zurück 24.6.1892, Freitag ID: 189206245

Das Deutsche Volksblatt Nr. 1247 bringt auf S. 9 eine mit »N.« signierte Kritik der Aufführung des »Germanenzugs« am 20.6.1892:

"  Die Sommer-Liedertafel des Wiener Männergesangvereines.
     Nachdem die satzungsmäßige Sommer=Liedertafel dieses Vereines, welche ursprünglich für Montag, den 13. d. M., angesagt gewesen war, wegen zweifelhafter Witterung zweimal in letzter Stunde abgesagt worden war, fand dieselbe endlich eine Woche später, Montag, den 20. d. M., unter voller Gunst des Wettergottes im Dreher=Park in Meidling mit großem Erfolge statt. Wir sind an derselben theilzunehmen leider verhindert gewesen und erstatten den folgenden Bericht nach dem Mittheilungen eines verläßlichen Gewährsmannes. Der Wiener Männergesangverein sang unter der Leitung seines Chormeisters Herrn Eduard Kremser 13 Chöre, und zwar: Den "Germanenzug" von Anton Bruckner, die "Waldeinsamkeit" von A. M. Storch, [...] und zum Schluß "Das deutsche Lied" von Kalliwoda. – Mit aufrichtiger Freude ist es zu begrüßen, daß sich unser Männergesangverein dem Altmeister Bruckner zugewendet hat. Es thut vom Herzen wohl, wenn man bei einer Liedertafel auch einem Chore von wirklich musikalischem Werthe begegenet. [... das meiste ist "werthlose Dutzendwaare" ...  andere Novitäten ...] Die nächste "Neuheit" war der von dem Brünner Männergesangverein bei dem Concerte in der Musik= und Theater=Ausstellung [25.5.1892] mit so großem Erfolge gesungene "Mahnruf" von Reinhold Becker mit dem trefflichen nationalen Texte von der Gräfin Wickenburg=Almasy. Derselbe mußte wiederholt werden. Mit Dank wollen wir es anerkennen, daß der Männergesangverein mit dieser Nummer einmal kernigen nationalen Gedanken Ausdruck gegeben hat. [... einiges Belangloses, zu viel "Liedertafelei", Udel-Quartett (innerlich hohle, nur possenhafte Sachen) ...]
     [...Zeichen von Besserung bemerkt ...] Haben wir doch unter vielem Seichten und Schwachen auch vereinzelntes [sic] Gutes und Starkes gehört, leuchtete uns doch das Dreigestirn: Bruckner, Schubert und Volkslied!     N." (*).
 
Über dieses Konzert schreibt die Neue Freie Presse Nr. 9997 auf S. 6:
"     [Sommer=Liedertafel.] Der Wiener Männergesang=Verein hat am 20. d. seine Sommer=Liedertafel nach zweimaliger Verschiebung abhalten können. Es hatten sich im Dreher=Parke in Meidling gegen 3000 Personen eingefunden. Die Vereins=Productionen wurden mit einer interessanten Novität, "Germanenzug", Chor mit Harmonie=Begleitung von Anton Bruckner, mit Text von August Silberstein, eingeleitet, deren Aufführung, unter Kremser's vorzüglicher Leitung, dem anwesenden Componisten lebhafte Hervorrufe eintrug. [... weitere Werke ... Mitwirkende: Gaßner (Bariton), Frl. Grüneke (Harfe) ...]" (*a).

Das mit »dr. h. p.« signierte Feuilleton [Hans Paumgartners] in der Wiener Zeitung Nr. 144, S. 3 - 6, erwähnt die Tilgner'sche Büste und die 4. Symphonie [am 15.6.1892]:
"  Internationale Musik- und Theater-Ausstellung in Wien.
                              IX. *)
[Fußnote mit den Zeitungsnummern der früheren Beiträge]
     Nunmehr sollen die Lebenden ihr Recht haben, nachdem wir der Abgeschiedenen in Liebe und Verehrung gedacht haben. [... Porträts und gedruckte Musikalien: Randhartinger, Preyer ...]
     In voller Frische, wenn auch schon in vorgeschrittenerem Lebensalter stehend, prangt Anton Bruckner unter uns, und wir freuen uns stets, wenn wir ihm in seinen Werken begegnen und uns an denselben, wie im letzten Wagner=Vereins=Concerte an der Aufführung seiner herrlichen Es-dur-Symphonie, entzücken dürfen. In der Ausstellung ist er durch eine ausgezeichnete von Tilgner modellirte Bronzebüste (ein wahrer römischer Imperatorenkopf) und durch ein Schreiben vertreten, in welchem unser gefeierter Symphoniker Daten über seinen Lebenslauf mittheilt.
     Vom deutschen Norden gekommen, ist Johannes Brahms seit Jahrzehnten in Wien ansäßig und hängt mit Liebe an unserer schönen Stadt, wo er seine bedeutendsten Werke geschaffen hat. [... Manuskript des Deutschen Requiems und der  Sapphischen Ode etc., Tilgner-Büste ... Karl Goldmark, Anton Rubinstein, Joseph Joachim, Dvorak, Hermann Levi, Felix Mottl, Bülow u. v. a. ...]
     Welch reiches Kunstleben rollt sich hier vor dem Leser auf! Man bekommt erst in der Ausstellung den vollen Begriff vonder Musikstadt Wien. Sie ist der Brennpunkt des musikalischen Lebens der ganzen Welt, jeder Tonkünstler strebt ihr leidenschaftlich zu, und ihrem Urtheile unterwerfen sich die Musiker und Sänger aller Zonen und Völker.
                   dr. h. p." (**).

Ein Artikel im Neuen Wiener Tagblatt Nr. 174 auf S. 5 über die "Komponisteninterieurs" erwähnt die stattliche Anzahl von Porträts und die lebensgroßen Büsten Tilgners, verweist aber speziell auf die Miniaturporträts, "welche ein junger, begabter Bildhauer, Percival M. F. Hedley, geschaffen hat und die durch echt künstlerische Auffassung, große Treffsicherheit, scharfe Charakteristik und sorgfältige Ausführung sich auszeichnen [...]" [Bruckner ist nicht erwähnt] (***).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189206245, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189206245
letzte Änderung: Mai 14, 2024, 8:08