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Besprechungen der 8. Symphonie
 
durch Eusebius Mandyczewski in der Deutschen Kunst- und Musikzeitung XX Nr. 1 (1893) S. 3:
"          Das vierte philharmonische Concert hatte ein ganz eigenartiges Programm, ein Programm, wie es wohl noch bei keinem philharmonischen Concerte vorgekommen ist: es wurde nur eine Nummer aufgeführt und zwar die achte Symphonie von Anton Bruckner. Diese Ausnahme mag in zwei Dingen ihre Begründung gehabt haben, nämlich darin, daß die Symphonie über fünf Viertelstunden dauert, und darin, daß Seine Majestät der Kaiser, dem das Werk gewidmet ist, sein Erscheinen bei der Aufführung zugesagt hatte. Das erstere ist eingetroffen, trotz zweier Striche im letzten Satze; die Hoffnung für das Letztere ist aber unerfüllt geblieben. Die Aufführung war wieder ein Triumph für Bruckner. Sie war eine Prachtleistung unseres Orchesters, und jeder Satz wurde mit endlosem Beifall aufgenommen. Von Enthusiasmus und Lorbeerkränzen fast erdrückt, konnte sich der Componist nach dem letzten Satze kaum entfernen. Ihrem Inhalte nach ist die Symphonie nicht viel anders als ihre bereits bekannten Schwestern. Blendend, aber hohl und zusammenhanglos. Unter allen Symphonien Bruckner's hat die siebente (in E-dur) bisher den weitesten Weg gemacht. Se wurde nicht nur in Wien, sondern auch in anderen Städten aufgeführt, aber nach einem Jahre allerwärts bei Seite gelegt. Und an Farbenpracht kommt ihr die achte (in C-moII) nicht gleich. Wie wird es dieser nun ergehen? Ueber Werke, die zunächst einander so widersprechende Beurtheilungen erfahren, wie die Symphonien von Bruckner, spricht doch erst die allmächtige Zeit das einzig objective Urtheil.            E. Mandyczewski." (*)
 
und Max Graf in der Musikalischen Rundschau 8 (1893) Nr. 1, S. 3f [einige Wörter mussten wegen unvollständiger Vorlage ergänzt werden]:
"Anton Bruckner's achte Symphonie (C-moll).
[(???] Aufführung in den Philharmonischen Concerten den 18. December 1882). [sic]
      ". . .  Gott bewahre! Es ist nicht mehr von Klar[heit] und Deutlichkeit, Haltung der Leidenschaft, wie [die] alten Künstler Gluck, Händel, Mozart [wähn]ten, die Rede. Nein, hört das Recept der neuesten Symphonie, das ich soeben von Wien erhalte, und [urthe]ilt darnach: Erstens, ein langsames Tempo, voll [kurzer] abgerissener Ideen, wo ja keine mit der anderen [Zusa]mmenhang haben darf! Alle Viertelstunden drei [oder] vier Noten! – Das spannt! Dann ein dumpfer [Pauk]enwirbel und mysteriöse Bratschensätze, dann [Alles] mit der nöthigen Portion Generalpausen und [Halte] geschmückt; endlich nachdem der Zuhörer vor [laute]r Spannung auf das Allegro Verzicht gethan, ein [wüth]endes  Tempo, in welchem aber hauptsächlich dafür [gesor]gt sein muss, dass kein Hauptgedanke hervortritt, [und] dem Zuhörer desto mehr zu suchen übrig bleibt; [Ueber]gänge von einem Ton in den andren dürfen [nicht] fehlen; man braucht sich aber deswegen nicht [zu ge]niren, man braucht z. B. wie Pär [Paer] in der "Leonore" [nur e]inen Lauf durch die halben Töne zu machen und [auf d]em Tone, in dem man es nur will, stehen zu [bleib]en, so ist die Modulation fertig. Ueberhaupt ver[meid]e man alles Geregelte, denn die Regel fesselt nur [das] Genie . .  .
