Die Wiener Zeitschrift »Das interessante Blatt« Nr. 53 druckt auf S. 5 Portraits von Bruckner [IKO 58] und neun weiteren Komponisten mit dazugehörigen Erläuterungen auf S. 6f:
"[Abbildung S. 5:] Oesterreich-Ungarn in der Musik: Die hervorragendsten Componisten unserer Monarchie. (Siehe Seite 6.)
[Seite 6f:] Oesterreich-Ungarn in der Musik. [... Sonderstellung Wiens ... Brahms...] Dr. Anton Bruckner schreitet schon auf die Siebzig zu, und er ist vielleicht selbst überrascht, wie er seit wenigen Jahren zu Auszeichnung und Anerkennung gelangt, die ihm in seinem besten Mannesalter versagt blieb. Bruckner galt lange hindurch nur als berühmter Orgelspieler. Von seinem Talente als Componist wollte man lange nichts wissen. Von Deutschland aus, wo seine Symphonien Aufsehen erregten, kam erst sein Ruf herein, und nun nahm auch das musikalische Oesterreich keinen Anstand mehr, das Urtheil das Auslandes zu ratificiren. [... Erkel, Robert Fuchs, Goldmark, Josef Hellmesbeger jun., Eduard Kremser, Carl Millöcker, Johann Strauß, von Suppé ...]" (*).

Das Musikalische Wochenblatt Nr. 1 [XXIII. Jahrgang 1892] bringt auf S. 4f im »Wiener Musikbrief« [vermutlich von Theodor Helm] eine Kritik zur Aufführung der 1. Symphonie am 13.12.1891:
"             Wien.
     Es dürfte wohl nicht zu häufig vorkommen, dass die erste Symphonie eines berühmten Tondichters erst volle 25 Jahre nach ihrer Entstehung zur Aufführung gelangt, dabei nach vier später geschaffenen "Schwestern" und nachdem der Componist selbst 67 Jahre geworden ist. Sie haben wohl schon errathen, dass ich von der Erstaufführung der Bruckner'schen Cmoll-Symphonie im 3. Philharmonischen Concert der Saison - am 13. December 1891 - spreche. 1865-66 in Linz componirt, [... über die Geschichte der Werks, die unzulängliche Linzer "Probe"-Aufführung 1868. Löwes Klavierauszug sei leider nicht veröffentlicht; Löwe spiele das Werk seit Jahren ohne Noten auswendig. Hans Richter hörte so das Werk ...] Indem er den bei besagter Clavierinterpretation selbst anwesenden greisen Tondichter stürmisch umarmte, sagte er: Bruckner, die Symphonie müssen Sie mir zur Aufführung überlassen, denn als Sie die geschrieben haben, waren Sie verliebt! "Das war ich ja immer", entgegnete in seiner naiven Treuherzigkeit der Componist. Aber von einer öffentliche Aufführung seines Erstlingswerkes wollte er Nichts hören, er hielt es für ein unvorbereitetes Publicum zu kühn, zu sehr aus dem gewohnten Geleise heraustretende und darum unverständlich. [... stattdessen wurde die 3. Symphonie am 21.12.1890 gespielt ... Richter verhandelte mit Bruckner wegen der 1. Symphonie ] und erreichte endlich, so sehr und so lange sich der Componist auch sträubte, doch das Ziel seiner Wünsche. [... die günstige Aufnahme des Werkes sei bei einem so konservativen Publikum vor 15 Jahren noch undenkbar gewesen ...] oder vielmehr, man hätte schon nach dem ungewöhnlich langen und verwickelten ersten Satz in hellen Schaaren Reissaus genommen. Diesmal rührte sich fast Niemand vom Platze: als Hans Richter das Zeichen zum Anfang der Symphonie gab, herrschte eine Todtenstille im Saale, wie etwa die, welche man in früheren Jahren im Bayreuther Festspielhause zu beobachten Gelegenheit hatte. Jeder hielt sozusagen den Athem zurück. Sodann folgte jedem Satze stürmischer Applaus, wenn auch vielleicht mehr von den "Wissenden", durch Prof. Löwe's häufige Clavier-Interpretationen Vorbereiteten, als vom ganzen Publicum ausgehend, aber immerhin ausgibig [sic] genug, am herzlichsten und allgemeinsten offenbar bei dem prächtigen Scherzo - wie fast immer bei Bruckner der klarste und abgerundetste Satz -, sodann bei dem wunderschön verklingenen Adagio, nach welchem dem Componisten auch ein mächtiger Lorbeerkranz überreicht wurde.
          (Fortsetzung folgt.)
[Signatur am 7.7.1892:] Dr. Theodor Helm." (**).

In St. Florian wird das Tantum ergo in C-Dur (WAB 41/4, früher WAB 41/2) aufgeführt (***).