Die Wiener Sonn- und Montags-Zeitung Nr. 52 bringt auf S. 1f eine mit "H. W." [Hans Woerz] signierte Besprechung der 8. Symphonie:
" Musik.
(Bruckner's Symphonie Nr. 8. – [...].)
H. W. Als Weihnachtsbescheerung haben die Philharmoniker dem Publicum ihrer Abonnementsconcerte die erste Aufführung der Bruckner'schen Symphonie in C-moll (Nr. 8) geboten. Sonst nichts, denn das Werk, Sr. Majestät dem Kaiser gewidmet, nimmt in seinen riesigen Dimensionen für sich allein die anderthalbstündige Dauer eines philharmonischen Concertes in Anspruch. Daß Hans Richter der Abwechslung halber wieder einmal zu einer Tondichtung Anton Bruckner's griff, hätte wohl bei keinem billig denkenden Abonnenten Anstoß erregt, denn der musikalische Verkehr, selbst der ältesten, nobelsten und reichsten Stammgäste, kann sich ja doch nicht für immer auf die todten "Heroen" oder auf lebende Suiten= und Serenaden=Componisten beschränken. Bruckner ist freilich vorläufig nur der Abgott junger Leute, die ihrer Schwärmerei durch Johlen und Strampfen Ausdruck zu geben lieben, und ruhigere Gemüther, die es mit der Kunstpflege ernst nehmen, fühlen sich durch solche neudeutsche Art musikalischer Andachtsübung angewidert. [... lakonisch "nichts als Bruckner", Abonnenten hätten ein Mischprogramm erwartet, einige (brüskierte) Stammgäste fehlten ... den Unerschrockenen jedoch] ward eine überraschende Belohnung zu Theil. Wir meinen damit nicht, daß der Autor nach jedem der vier Sätze mit Enthusiasmus hervorgerufen wurde – denn dessen konnte man den bisherigen Erfahrungen zufolge unter allen Umständen versichert sein; die Ueberraschung bestand in der Symphonie selbst. Trotz ihrer gefährlichen Länge unterscheidet sie sich von den bisher bekannt gewordenen Symphonien des greisen Tondichters zu ihrem unleugbaren Vortheile durch festeren Zusammenhang jedes einzelnen Satzes [... für den Hörer besser zu verfolgen ... kurz zu den einzelnen Sätzen (im Adagio ermüdende endlose Wiederholungen, Finale undurchsichtig) ... trotz "Extravaganzen" und eigensinnigen Dissonanzen "ein edles, großes, bedeutsames Werk", Bruckners reifstes ...] Die Details des Werkes zu beurtheilen, müssen wir uns nach blos einmaligem Anhören desselben versagen; [... Wiederholung wäre hilfreich ...]. Denn ein Clavierauszug bietet bei einer Tonschöpfung, zu deren Wesenheit eine mit Raffinement gewählte und glänzende Instrumentirung gehört keinen annäherungsweisen Ersatz für die mangelnden Farben der Orchestration.
Nun wollen wir aber doch noch einen Blick auf die zweite Seite des Concertzettels werfen, auf das von einem ungenannten Wohlthäter des Componisten und der Menschheit beigefügte Programm der Symphonie. Diesem Nachdichter gegenüber hält es schwer, so ernsthaft zu bleiben als er und diejenigen, welche an der Veröffentlichung seiner ästhetischen Apokalypse mitschuldig sind, es verdienen. – Im ersten Satze sieht unser Anonymus [... Schilderung des Textes und Spott über Unsinniges, Zitate ...] Wir haben hier, das sei ausdrücklich bemerkt, nicht etwa eine Parodie des Programms niedergeschrieben, sondern das Programm selbst gewissenhaft wiedergegeben, zum abschreckenden Exempel, bis zu welchem Grade des Wahnwitzes die literarischen Apostel der neuesten deutschen Kunstrichtung durch ihre "Heilslehre", in der Musik etwas Anderes als Musik zu suchen, getrieben werden. [... peinlich für Österreich, wenn dieses Programm der Symphonie ins Ausland folgen würde; die Philharmoniker hätten es verhindern sollen ...] Wir sind der festen, trostreichen Ueberzeugung, daß der Componist selbst das ihm angedichtete Programm nicht versteht.
[... über weitere Konzerte ... Hellmesbergers Ausscheiden am Konservatorium ...] (*).
Auf S. 3 wird Bruckner in einer mit "Schnüfferl" [= Alexander Landesberg (siehe Anmerkung)] signierten Glosse erwähnt:
" Aus dem Souffleurkasten.