     Diese Worte standen nicht in unseren hervor[ragen]dsten Wiener Blättern, stammen auch nicht aus [der F]eder des "Führers der Wiener Kritik", beziehen [sich] auch nicht – wie wohl die meisten Leser glauben [dürf?]ten – auf eine Symphonie Anton Bruckner's, [sonde]rn sind in einem Stuttgarter Blatte zu lesen, [stamm]en aus der Feder Carl Maria von Weber's und [bezie]hen sich – auf Beethoven's vierte Sym[pho]nie. Dieses Meisterwerk von symphonischer[???]eit, Präcision und musikalischer Logik erschien [dem] genialen Tondichter als regelloses, aller zwingenden [???] bares Werk, das die Traditionen der Mozart['schen] Symphonien frech über den Haufen zu werfen [droh?]e. Gewaltiger, als es uns heute scheint, war damals [der] Abstand, den das classiche Beethoven'sche Werk [von] dem Mozart'schen trennte, dass es nicht als Erbe [der] Mozart'schen Symphonie, sondern als grellster Con[trast] und Gegensatz derselben erschien. Hanslick hätte [den] Styl der Beethoven'schen Symphonie wahrschein[lich] consequenterweise "Katzenjammermusikstyl der [Zukun]ft genannt, wenn er in jener Zeit gelebt hätte. Als etwas Neues erschien in jener Zeit Beet[oven]'s vierte Symphonie, und Weber mass sie nach [alten?] hergebrachten Formeln – nach Mozart, wie er [selbst?] sagt. Weil das neue Werk nach der alten Elle [nur?] gemessen werden konnte, fand man es jedes [Werte?Sinne?]s bar, weil die einfachen logischen Schlussformen der Mozart'schen Symphonien nicht für die complicirten Syllogismen der Beethoven'schen Gedanken reichten, fand man es jeder Logik fremd – just wie heute die Symphonien Bruckner's mit Mozart'schem und Beethoven'schem Masse gemessen.
     Man sollte jetzt endlich doch einmal das Credo der modernen Philosophie, dass die Natur an die Stelle einfacher Organismen immer complicirtere setzt, schon soweit in Fleisch und Blut aufgenommen haben, um es auch auf geistige Entwicklungen anzuwenden. [... Gluck, Mozart, Weber, Wagner in der Oper ...]. Wie in der Oper so in der Symphonie! Von Haydn zu Mozart, von Mozart zu Beethoven, von Beethoven zu Bruckner immer steigen complicirtere Gebilde auf und beurtheilt man den Nachfolger nach dem Vorgänger, so findet man kein Mass. Es sind incommensurable Grössen, mit welchen man rechnet, um [sic! recte und?] wer mit kleineren Massen Riesenhaftes misst, der gleicht mir immer dem Prokrustes, der denen, welche das Mass seines Bettes überragten, einige Glieder abhieb. Wir haben in den letzten Tagen ein solches Beispiel gesehen.
     Wie also messen?
          "Wollt ihr nach Regeln messen
          Was nicht nach eurer Regeln Lauf,
          Der eig'nen Spur vergessen
          Sucht davon erst die Regeln auf."
     Hierin liegt die Lösung. Das ist das Wesen einer modernen Aesthetik, Werke aus dem Wesen des Componisten selbst zu begreifen, in ihm liegt das Maass seines Werkes, aus ihm wird es auch am unträglichsten [sic] gewonnen. Die Individualität des Componisten ist das Mass seines Werkes und nicht die Individualität seiner Vorgänger.
     Unlogisch nennt man die Gedankenfolge der Bruckner'schen Werke. Unlogisch? Im steten Kampf mit der umgebenden tauben Welt aufgewachsen, um jeden Schritt Lebens ringend, hat sich Bruckner nicht jene Sammlung, jene Concentration erringen können, welche nur ein beschauliches, friedliches Leben gewährt, nicht jene akademische Glätte gewinnen können, die etwa der glücklichere Meister Brahms im ruhigen Laufe seines Lebens gewann. Und jene, welche am meisten gegen Bruckner's Grösse hämisch ankämpften, ihm den Weg versperrten und ihn zum Kampfe zwangen, wagen ihm das vorzuwerfen, woran sie selbst schuld sind. Heuchler und Pharisäer!
