zurück 20.10.1895, Sonntag ID: 189510205

Hinweis auf die heutige Kirchenmusik in der Votivkirche und in St. Elisabeth
 
im Neuen Wiener Journal Nr. 714 auf S. 7: "     (Kirchenmusik.) Heute: Votivkirche, 10 Uhr: Messe in D op. 73 von Gottfried Preyer; Graduale "Locus iste" von A. Pruckner; Offertorium "Domine Deus" von F. X. Witt. – [...]" (*),
 
in der Wiener Zeitung Nr. 245 auf S. 12:
"     (Kirchenmusik.) Sonntag, den 20. d. M., um 11 Uhr Vormittags findet das feierliche Gründungsamt statt, bei welchem der Kirchenmusik=Verein St.=Elisabeth die "Dankmesse" von Preyer, "Locus iste" von Bruckner, "Domine Deus in simplicitate" von Laudorn, zur Aufführung bringt" (*a)

und in der Reichspost Nr. 242 auf S. 3: "[...] – Votivkirche um 10 Uhr Messe in D op. 73 von Gottfried Preyer, Graduale (Locus iste) von A. Pruckner, Offertorium (Domine Deus) von F. X. Witt. – [...]" (*b).

Aufführung der Messe in D op. 73 von Preyer, des »Locus iste« als Graduale und des Offertoriums »Domine Deus« von F. X. Witt um 10 Uhr in der Votivkirche (**).

Aufführung der Dankmesse von Preyer, des »Locus iste« als Graduale und – als Offertorium – des »Domine Deus in simplicitate« von Laudorn beim Gründungsamt des Musikvereins St. Elisabeth (**a).
 

Artikel Theodor Helms anläßlich der geplanten Aufführung der 4. Symphonie am 5.1.1896 in der Neuen musikalischen Presse Nr. 42 auf S. 2f:
"  Bruckner's "Romantische Symphonie"
          
     von Theodor Helm..
  
