zurück 27.3.1893, Montag ID: 189303275

Brief von Johann Evangelist Aichinger an Bruckner:
     Freut sich auf Bruckners Ankunft am 1.4.1893, mit der laut Franz Bayer gegen Mittag zu rechnen sei. Schwester Marie werde ein Mittagessen nach Bruckners Geschmack zubereiten (*).

Max Graf bespricht in der Extrapost Nr. 584 (Wiener Montags-Journal) auf S. 3f die Aufführung der f-Moll-Messe [am 23.3.1893]:
"    Messe in F-moll von Anton Bruckner.
(Erste Aufführung den 23. März 1892 [sic] im Concerte des akademischen Wagner-Vereines.)
     Der alte Meister wird sich nicht beklagen. In schneller Hast jagen sich in den letzten Jahren die Aufführungen Bruckner'scher Tonwerke, als ob man endlich darangehen würde, das Unrecht gut zu machen, welches Theilnahmslosigkeit und Ungerechtigkeit der stumpfen Masse und ihrer kritischen Führer an Bruckner verübt. [... Beifallsstürme sind kleiner Ersatz für die Entbehrungen ...] "Der hat gern Tingel=Tangel, der wieder Balletmädel, ich hab' halt Symphonien gern," lautete seine Parole. Nachdem das Publicum Tingel=Tangel und Balletmädel meist lieber hat als ellenlange Symphonien, so ist es kein Wunder, "wenn Bruckner so lange unmodern blieb. Jetzt ist er endlich nach langer Müh' und Noth modern" und wird es auch weiter bleiben, so lange man deutsche Meister ehrt.
     Bruckner's F-moll=Messe ist nicht für den Concertsaal geschrieben, sie gehört in die Kirche, und wenn man ihr den würdigsten Ort bestimmen wollte, wäre es das Hochstift von St. Stefan; in den weiten, von hochanragenden Säulen getragenen Bogenhallen würde der gewaltige, von Farbenpracht überströmende Bau der Bruckner'schen Messe erst seine Bedeutung gewinnen. Sie ist ein echtes Kirchenwerk, entstanden aus einer kindlich=naiven, tief religiösen Empfundung.
     Ihr Styl [... Elemente von Beethoven, Bach und Mozart, Gesangstimmen orchestral geführt ... Schilderung der einzelnen Sätze, Credo mit vielen "Einzelschönheiten"  ...]
     Die Aufführung bewies, daß Begeisterung für die Sache selbst einen kleinen Chor und ein minderwerthiges Orchester zu glänzenden Leistungen hinreißen, welche das Werk zu überwältigender Wirkung bringen. Wie selten findet sich aber auch ein Dirigent, der, wie Herr Schalk Umsicht und Temperament mit einer ungewöhnlichen Energie vereint.
     Die Aufführung der Bruckner'schen F-moll=Messe war wiederum für alle Freunde echter deutscher Kunst ein seltenes Musikfest, dessen Zustandekommen der akademische Wagnerverein zu seinen größten Leistungen zählen darf, als eine glänzende Bethätigung des Mahnwortes Wagner's: "Ehrt eure deutschen Meister."      Max Graf." (**).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189303275, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189303275
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11