zurück 7.11.1891, Samstag ID: 189111075

Im Senatssitzungssaal der Universität überreicht der Rektor Dr. Adolf Exner Bruckner das [mit 29.9.1891 datierte] Doktordiplom. Der Feier wohnen u.a. als Consortiumsmitglieder Graf und Gräfin Lamberg (die Spender des Doktor-Rings (*a)), Karl Almeroth und Karl Reder und vom Akademischen Gesangverein Karl Lorenz bei. Prof. Exner und Prof. Stefan halten eine Rede, auf die Bruckner in »rührend unbeholfener Weise« antwortet (*).
 
Der Text der Promotionsurkunde ist in verkürzter Version auch als [vermutlich später entstandenes] Typoskript auf lateinisch (*b) und auf deutsch (*c) erhalten.
 
"NOS | ADOLPHUS EXNER | H.T. UNIVERSITATIS RECTOR | IULIUS HANN | ORDINIS PHILOSOPHORUM H.T. DECANUS | IOSEPHUS STEFAN | PROMOTOR RITE CONSTITUTUS | EC DECRETO ORDINIS PHILOPHORUM IN VIRUM ILLUSTRISSIMUM | ANTONIUM BRUCKNER | QUI IN HAC UNIVERSITATE LITTERARUM ARTIS MUSICAE MAGISTRI PARTES AGIT ARTIS SYMPHONICAE PERITISSIMUM EGREGIUM MELOPOEUM ATQUE PRAECLARIS EIUSMODI OPERIBUS COMPOSITIS MAGNAM APUD HOMINES ELEGANTIORIS SENSUM FAMAM CONSECUTUM | HONORIS CAUSA PHILOSOPHIAE DOCTORIS NOMEN IURA ET PRIVILEGIA | CONTULIMUS IN EIUSQUE REI FIDEM HASCE LITTERAS UNIVERSITATIS SIGILLO SANCIENDAS CURAVIMUS | VINDOBONAE DIE VII.MENSIS NOVEMBRIS A.MDCCCXCI. | ADOLPHUS EXNER | UNIVERSITATIS RECTOR | IULIUS HANN | PHILOSOPHORUM ORDINIS DECANUS | IOSEPHUS STEFAN | PROMOTOR RITE CONSTITUTUS" (*b).
 
"(Übersetzung) | Wir | Adolph Exner | derzeit Rektor der Universität | Julius Hann | derzeit Dekan der philosophischen Fakultät | Joseph Stefan | zum Promotor gesetzmäßig bestellt | haben auf Grund des Beschlusses der philosophischen Fakultät | dem hochberühmten Herrn | Anton Bruckner | der in unserer Universität das Amt eines Lehrers der Musik versieht dem ausgezeichneten Symphoniker und hervorragenden Komponisten, der durch hochberühmte Werke solcher Art bei allen feinsinnigen Menschen großen Ruhm gewonnen hat, | ehrenhalber | Titel, Rechte und Privilegien eines Doktors der Philosophie verliehen und zu dessen Bekräftigung dieses Schreiben mit dem Siegel der Universität versehen lassen. | Wien, am 7. November 1891. | Adolph Exner | Rektor der Universität | Julius Jann | Dekan der philosophischen Fakultät | Joseph Stefan | Promotor" (*c).

Nach der Feier fährt Almeroth mit Bruckner in das Atelier von Viktor Tilgner, wo die erste Sitzung für die Portraitbüste (**) [IKO 55] stattfindet (***).
Anschließend begleitet Almeroth Bruckner zu Gause und dann nach Hause (°).
Abends ist Bruckner Gast des Consortiums (Lamberg, Reder, Almeroth) im Hotel Sacher (°°).

Kalendereintragung Bruckners: »7. Nov. Promotion als Ehrendoktor der Philosophie an der Wiener Universität.« (°°°).
Bei den Gebetsaufzeichnungen ist das Datum zur Markierung unterstrichen (°°°a).

Notiz über das Ehrendoktorat in der Neuen Freien Presse geplant (#).

Brief Minna Reischls an Bruckner:
     Dankt für die übersandte Photographie [Brief vom 23.10.1891] und bittet um das versprochene »Tantum ergo« [prov. WAB 48] (##).

Brief von Robert Lienau an Max von Oberleithner:
     Die Arbeit an den Stimmen der 8. Symphonie stehe kurz vor ihrem Abschluß (###). Der bereits zweimal korrigierte Revisionsabzug des 1. Satzes gehe per Kreuzband zu. Wegen des Auslandsabsatzes seien keine deutschen Instrumentenbezeichnungen verwendet worden. Der vierhändige Klavierauszug sei eingetroffen, das Honorar werde über Haslinger [an Josef Schalk] ausbezahlt (a).

