der "herrlichen Symphonien" ... Erinnerung noch nach Generationen ... Huldigung an Bruckner ... wünscht ihm], dass Sie mit dem Bewusstsein sterben können, dass Ihr Name nie vergessen werden wird, so lange wahre deutsche Musik gehegt und gepflegt wird. Unser einstiger Mitgenosse, der nunmehrige Meister Bruckner lebe hoch! und nochmals hoch! und dreimal hoch!"
     Ein Jubel der Begeisterung brach los [... ergreifend, als Bruckner] mit vor Rührung zitternder Stimme sprach:
     "Ich danke Ihnen. Ich bin glücklich, einen so schönen Tag in Admont verlebt zu haben. Ich war Lehrer, ich bin noch heute Lehrer, werde es wohl mein Lebelang bleiben. Das, was ich geschaffen, das danke ich dem lieben Gotte; er schenkte mir diese Gaben. Ich suchte meinen Dank ihm gegenüber auch zum Ausdrucke zu bringen, indem ich ihm, dem Allmächtigen, mein letztes Werk, das Tedeum, widmete. Ob er sie angenommen hat, meine schwache Menschenleistung, ich weiß es nicht; ich will aber weiterwirken, damit mich einst bei der großen Abrechnung der liebe Gott nicht beim Schopfe nehmen und zu mir sagen kann: "Lump, warum hast Du Dein Pfund nicht ausgenützt, das ich Dir einst gab?" Ich danke Ihnen, pflegen Sie die schöne Kunst, die Musik!" Thränen der Rührung standen vielen in den Augen bei diesen Worten, die so schlicht, aus dem Herzen kommend, gesprochen wurden.
     Ein heller Jodler klang jauchzend mitten in die feierliche Stille. Er kam aus der Brust des Künstlers Glieber, welcher derzeit die Altäre des herrlichen Admonter Domes mit den prächtigen Bildwerken der Holzschnitzerei schmückt. [...]
     Still verklärt saß der greise Bruckner in seinem Kreise. Neckend und scherzend unterhielt er sich mit einem jungen Mädchen, das diesem Kreise angehörte. Scherze, lache Du Jüngling im Greisenalter, drücke Deine welken Lippen auf den rosigen Mund der Maid; sie seien Dir aus vollem Herzen gegönnt die fröhlichen Augenblicke! Wer weiß es, wie viele ihrer Du noch erlebst?
     Ein ganz kleiner Kreis blieb noch bis in die Frühe um den Meister versammelt, welcher in der zweiten Morgenstunde nach seiner Heimat Steyer weiterfuhr. Der kleine Wunsch nach einem schwarzen Kaffee, ward dem Meister im Gasthofe "Buchbinder" erfüllt. Er war so zufrieden darüber, o rührende Bescheidenheit! In diesem kleinen Kreise ward der Meister nun gesprächig und berichtete in rührender Schlichtheit so Manches aus seinem Leben.
     [... geringes Lehrergehalt (30 bis 60 fl pro Jahr) ... Hanslick ... "Te Deum" in Berlin ... nach der 9. Symphonie wolle er eine Oper schreiben ...] - Leider fand der Meister unter den vielen ihm zugesendeten Texten noch nicht den richtigen; der Geist des Werkes, an das Bruckner seine Kraft wenden möchte, sollte der des Geheimnisvollen, eine sich nach Erlösung sehnende Menge, der der Erlöser und die Befreiung endlich erscheinen, sein, etwa der geheimnisvolle Geist von Wagners Lohengrin oder Parcival.
     Kurz war der Abschied, aber herzlich. [...] Der Verfasser dieser Zeilen legte sich aber mit dem inbrünstigen Flehen zu Gott zur Ruhe, derselbe möge dem greisen Künstler noch viele, goldige Tage schauen lassen, auf dass noch vollendet werden könne, was in der Seele dieses Mannes noch nach Ausdruck ringt. Es kann ja nur etwas Großes, zu Deiner Verherrlichung, o allmächtiger Weltenlenker, werden!             Ingo." (*).

Im Illustrierten Wiener Extrablatt Nr. 274 wird auf S. 5 nochmals das Programm der Gesellschaftskonzerte (mit dem »Te deum« am 20.12.1891) bekanntgegeben:
"Theaterzeitung.
[...]
     * Die vier ordentlichen Concerte der Gesellschaft der Musikfreunde in der Saison 1891/92, geleitet von dem Concertdirector Herrn Wilhelm Gericke, finden an folgenden Sonntagen, Mittags halb 1 Uhr mit nachbenanntem Programme statt: [...] II. 20. Dezember. [... J. S. Bach, Brahms, Schumann ...] Ant. Bruckner: Te deum für Chor, Soli, Orchester und Orgel. (2. Aufführung). [...]"  (**).

In der Wiener Zeitung Nr. 228 weist ein Inserat auf S. 12 auf dieses Konzert hin: "[...] II. 20. December. [...] Ant. Bruckner: Te Deum, für Chor, Soli Orchester und Orgel (2. Aufführung). [...]" (***).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189110065, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189110065
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11