zurück ca. Anfang Januar 1893 ID: 189301006

Besprechung der 8. Symphonie durch Richard Heuberger in der Neuen Musik-Zeitung 14 (1893) S. 6f (*)

und durch Max Dietz in der Allgemeinen Kunst-Chronik Nr. 1, 1. Jännerheft, auf S. 12/14:
"                Musikalische Chronik.
     Von Orchesterkonzerten der jüngsten Zeit haben wir zunächst das des Wiener Orchesterbundes zu erwähnen. [... Julius Zellner und J. P. Gotthard ... Orchesterverein für klassische Musik unter Grädener ...].
     Nun zu Bruckner's Achter, die gleich seiner ersten und soeben erschienenen zweiten Symphonie in C-moll geschrieben ist. Sie bildete auffallenderweise die einzige Nummer des letzten Philharmonischen Konzerts. Allerdings ist sie lange genug ausgesponnen, um den einer derartigen Produktion entsprechenden zeitichen Rahmen auszufüllen. Eine Ouvertüre hätte indes als Einleitung vorausgeschickt werden können. An die Anwesenden ward ein die Gedankentiefe des Werkes ausdeutendes Programm vertheilt, das an Schwulst und Unsinn das Unüberbietbare leistete. Wir gehen der Versuchung, uns darüber lustig zu machen, aus dem Wege und lassen das Unaussprechliche besagen Wollende unbesprochen. Die Symphonie selbst hat einen unbestrittenen Erfolg errungen. Sie strömt von schönen, gehaltreichen und eindrucksvollen Motiven über, die zumeist schwunghaft durchgeführt sind, wohingegen andere Stellen ein mühsames Flickwerk aufweisen. Letzteres ist namentlich im Finale der Fall, das trotz des herrlichen Anfangsthemas, das die schönsten Hoffnungen rege macht, mangels fester Geschlossenheit im Sande verrinnt. Nach den drei vorangegangenen Sätzen eine arge Enttäuschung. Diesen fehlt wenig zur Vollkommenheit, am wenigsten den mittleren. Im Allegro moderato ist das großempfundene Hauptmotiv interessant behandelt, das Adagio labt durch entzückend schöne Eingebung, kernfrisch und genial ist das Scherzo erfunden, der "Deutsche Michel", wie es der Komponist getauft, voll rascher Regsamkeit und mit fortreißendem, rhythmischem Fluss. Diese Sätze sind in der That sehr beachtenswert. Dieselben zählen nicht nur zu dem Besten, was der hochbegabte Tondichter geschrieben, sondern auch zu den hervorragendsten symphonischen Sätzen der neuesten Zeit. Sie werden auch außerhalb Wiens den Erfolg des großgedachten Werkes sichern.
     Am Christtage hörten wir in der Hernalser Redemptoristenkirche Liszt's Graner Festmesse in einer von Dr. Otto Müller sehr geschickt ausgeführten Bearbeitung für Orgel. [...].     Dr. Max Dietz." (**).

Bruckner trifft Brahms im Gasthaus »Igel« und fragt ihn nach seiner Meinung über die 8. Symphonie (***).
Bei anderer Gelegenheit soll Brahms aber, laut Mitteilung Theodor Hämmerles, zu Dr. Steger - nach der 8. Symphonie? - geäußert haben, Bruckner sei doch ein großes Genie (°).

[nach dem 18.12.1892, vor dem 9.1.1893] Brief Nicodés an Bruckner: Hat von der 8. Symphonie gelesen und bittet, das Aufführungsmaterial nach Dresden zu senden (°°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189301006, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189301006
letzte Änderung: Jul 27, 2023, 11:11