Die Linzer Zeitung berichtet von der Aufführung der 4. Symphonie am 28.10.1891 in Nürnberg:
"     * (Dr. Anton Bruckners IV. [romantische] Symphonie) wurde am Mittwoch den 28. October d. J. in Nürnberg aufgeführt. Als Dirigent fungirte Herr Auguust Göllerich. Hierüber schreibt ein Nürnberger Blatt: "Die romantische Symphonie in Es von Anton Bruckner wurde hier zum erstenmale gehört. Es ist eine imposante, mächtig einherschreitende Musik, deren Anlehnung an Wagner wohl unschwer herauszufühlen ist, die jedoch deshalb nicht weniger originell ist.  .  .  Die vier Sätze wurden, was Exactheit sowohl als Dynamik des Gesammtspieles betrifft, sehr gut wiedergegeben und allgemein lebhaft acclamirt."  -  Der Referent der "Nürnberger Stadtzeitung" äußert sich über die Aufführung dieser Symphonie folgendermaßen: "Wenn man zum erstenmal das Riesenwerk hört, so kann man sich nur über seine Großartigkeit wundern, verstehen kann man es wohl nur - abgesehen vielleicht von dem etwas volksthümlicheren dritten Satze . wenn man es genau studirt hat. Darüber sind sich wohl alle die Musikgelehrten einig, daß Bruckner ein Contrapunktiker von Gottes Gnaden ist und dabei eine selten Instrumentirungsgabe besitzt. Ueber die Art seiner Musik selbst allerdings sind die Ansichten getheilt und nirgends noch hat Bruckner in dieser Beziehung ungetheilte Anerkennung gefunden. Er bewegt sich mit seinen Tönen in einer der Gesammtheit noch zu wenig bekannten Welt und sein ausgesprochene Absicht, Wagners Theaterstil mit all seinen Auswüchsen der absoluten Musik dienstbar zu machen, wird noch bei gar vielen Musikautoritäten mit Kopfschütteln aufgenommen. Doch wie dem auch sei, unzweifelhaft gehört Bruckner zu den größten Symphonikern der Gegenwart und wer wie Herr Göllerich das Wagestück unternimmt, seine Werke dem allgemeinen Publicum vorzuführen und zugänglich zu machen, erwirbt sich jedenfalls den allseitigen Dank aller unbefangenen Musiker, ganz besonders aber, wenn es gelingt, diese Werke in so vorzüglicher und mustergiltiger Weise zu Gehör zu bringen, wie es Herr Göllerich zuwege brachte. Bis auf ein verunglücktes Hornmotiv am Schluß des ersten Satzes war alles tadellos und der Eindruck, den die Symphonie hinterließ, war auf alle Fälle ein großartiger. Aus der Art und Weise, wie Herr Göllerich dirigirte und wie er alle Schattirungen mit dem Taktstock zu bezeichnen wußte, konnte man so recht ersehen, wie er in den Geist des Werkes eingedrungen und mit welcher Hingabe, welchem Verständnis er die Tondichtung eingeübt haben mußte." [keine Signaturen]" (b).

Von der Ernennung zum Ehrendoktor berichten das Grazer Tagblatt Nr. 68 auf S. 7:
     "(Dr. Anton Bruckner.) Der berühmte Componist, Professor Anton Bruckner, wurde von der Universität Wien zum Ehrendoctor ernannt. Soeben ist die kaiserliche Entschließung herabgelangt, mit der dieser Beschluss der Universität die Bestätigung erhält. Als Bruckner an der Wiener Universität zum Docenten oder Lector ernannt wurde, haben die Gegner des genialen Mannes eingewendet, dass Herrn Bruckner der akademische Grad fehle. Dieser Mangel ist jetzt beseitigt. Bruckner hat seine Prüfungen vor dem großen Publicum der musikalischen Welt abgelegt und dieselben mit Auszeichnung bestanden. Er hat jetzt einen akademischen Grad - den höchsten, den die Alma mater zu verleihen vermag." (c) und

"Das Vaterland" Nr. 306 auf S. 4 (die Rubrik ist datiert 6.11.1891):
     " * [Ehrendoctor Anton Bruckner.] Nachdem der Beschluß des Professorencollegiums der philosophischen Facultät an der Wiener Universität, den berühmten österreichischen Tondichter Anton Bruckner zum Ehrendoctor zu ernennen, die Bestätigung Sr. Majestät des Kaisers erhalten hat, findet morgen (Samstag) auf der Universität die Ueberreichung des Ehrendoctor=Diplomes an Bruckner statt." (d).

(49. Stiftungsfeier des Wiener Männergesangvereins unter Leitung Eduard Kremsers im Sofien-Saal (e)).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189111075, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189111075
letzte Änderung: Mär 27, 2023, 22:22