XIII.
– Gott sei Dank! Der Christabend ist vorüber und ich brauche nicht mehr frei nach Heine's Grenadier zu fragen: Was bescheert mir Weib, was bescheert mir Kind? Ich erspare mir auch die Antwort: Ich trage weit besseres Verlangen. [... an Sonntagen mit zwei Vorstellungen bräuchte er eine "Umblätterungsmaschine" ...] man muß auch die linke Hand zu Hilfe nehmen. Ich werde vielleicht noch ein Linkshänder, wie der Herr v. Richter von der k. k. Hofoper. Auch der Herr Hof=Capellmeister hat oft alle Hände voll zu dirigiren, so daß er die Linke zu Hilfe nehmen muß, wie das am Sonntag vor acht Tagen geschehen, wo er von 11–12 die Hofcapelle dirigirte und dann die "Symphonia irridenta" vom Herrn Professor Bruckner im Philharmonischen Concerte. Ein Glück war's, daß man am Abende in der Hofoper die "Zauberflöte" und nicht auch "Tristan und Isolde" aufführte, welche Oper der Herr von Richter mit einer ganz schwarzen Seidenhaube auf dem Kopfe dirigirt hat; in diesem Falle hätte er sich doch noch eine dritte Hand anschaffen müssen. Macht aber nichts [...] Hans Richter wäre ein großer Dirigent geworden, selbst wenn er ohne Hände auf die Welt gekommen wäre, wie wir uns frei nach "Emilia Galotti", 1. Act, 4. Scene, classisch auszudrücken pflegen.
[... zwei weitere Glossen ...]
Schnüfferl." (*a).
Schnüfferl." (*a).
Das Konzert vom 18.12.1892 wird auch in der Montags-Zeitung Nr. 696 auf S. 1 besprochen:
" (Concerte.) Johannes Brahms und Anton Bruckner, sie haben beide ihren ziemlich eng geschlossenen Kreis von Bewunderern und Anhängern; man braucht sich nur das Pubolicum eines größeren Concertes etwas näher anzusehen, um, ohne das Programm zu lesen, sich klar zu machen, ob dieses ein Werk des einen oder des anderen Meisters enthält. [.... "exclusiv Bruckner'sches Publikum" ... anderthalb Stunden ...], wenn auch etwas größere Mäßigung in der Inanspruchnahme der Hörfreudigkeit des Publicums dem Meister nicht geschadet hätte. [... kurz über die Sprache und Stimmung der einzelnen Sätze ... begeisteter Applaus, Anerkennung auch von Bruckner Fernstehenden ...]. Wir gönnen dem greisen Meister diesen schönen Erfolg; wir haben es gerne gesehen, wie der alte Herr mit den allen Wienern liebgewordenen markirten Zügen, wie Bruckner, selig lächelnd, für den seinem Werk gewordenen Beifall dankte. – Vom Musikvereinssaal zum Bösendorfersaale, von Anton Bruckner zu einer Epstein=Schülerin ist freilich ein gar gewaltiger Sprung [...]." [keine Signatur] (**).
" (Concerte.) Johannes Brahms und Anton Bruckner, sie haben beide ihren ziemlich eng geschlossenen Kreis von Bewunderern und Anhängern; man braucht sich nur das Pubolicum eines größeren Concertes etwas näher anzusehen, um, ohne das Programm zu lesen, sich klar zu machen, ob dieses ein Werk des einen oder des anderen Meisters enthält. [.... "exclusiv Bruckner'sches Publikum" ... anderthalb Stunden ...], wenn auch etwas größere Mäßigung in der Inanspruchnahme der Hörfreudigkeit des Publicums dem Meister nicht geschadet hätte. [... kurz über die Sprache und Stimmung der einzelnen Sätze ... begeisteter Applaus, Anerkennung auch von Bruckner Fernstehenden ...]. Wir gönnen dem greisen Meister diesen schönen Erfolg; wir haben es gerne gesehen, wie der alte Herr mit den allen Wienern liebgewordenen markirten Zügen, wie Bruckner, selig lächelnd, für den seinem Werk gewordenen Beifall dankte. – Vom Musikvereinssaal zum Bösendorfersaale, von Anton Bruckner zu einer Epstein=Schülerin ist freilich ein gar gewaltiger Sprung [...]." [keine Signatur] (**).
In St. Florian wird eine Messe von Simon Sechter aufgeführt (***).
Zitierhinweis:
Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189212265, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189212265letzte Änderung: Mai 23, 2024, 12:12