zurück 1.1.1892, Freitag ID: 189201015

Brief Bruckners an Anton von Ölzelt-Newin:
    Neujahrsgrüße und Dank für die seit 1877 erwiesenen Wohltaten [Wohnung Heßgasse] (*).

[ca. 1.1.1892] Franz Schalk sendet Bruckner einen Neujahrsgruß (**).

Kritik des Konzerts vom 30.12.1891 (mit Teilen der 1. Symphonie), signiert "h-m." (Theodor Helm) in der Deutschen Zeitung Nr. 7185 auf S. 6f :
"Theater, Kunst und Literatur.
(Musikabend des Wagner=Vereins.) Der gestern (Mittwoch) veranstaltete, die Aufführungen des Jahres 1891 würdig abschließende Interne Musikabend des Akademischen Wagner=Vereins brachte zwar keine Note von Wagner, dafür aber Interessantestes von dem Meister geistesverwandten oder durch ihn beeinflußten Tondichtern. [... Werke von Cornelius, Liszt und Hugo Wolf, als Mitwirkende Frau L. v. Ehrenstein, Ferdinand Foll und F. Jäger ...] Zuletzt zeigte sich Professor F. Löwe, der auch die Wolf'schen Lieder ausgezeichnet begleitet hatte, wieder am Clavier als unübertrefflicher Interpret Bruckner's, indem er das Adagio und Finale der jüngst von den Philharmonikern vorgeführten C-moll-Symphonie - welcher von Herrn Schalk sinnig Citate aus "Faust" unterlegt worden waren - mit hinreißender Wirkung aus dem Gedächtniß spielte.          h-m." (***).

In dem Artikel "Wiener Concerte" von Carl Schön [signiert "C. S."] in der "Lyra" XV, Nr. 6 (402), auf S. 64 [= S. 2] werden die Aufführungen der 1. Symphonie [13.12.1891] und des "Te deum" [20.12.1891] besprochen:
"                  Wiener Concerte.
    Das dritte philharmonische Concert führte zum erstenmale Bruckners erste Symphonie vor. Das nun in seiner Urform ein Vierteljahrhundert alte, in jüngster Zeit ausgearbeitete Werk, zeigt Bruckners Muse in keiner wesentlich anderen Gesichte, als in der, die wir hinreichend kennen. Große, bedeutende Themen, eine bewunderungswürdige, den Hörer in ihrer Gelehrsamkeit oft erdrückende Durchführung, vortrefflicher Klang charakterisiren das Werk, wie alle andere [sic] Symphonien Bruckners, es fehlen aber auch die unvermittelten oder beim ersten Hören mindestens unvermittelt scheinenden Sprünge nicht, die wir an allen diesen Symphonien gewohnt sind. Im Ganzen ist die Symphonie besonders im Adagio (As=dur) und Finale (C=moll) schwer verständlich, schwerer, als irgend eine andere des Meisters, der erste Satz ist zunächst, der dritte, ein Scherzo von ungestümem, ja dämonischem Charakter vollkommen übersichtlich. Mehr läßt sich nach einmaligem Hören eines ungedruckten, umfangreichen Werkes nicht leicht sagen. Daß man aber einer großen, nicht gewöhnlichen Musik gegenüberstehe, dessen schien sich diesmal die ganze Hörerschaft bewußt zu sein, und es ist mit Vergnügen festzustellen, daß der Jubel der Brucknergemeinde bei dieser Erstaufführung keine Gegnerschaft fand. Desselben Meisters „Te Deum”, im zweiten Gesellschaftsconcert aufgeführt, aber begegnete allgemeinem Gefallen und wir freuen uns dessen herzlich; es ist ein Zeichen dafür, daß die Menge endlich beginnt, der Führung am Leitseile sich zu entwinden. [... über die Mitwirkenden: die Geiger Johannes Wolff [13.12.1891] und [ 20.12.1891] Hans Wessely und die Sängerin Friederike Mayer bei Schumann; die Aufführung] war eine wohl abgerundete und würdige.             C. S." (°).
    Auf S. 65 findet sich ein mit "S." signierter Bericht über den Festcommers [am 11.12.1891]:
"           Aus der musikalischen Welt.
    Bruckner=Commers.
Zur Feier der Ernennung Anton Bruckners zum Ehrendoctor der Wiener Universität veranstaltete der akademische Gesangverein einen Festcommers, dessen überaus gelungener Verlauf allen Anwesenden lange in Erinnerung bleiben wird. Das Fest, an dem die ganze deutsche akademische Jugend theilnahm, gipfelte in der Festrede Dr. Schaumanns, der Bruckners Lebenslauf darstellte, in der Erwiderung Bruckners, der betonte, daß er glücklich sei, für die Wissenschaft seine Kunst in sein „Gaudeamus” übertragen zu können und in der Rede des Rectors Exner, welcher überaus launig den Gedanken ausführte, daß die Wissenschaft über der Kunst stehe, und daß er, der Rector der Wiener Almamater sich gern vor dem (einst mit 12 fl. jährlich besoldeten „Unterlehrer” Bruckner beuge. Die Bruckner dargebrachte Huldigung war ein Ehrentag im Leben des genialen Tonkünstlers, der für manche von der Kritik erlebte Bitternisse entschädigen wird.           S." (°°).