     In fortwährendem Kampfe aufgewachsen, hat Bruckner alle Frische der Jugend bewahrt. Während Meister Brahms immer mehr in den glatten Formen greisenhaft erstarrt, hat sich Bruckner alle Schlagkraft der Jugend bewahrt, seine derbe Naturkraft, die rücksichtslos und elementar alle Schranken durchbricht. Thema nach Thema, Einfall nach Einfall sprudeln aus seiner Phantasie, und wenn Bruckner die Fülle der überströmenden Gedanken nicht zu ordnen vermag, dann nennt man seinen Gedankengang unlogisch.
     Ein glänzendes Denkmal deutscher Kunst, steht das riesenhafte Werk vor uns. Im ersten Satze: tiefste Tragik, im zweiten: wohllaute Fröhlichkeit, im dritten: religiöse Empfindung, im vierten: tosender Siegesjubel – alle Empfindungen des menschlichen Herzens regt es auf und führt vom quälendsten Erdenweh zur himmelerhebenden Verklärung. Der erste und dritte Satz sind im Schlusse parallelistisch gegliedert; beide streben in den Schlusstakten in mächtiger, weitgreifender Durchführung bis zu einem dissonierenden Höhepunkte auf, um dann sanft abzufallen und die zersplitterten Hauptthemen ruhig austönen zu lassen – die Gipfelpunkte der Tragik. Mit ihnen contrastirt die gemüthvolle Heiterkeit des zweiten und der festliche Jubel des vierten Satzes. Den zweiten Satz hat Bruckner den "deutschen Michel" genannt. Ihn charakterisirt im Haupttheile eine breitspurig dahintappende Melodie C-moll ¾), über welche rasch dahinfliessende Violingruppen munter übergleiten. Im Trio erklingt zuerst eine sinnende, elegische Weise ("Der Michel träumt ins Land hinaus"), nach welcher es mit einigen Harfenaccorden wie Frühlingswehen ins Werk rauscht. Welch eigenartiger Eddect! und so ganz neu in der Form, wie ihn Bruckner benützt. Breite Bläseraccorde heben den Grundton, in anmuthiger Figuration erklingt darüber die Harfe, deren Thema Thema vonder Violin im Wechsel übernommen wird. Auch im Adagio geben Harfenklänge – zum ersten Male in einer Symphonie – dem Tonstück weihevolles Gepräge. Wie ein begeisterter Hymnus, eine Gebetrhapsodie, die auf den Fittichen einer starken religiösen Erhebung aufwärts strebt, klingt das Adagio der achten Symphonie. Viermal hebt das breite Hauptthema des ersten Satzes in verschiedener Form seinen seelenvollen Gesang an, gefolgt von einer Fülle der herrlichsten Seitenmotive. Und wie erschütternd wirkt nach dem weihevollen Aufschwunge des Chorales jener obenerwähnte tragische Schluss, der uns aus dem Frieden der himmlischen Höhen in die Qualen der Erde zurückschleudert. Die freudenvolle Erhebung folgt im vierten Satze. Gleich mit dem ersten Thema erschallen fröhliche Einzugsfanfaren. Der weitere Inhalt ist zwischen religiöser Andacht (ein choralartiges Thema) und freudiger Festesstimmung getheilt. Eine Fülle von herrlichen Motiven entwickelt das Bild friedensvoller Thätigkeit, das in einem Kolossalabschlusse seine triumphale Krönung findet. Das Hauptmotiv des ersten Satzes – das gleich in dem Secundenzusammenstoss des Grundtones f und des Motivansatzes f-ges den tragischen Kern des ganzen Satzes birgt – das Adagiothema und der "Deutsche Michel" (in Vergrösserung) werden übereinandergestürzt und erscheinen in diesem dreifachen Bau als imposanter Schlussstein des Werkes. Staunend standen wir vor diesem schwindelnden Baue, überwältigt durch die Geniekraft des greisen Meisters und stolz auf die Grösse unserer Zeit, welche ein solches Kunstwerk schaffen konnte.
