Die Linzer Zeitung bemängelt auf S. 1231 in der mit "K." [vermutlich Victor Kerbler] signierten Kritik des gestrigen Konzerts des Linzer Musikvereins, daß in Linz anläßlich des 70. Geburtstags kein Werk Bruckners erklang, während Wien die f-Moll-Messe [am 4.11.1894] und [für den 21.10.1894 geplant, aber verschoben] die 7. Symphonie und das »Te deum« bringe:
„           Erstes Musikvereinsconcert.
    Die Programme vieler Concertinstitute Oesterreichs und Deutschlands geben in diesem Jahre Zeugnis, daß man sich an berufener Stelle daran erinnert , daß vor dreihundert Jahren Palestrina und Orlando Lasso aus diesem Leben geschieden sind, und daß in diesem Jahre unser Anton Bruckner – Gott sei Dank! – zwar nicht gestorben ist, aber seinen siebzigsten Geburtstag gefeiert hat. Wien hat nicht nur seine eigene Palestrina=Lasso=Feier gehabt, die allerdings traurig genug ausgefallen ist, und auch die Gesellschaft der Musikfreunde rüstet sich, hervorragende Werke beider Meister zur Aufführung zu bringen, während Bruckner im diesjährigen Concert=Repertoir mit seiner F-moll=Messe, seinem Tedeum und einer Symphonie vertreten ist. Wir zweifeln nicht daran oder, aufrichtig gestanden, wir zweifeln fast daran, daß auch unser Musikverein diesen Meistern gegenüber seine Schuldigkeit thun werde. Bei aller Hochachtung, die man diesem Vereine entgegenbringen muß, kann man ihm den Vorwurf nicht ersparen, daß er für das Actuelle, für einen etwas rascheren Pulsschlag des Musiklebens unserer Stadt nicht immer volles Verständnis besitzt.
     Es darf allerdings auch nicht übersehen werden, [… lokale Verhältnisse (kein passender Konzertsaal) … über das gestrige Konzert … Lob,] daß Herr Schreyer bei seiner vielseitigen musikalischen Thätigkeit, beim musikalischen Handwerk nichts von jenem idealen Schwunge, von jener künstlerischen Begeisterung eingebüßt hat, die seinerzeit sofort für ihn einnahmen und die er sich, ein humanistisch gebildeter Musiker, stets zu bewahren gewußt hat.                   K.“