zurück 7.12.1892, Mittwoch ID: 189212075

Kritik des Konzerts vom 22.11.1892 (1. Satz der 8. Symphonie) im Deutschen Volksblatt Nr. 1412 auf S. 1f :
»               Neues aus den Concertsälen.
                               II.
     Seit einer Reihe von Jahren steht unsere Wagnergemeinde in unerschütterlicher Opposition zu den an unserer Oper zur Zeit maßgebenden Tendenzen: Die vorzugsweise Pflege der französischen Musik eines Massenet, [... u.a., Zurücksetzung der Klassiker, nicht nur Wagners durch Wilhelm Jahn ... Ausgleich durch die zwei Wagner-Vereine ... über das letzte Konzert mit Auszügen aus den "Feen" und "Benvenuto Cellini" ...]
     Von gleich feinem Kunstgeschmacke der Leitung des Wagner=Vereines gaben auch die übrigen Nummern des Abends Zeugnis: [... Richard Wagner, J. S. Bach, Carl Loewe, Beethoven, mitwirkend: Frau von Ehrenstein, Herr Neidl ...] Den ersten Satz aus Bruckner's "Achter", den Herr Professor Schalk auf einem leider weniger als mittelmäßigen Clavier zum Vortrage brachte, hätten wir lieber nicht auf dem Programm gesehen. Derart schwierige Werke erfordern mindestens eine vierhändige Wiedergabe und werden auch bei einer solchen nur Den interessiren, der die Composition schon kennt; als Vorbereitung für einen Hörerkreis, dem das Werk noch ganz fremd ist, sind sie aber von einem höchst geringen Nutzen.
     [... neue Konzertreihe Kretschmanns im Ehrbar-Saal, u. a. mit Josef Reiter ("seit einiger Zeit von gewisser Seite als eine neue musikalische Gottheit ausgeschrien" - unberechtigt!) ... Zweifel an Reiters Zukunft ...].
                        Hans Puchstein. « (*).
Am Unterrand des Titelblatts die aktualisierte Fußnote: "Kauft Christgeschenke nur bei Christen!" und die Aufforderung, nur bei den Inserenten des Deutschen Volksblattes zu kaufen.

Im »Vaterland« Nr. 339 erscheint auf S. 1f ein mit »-n.« [= Dr. Hermann] signierte Kritik zum Konzert vom 13.11.1892 (mit dem 150. Psalm):
"                   Concerte.
                           II.
     Ein stark gemischtes Programm bot das erste Gesellschaftsconcert: [... Schubert ... "Bruckner's gigantischer 150. Psalm" ...] Ohne das berühmte Tedeum Bruckner's dem Umfange und künstlerischen Werthe nach zu erreichen, steht der Psalm doch als ein mächtiger Tonbau von ergreifender Großartigkeit vor uns. Es ist bezeichnend, daß selbst kritische Stimmen, welche sonst an Bruckner's Werken nicht genug zu tadeln fanden, dieses neue Opus in entschieden günstigem Sinne beurtheilen; darin liegt ein deuticher Beweis für das sieghafte Vordringen des Bruckner'schen Genius, dessen Flügelschlag nun immer freier und freudiger sich entfalten kann. Unsere Verehrung für Bruckner's Schaffen darf uns gleichwohl nicht hindern, an dem jüngsten Werke des großen Meisters das auszusetzen, was unserer inneren Ueberzeugung zuwiderläuft; es ist dies einzig und allein jene Stelle – etwa in der Mitte des Werkes – wo sich ein Solo=Sopran vom Chore ablöst und in dithyrambischen Schwunge die chromatische Leiter erklimmt – von einer Sologeige gestützt – in Verzückung auszuklingen. . . .  Dies ist eine Stelle, deren genialer Grundgedanke durch die Unmöglichkeit einer völlig befriedigenden Ausführung vernichtet wird; der Componist hat wohl an eine Engelsstimme gedacht, welche hoch aus den Lüften herab den Gesang des gläubigen Volkes aufnimmt, um ihn dem Höchsten dazubringen. Wie vermöchte ein schwacher Sopran, wie der des Fräuleins Standthartner einer solchen Idee gerecht werden? Aber auch eine kräftigere Stimme würde kaum den beabsichtigten Eindruck hervorbringen, da einer Chor= und Orchestermasse gegenüber ein – noch dazu melodisch höchst schwierig aufzufassendes – Solo nicht aufkommen kann, zumal wenn ihm nur wenige Takte in den höchsten Tonlagen zugewiesen sind und eine Geige – falsch secundirt. . . .   Der Eindruck des Werkes war ein nachhaltiger und tiefer; eine baldige Wiederholung der Aufführung wäre dringend zu wünschen. – [.. über "Wanderers Sturmlied" ... Lob für die Amerikanerin Adele aus der Ohe ... Verriss des häßlichen Klavierkonzertes von Tschaikowsky ... weitere Konzerte ...]             -n." (**).

In einem Artikel des St. Pöltner Wochenblatts Nr. 49 auf S. 4 über Josef Reiter wird Bruckner erwähnt:
"Wochen-Nachrichten.
[...]
     [Musikalische Voranzeige.]   Josef Reiter ist ein echter deutscher Tondichter! Ein Tonkünstler, welcher sich nicht der frechen Mode, die Alles, unser Heilgstes und Erhabenstes, benützt und dem Vergnügen und dem Zeitvertreibe dienstbar macht; nein, er bildete sich im Sturme des Lebens und in der strengsten Schule der Selbsterziehung und tritt jetzt als eine in sich gefestigte und gereifte, echte deutsche Künstlernatur vor. Man hält es daher als Pflicht, das deutsche Volk auf diesen seinen Sohn nachdrücklichst aufmerksam zu machen. Jos. Reiter, ein Landsmann des größten lebenden Symphonikers unserer Zeit, Anton Bruckner, ist wohl kleineren Kreisen, welche ernste und edle Kunst pflegen, schon seit längerer Zeit bekannt; [...hatte Konzerte mit eigenen Werken in Wien und Klagenfurt, geplant sind Salzburg, Linz, Dresden, München u. a. ... anfang Januar 1893 durch den Lehrerverein "Fortschritt" in St. Pölten ...]." (***).

Ähnlich schreibt auch der St. Pöltner Bote Nr. 98 auf S. 3:
"     [Reiter=Concert.] Josef Reiter, der Tonkünstler, und zwar ein echter deutscher Tondichter! Ein Tonkünstler, welcher sich nicht der frechen Mode, die Alles, unser Heiligstes und Erhabenstes benütz und dem Vergnügen und dem Zeitvertreibe dienstbar macht, hingab: nein, er bildete sich im Sturme des Lebens und in der strengsten Schule der Selbsterziehung und tritt jetzt als eine in sich gefestete und gereifte, echtdeutsche Künstlernatur vor uns. Man hält es daher als Pflicht das deutsche Volk auf diesen seinen Sohn nachdrücklichst aufmerksam zu machen. Josef Reiter, ein Landsmann des größten lebenden Symphonikers unserer Zeit, Anton Bruckner, ist wohl kleineren Kreisen, welche ernste und edle Kunst pflegen, schon seit längerer Zeit bekannt; [... hatte Konzerte mit eigenen Werken in Wien und Klagenfurt, geplant sind Salzburg, Linz, Dresden, München u. a. ... anfang Januar 1893 durch den Lehrerverein "Fortschritt" in St. Pölten...]." [Textpassagen von Max Morold 20.8.1892] (°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189212075, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189212075
letzte Änderung: Aug 31, 2023, 11:11