     In einer Stunde reinster Empfindung, wie sie einem im Tagesgewühle stehenden Kritiker selten kommt, als ehrlicher Kunstfreund, der das Werk ganz unmittelbar auf sich wirken lässt, habe ich diese Zeilen niedergeschrieben: statt einer partiturgemässen Analyse der Technik des Bruckner'schen Werkes – welche für die nächste Nummer aufgespart bleibt – ist diesmal nur in grossen Zügen das allgemeine Charakteristische herausgehoben. Nicht wie das Werk sich der kritisirenden Reflexion, sondern dem musikalischen Empfinden darstellt, habe ich hier aufgezeichnet: ist ja doch nur der Eindruck auf das Empfinden das Primäre, Ursprüngliche und Untrügliche, was sich durch kalte Reflexion herauslesen lässt, das Secundäre der Donner nach dem Blitze. Ein empfindungsarmer Kritiker, der Musik nur als Formen-, d. h. Verstandessspiel auffasst, hat zu donnern versucht, ohne dass es blitzte. Das kann nicht einmal Gott, höchstens ein – Theatergott.
             Max Graf." (**a).
 
     Auf S. 12 teilt die Musikalische Rundschau zudem mit, daß bei Doblinger der 150. Psalm und die 2. Symphonie erschienen sind (Inserat wie am 15.11.1892):
"Novitäten von Anton Bruckner.
Der 150. Psalm, Clavierauszug mit Text arr. von C. Hynais netto fl. 2.40, Singstimmen fl. 1.20; Partitur netto fl. 6.–, Orchesterstimmen netto fl. 6.–.
Zweite Symphonie C-moll. Clavierauszug zn [sic] vier Händen arr. von Josef Schalk fl. 7.20, Orchesterpartitur netto fl. 18.–, Orchesterstimmen netto fl. 18.–.
Grosse in allen Fächern der Musik reich assortirte MUSIKALIEN-LEIH-ANSTALT. [...]
LUDWIG DOBLINGER (Bernhard Herzmansky) [...]." (**b).
 
Von der Aufführung der 8. Symphonie am 18.12.1892 berichtet, die Wiener Abendpost zitierend, auch die Linzer Zeitung auf S. 3:
„     * (Bruckners achte Symphonie.) Ueber die Aufführung dieses Tonwerkes lesen wir in der „Wiener Abendpost“ [30.12.1892]: „Es ist eine nicht wegzuleugnende Erscheinung, daß die noch nicht gereiften, aber frischen geistigen Organe des heranwachsenden Geschlechtes das wahrhaft Neue einer Erscheinung sicherer zu erfassen vermögen als das sicher fühlende Urtheil des gereiften „Kenners“, welcher zunächst nur diejenigen Elemente herausfühlt und hört, welche den Zusammenhang dieser Erscheinung mit früheren verwandten und ihm wohlvertrauten bestätigen. Gegen die Thatsache, daß die Hervorbringungen gewisser Individualitäten in den Herzen der Jugend einen besonders lauten Wiederhall [sic] finden und deren Empfindung besonders lebhaft berühren, gibt es keine wirksame Appellation. So konnte es geschehen, daß die Philharmoniker, ohne auf eine beachtenswerthe Opposition zu stoßen, unter lebhafter Spannung der Zuhörer eine Symphonie von Bruckner als einzige Nummer auf das Programm setzen konnten. Bruckner ist auch durchaus der Mann, der es verdient, einmal allein zu Wort zu kommen. Seine Vergangenheit als Componist bietet die Gewähr, dass er bei einer bedeutenden Gelegenheit auch etwas Außergewöhnliches werde zu sagen haben. Bruckners C-moll-Symphonie ist ein Werk der Vollreife einer Individualität, aber kein Alterswerk. Weit klarer noch als so manche seiner vorhergegangenen Symphonien, befreit von den intermittierenden Pulsschlägen, welche