Kritik über das Konzert vom 20.12.1891 mit dem »Te deum«
in der Musikalischen Rundschau Nr. 1 auf S. 3:
"                   Concerte.
Unter den Concerten der letzten Tage sei vorerst ein Curiosum erwähnt: die Production des siebenjährigen Wunderknaben Raoul Koczalski. [...].
     Das letzte Philharmonische Concert [...bekannte Nummern ... wir] wenden uns dem letzten Gesellschaftsconcerte zu. Ein buntes Allerlei ward da vorgetischt; [...]. Dafür schlug das grossartige Te Deum von Anton Bruckner wieder voll ein. Dieses markige Product, das in mächtigem Schwung sich aufthürmt und mit starken Schwingen wiederholt zu riesenhafter Gewalt sich erhebt, riss das Publicum zu frenetischen Beifallsbezeugungen hin. Es ward nicht müde, den grossen vaterländischen Tondicher zu bejubeln und war sichtlich bestrebt, so, wenn auch spät, die Schuld abzutragen, die es durch langjährige Hintansetzung und Verkennung dieses genialen Componisten auf sich geladen.                    Dr. Max Dietz." (°°°)

und - signiert "-d-r." - in der Deutschen Kunst- und Musik-Zeitung XIX, Nr. 1, auf S. 3:
"               II. Gesellschaftsconcert.
     Sonntag den 20. December 1891 fand das zweite Gesellschaftsconcert unter Gericke's Leitung statt. Das Programm begann mit dem Großvater der modernen Instrumentalmusik P. E. Bach und endete mit dem etwas wildgewachsenen jüngsten Enkel A. Bruckner, dessen effectvoll daherbrausendes Te deum mit der üblichen Personalausstellung des Componisten abschloß. [über die anderen Stücke des Programms ...] Der Besuch des Concertes war ein recht spärlicher.     –d–r." (#).

Ein Inserat in der Neuen Freien Presse Nr. 9824 auf S. 5 macht auf die am 31.12.1891 veröffentlichten Komponistenporträts aufmerksam: "Das "Interessante Blatt" enthält in der dieswöchentlichen Nummer folgende Illustrationen: [...] Die Porträts der Componisten: Dr. Johannes Brahms, Dr. Anton Bruckner, Karl Goldmark [... über den weiteren Inhalt ... Abonnementsbedingungen ...]" (##).

In den "Kunst-Nachrichten." der Allgemeinen Kunst-Chronik Nr. 1 wird auf S. 12 die Aufführung des "Te deum" am 20.12.1891 erwähnt:
"   Wien. Eine merkwürdige Erscheinung lernten wir an dem siebenjährigen persischen Hofpianisten Raoul Koczalski kennen [...].
     Von größeren Konzerten, die in der letzten Zeit stattfanden, ist allein das Gesellschaftskonzert hervorzuheben, dessen Programm an Mannigfaltigkeit sicherlich nichts zu wünschen übrig ließ. [... Programmnummern ...], endlich das großartige Te Deum des neuesten philosophischen Ehrendoktors Anton Bruckner, ein Ehrendenkmal deutscher Kraft und Tiefe, worin der altösterreichische Kampfgeist seine Schwingen regt und mit dröhnender Gewalt wie aus tausend Kehlen seinen Jubel und Schmerz in die Welt schreit. Das Publikum hätte auf den Ohren sitzen müssen, um nicht mächtig ergriffen zu sein und als Ausdruck davon dem greisen Schöpfer dieser meisterhaft kühnen Komposition begeisterte Huldigungen zu bereiten.
                                             m. d." (###).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189201015, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189201015
letzte Änderung: Dez 15, 2023, 13:13