den vollen Genuß manches Satzes aus seinen früheren Symphonien gefährden, in allen Theilen auf machtvollen oder süß in die Seele sich singenden Themen aufgebaut, ist Bruckners Werk der Ausdruck einer starken musikalischen Individualität, einer scharf profilierten, sich von allen Vorgängern und Mitstrebenden abhebenden Erscheinung. Bruckners Melodik nicht als eine ihm völlig eigene, in ihrem Kerne nur aus seiner Individualität geschöpfte anzuerkennen, wird künftighin nicht mehr möglich sein. Zu viele sind schon von ihrem Geiste, von der ihr entströmenden Empfindungswelt berührt und haben sie als ein Unverlierbares in sich aufgenommen. Das Singen und Weben der Mittelstimmen, deren ausschweifendste Combinationen noch immer von Phantasie und echt musikalischem Geiste erfüllt sind, ein Orchestercolorit, welches in sicherer Vertheilung das Ganze in Glanz und erwärmendem Wohllaut erklingen läßt, vollenden den Eindruck einer aus dem Vollen schöpfenden musikalischen Natur. Wir wären in Verlegenheit, einem der drei Sätze, welche dem Finale vorangehen, den Vorzug einzuräumen.
     Auf die völlig neue, durch keine Beschreibung auch nur anzudeutende Eigenthümlichkeit der Stimmung des ersten Satzes in C-moll möchten wir doch besonders hinweisen. Ein edles Pathos durchdringt dieses vollendet formschöne Gebilde, markig und herzbewegend erklingt die Klage einer großen Seele. Aber um die kräftigen Grundformen dieses Satzes wie der folgenden schlingen sich jene weichen Schleier, welche, das Herbste verhüllend, sich über alle Gebilde echt süddeutscher Künstler ausbreiten. Wir haben umsomehr Grund, in Bruckner einen echt österreichischen Tondichter zu feiern, als sich in ihm nur das Vornehmste seines Stammes verkörpert und er in seinem künstlerischen Thun und Empfinden völlig frei ist von verfälschenden Zusätzen eines banalen Autochthonenthums. Ahnenreich treten uns seine Tongestalten entgegen, und trotz seiner modernen Ausdrucksweise will uns die Empfindung einer geheimen Continuität mit den Gestalten aus der fernsten Vergangenheit der Donau=Gegend nicht verlassen. Bei der letzten Aufführung der Philharmoniker stellte sich der intimste Contact zwischen dem Componisten und dem Publicum her. Nicht mehr befremdend wie ehemals wirkte die Tonwelt Bruckners auf die Hörer, welche dem Künstler jenes Maß von Vertrauen und Eingehen auf seine Eigenart willig entgegenbrachten, ohne welche ein bestimmender Eindruck nicht hervorgebracht werden kann. Schwer und leicht zugleich machten es die Philharmoniker dem Publicum, solches Vertrauen zu fassen. Schwer durch die Vertheilung eines Programmes, in welchem mit den morschen Knochen abstracter, möglichst leerer Begriffe in wenig einladender Weise geklappert wurde, leicht durch eine Aufführung, welche durch das mächtige Erfassen der großen Intentionen des Componisten, durch liebevolles und verdeutlichendes Eingehen auf die zahllosen Details und durch zauberhaften Wohllaut des Klanges zugleich einen Ehrentag unseres unübertroffenen Hans Richter bedeutet.“ “ [keine Signatur] (***).
 
Eine Kritik zum selben Konzert erscheint auch in der "Lyra" XVI, Nr. 7 (426), auf S. 2 [= S. 60]:
"               Wiener Concerte.
    Die Aufführung des Requiems von Verdi, welches die Gesellschaft der Musikfreunde im 1. außerordentlichen Concerte brachte, hat nennenswerthe Opfer gekostet. Es wurden um viel Geld vier italienische Gesangskräfte herangezogen [... gut war nur der Bassist ...]. [...] Im 4. philharmonischen Concerte wurde ausschließlich Bruckners C-moll Symphonie zu Gehör gebracht. Man hatte dem neuen Werke mit begreiflicher Spannung entgegengesehen und demselben eine sehr ehrenvolle Aufnahme bereitet, wie es ein so großes, ernstes Werk unter allen Umständen verdient, selbst wenn zahlreiche Einzelheiten oder der Bau des großartig gearbeiteten Schlußsatzes beim ersten Hören nicht genug gewürdigt werden konnten. Zu einer Bruckner'schen Symphonie sollte man eigentlich immer durch das Studium der Partitur oder des Clavierauszuges vorbereitet kommen, man hätte dann einen ungleich höheren Genuß, der beim ersten hören [sic] des Werkes durch die allzugroßen Anforderungen eines solchen an die Aufnahmsfähigkeit einigermaßen getrübt wird. Namentlich betrifft dies, wie in früheren Werken, die letzten Sätze, deren Entwicklung zufolge [recte: zu folgen], selbst für den gebildeten Musiker keine leichte Aufgabe ist. Wir verzichten darauf, das neue Werk Bruckners eingehend zu zergliedern, weil wir dies grundsätzlich für eine Arbeit halten, welche dem, der das Werk nicht kennt, gleichwohl keinen Begriff von demselben beibringt, und für den, der das Werk gehört hat, theils überflüssig, theils nutzlos ist. Am vollsten hat das Scherzo befriedigt, jener Satz, in welchem die knappe Form den Componisten so zu sagen von selbst vor Ausscheidungen [sic] bewahrt, das Adagio weißt [sic] großartige Gedanken auf, spinnt sich aber in allzugroße Länge aus. Der erste Satz ist von diesem Fehler frei und nicht schwer verständlich, nicht so der letzte, dessen contrapunktische Wunder ein eingehenderes Studium dringend fordern. Das häufige Hinüberziehen Wagner'scher Phrasen und Steigungen [sic] aus den Nibelungen (die im Theater alle wohlbegründet sind), in die Symphonie erschien uns in diesem Werk, welches übrigens nahezu das vollständige Nibelungen=Orchester erfordert, störender als in mancher früheren Symphonie Bruckners; doch sind die Sätze einheitlicher und fließender, als je in einer Symphonie des greisen Meisters des Contrapunktes. Alles in Allem ist der Gesammteindruck der Symphonie ein solcher, daß man weiß, einem bedeutenden Werke gegenüber zu stehen, wenngleich man in die Einzelheiten nicht sofort einzudringen vermag. Wir freuen uns des bedeutenden neuen Erfolges Bruckners und beglückwünschen den Meister zu demselben auf das Herzlichste." [keine Signatur - der nächste Bericht "Wiener Concerte" am 1.2.1893 ist signiert "C. S." (Carl Schön)] (°).
 
»Das Vaterland« bringt auf S. 1f »Musikalische Neujahrsbetrachtungen« (signiert »-n.«), in denen die Aufführung der 8. Symphonie als größtes Konzertereignis des Jahres 1892 bezeichnet wird (°°).
 
Besprechung der 3. Symphonie [am 21.12.1892 in Den Haag] in der Caecilia” 50, Nr. 1, auf S. 1: "KRONIEK. CONCERTEN. Uit 's Gravenhage: [...]     „Het tweede Diligentia-concert werd geopend met Anton Bruckner's 3de Symphonie, een werk, dat hier thans voor den derden keer werd uitgevoerd, telkens wel is waar met groote tusschenruimten, maar ook iederen keer zonder den bijval van de meerderheid der concertbezoekers te verwerven. Men vindt er te weinig éénheid in en zou liever een der overige symphonieën van denzelfden toonzetter hooren, — naar wij meenen, heeft hij er acht geschreven.     Na de Symphonie liet zich mej. Elsie A. Lincoln uit Denver hooren, [... über die anderen Werke ...]." [keine Signatur] (°°°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189301015, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189301015
letzte Änderung: Dez 16, 2023, 8:08