   Bruckner's "Romantische Symphonie" (Nr. 4, Es-dur) ist bisher in Wien dreimal zur öffentlichen Orchester-Aufführung gekommen. Zuerst in einem Concerte zum Besten der deutschen Schulvereines am 20. Februar 1881, dann in einer "Musik-Aufführung"  des akademischen Wagner-Vereines am 22. Jänner 1888 – bei diesen beiden Aufführungen war das Orchester das philharmonsiche und Dirigent Hans Richter. Das drittemal hörte man das hochbedeutende Werk wieder in einer Musik-Aufführung des Wagner-Vereines während der Wiener Musik- und Theater-Ausstellung von dem Populär-Orchester der letzteren gespielt am 15. Juni 1892, Dirigent war hier Prof. J. Schalk. In das Programm der philharmonischen Concerte selbst gelangt die "Romantische Symphonie" erst heuer, d. h. in der demnächst beginnenden Saison, und aus diesem Grunde dürfte wohl so mancher unserer Leser die nachstehende eingehendere Darstellung willkommen heissen. Dass übrigens unsere Philharmoniker so lange mit der Aufnahme der vielleicht formvollendetsten und überzeugendsten aller Bruckner'schen Symphonien in ihr eigenes Concert-Repertoire zögerten, bietet nur einen neuen Beleg für den so häufig beklagten "verspäteten Charakter" des Wiener Kunstlebens. Hatten doch die Herren, als sie unter Richter's Leitung die "Romantische Symphonie" in den oben erwähnten, von anderer Seite veranstalteten Concerten spielten, sich von deren unmittelbar zündender Wirkungskraft gegenüber dem Publicum überzeugen können. Und überdies bedeutete jede der zahlreichen auswärtigen Aufführungen einen ganzen Erfolg für das Werk und seinen genialen Schöpfer.
     Besonderen Enthusiasmus erregte die Symphonie bekanntlich Mitte December 1890 in München. Der Dichter Paul Heyse fand sich damals gedrängt, seiner Begeisterung in einem persönlichen, viel besprochenen Dankschreiben an Bruckner Ausdruck zu geben.
     Einer gleichfalls sehr beifälligen Erstaufführung in Graz – am 1. Februar 1891 – wohnte Schreiber Dieses selbst bei, er war nämlich damals von der Redaction der "Tagespost" eigens nach der Murstadt zur Beurtheilung der verschiedenen Probedirigenten eingeladen worden, welche sich um die Nachfolge Dr. Kienzl's als Capellmeister des steiermärkischen Musikvereines bewarben. Die in Rede stehende Aufführung von 1891 dirigirte Prof. J. Schalk aus Wien, und zwar ganz vorzüglich. Um das mit der Symphonie noch nicht vertraute Publicum ein wenig in deren romantischen Geist einzuführen, hatte er überdies auf dem Programmzettel folgende "Erklärung" abdrucken lassen: "Der Hauptcharakter dieses Werkes ist der zarter Feierlichkeit. Mag er sich in Stimmungen offenbaren, die mehr der grossen äusseren Natur abgelauscht erscheinen, wie im ersten und dritten Satze, oder in solchen, die unmittelbarer Ausdruck inneren Seelenlebens sind, wie zumeist im Andante und Finale, er verkörpert das Bewusstwerden einer reinen Idealität und ihrer Uebereinstimmung mit dem Unendlichen, Ewigen, das hinter den Erscheinungen waltet. In diesem Innewerden aber wurzelt das Grundgefühl der Romantik. Ganz unwillkürlich drängte sich dem Autor daher die Bezeichnung "Romantische Symphonie" für das, was er in diesem Werke ausgesprochen, auf. Ein bewegtes Erstaunen, wie es wohl an der Grenze des Jünglings- und Mannesalters auftreten mag, in dem sich letzte kindliche Reinheit und Unschuld mit dem vorausschauenden Ernste des Alters zu wundervollem Einklange verbinden – der für [ab hier die Kopie am linken Rand der ersten Zeilen unvollständig] [...] Augenblick eintretende Scheidepunkt zweier getrennter [...]ilder – gibt sich in der ganzen Ergriffebheit des rechten [...]ntes kund. Harmlose Heiterkeit findet nur kurzen Spiel[...] [...] tobendes Kraftgefühl beuget sich bald stilleren hohen [...]t, die uns überfällt, wenn wir der Lösung ewiger Räthsel [...]end entgegenlauschen. Hier sei nur besonders auf den [...]nigheilige Herzenssehnsucht athmenden, schierunendlichen [...]ng der Bratsche im Andante hingewiesen. Der eigent[liche] Höhepunkt des Werkes aber liegt in der Schlussperiode [des] Finales. Sie erhebt sich in feierlicher Ruhe über jedes Erdensehnen empor. Mit einer Regung alles Wehes, aller Wonnen gedenkend, nicht entsagend, nur von einem leisen Hauch der Klage durchweht, schwebt ihr ruhiger Gesang dem neuen, ewigen Tage entgegen, dessen herbes, reinstes Licht keines Abends Dämmern je mehr befürchtet."
     Man sieht, Herr Schalk hat sich bei dieser Exegese kürzer gefasst und im Ganzen etwas weniger überschwänglich ausgedrückt, als so häufig anderen Bruckner'schen Schöpfungen gegenüber. Was er über den Gesammtcharakter des Werkes sagt, was er ferner an Einzelnheiten aus dem Andante und Finale hervorhebt, dem würde ich sogar ohneweiters beistimmen. Stark subjectiv gefärbt und darum gewagt bleibt seine Auslegung freilich noch immer. Namentlich wo sie das romantische Wesen des Werkes zu erklären sucht. Man könnte dieses wohl auch anders auffassen. Man könnte z. B. einen persönlichen Helden der Symphonie annehmen, der im ersten Satz sich selbst, die verschiedenen Seiten seiner naiv-kraftvollen Natur ausspricht, im Andante einem Zug  frommer Pilger, im dritten Satze einer einer fröhlichen Jagd und einem germüthlichen Bauerntanze begegnet, im Finale endlich den Kampf mit dem Schicksal auszukämpfen hat, aber auch selige Tröstungen empfängt, um ganz zuletzt, sich noch imTode tragisch erhaben aufrichtend, von dieser Erde zu scheiden.
     Selbstverständlich ist mit Vorstehendem durchaus kein den Hörer beeinflussen wollendes "Programm" im Sinne Berlioz' und Liszt's gemeint, sondern wieder nur rein subjectives Empfinden ausgesprochen. In dem freien Spielraum, welcher der empfindenden Phantasie das Anhören wahrhaft bedeutender Instrumentalwerke gewährt, liegt ja nicht zuletzt deren poetischer Zauber.
     Vorerwähnte Grazer-Aufführung der "Romantischen Symphonie" gab übrigens auch noch Anlass zu einer kleinen chronologischen Richtigstellung. Auf dem Concertzettel hatte nämlich Prof. Schalk als Entstehungszeit des Werkes die Jahre 1878–79 angegeben. Damit konnte nur die Zeit der Vollendung der Composition gemeint sein. In der Hauptsache war die Partitur schon früher fertig. Denn wie wir in der Biographie Johann Herbeck's (von seinem Sohne Ludwig) lesen, hatte Bruckner noch mit Ersterem die "Romantische Symphonie" kurz vor Herbeck's Tode († 28. October 1877) durchgespielt und der liebenswürdige Gönner Bruckner's, tief ergriffen von den Schönheiten des Werkes, wörtlich bemerkt: " Das könnte Schubert geschrieben haben; wer so etwas schaffen kann, vor dem muss man Respect haben." In der That offenbart kaum eine andere grössere Composition Bruckner's so überraschend und anheimelnd die geistige Verwandtschaft der beiden genialen süddeutschen Tondichter, als gerade die "Romantische Symphonie["]; die reizende Ländlerweise des Mittelsatzes des Jagdstückes, z. B. (hier die Stelle des herkömmlichen Scherzo's vertretend), könnte ohne weiters von Schubert selbst sein, obwohl nicht die Spur einer bewussten Reminiscenz nachzuweisen [ist]. Bevor wir nun zur eigentlichen Analyse der Symphonie übergehen, möchte ich dringend das Studium der Partitur und besonders den von Ferd. Löwe verfassten, ganz vortrefflichen vierhändigen Clavierauszug (beides in J. Gutmann's Verlage hier erschienen), empfehlen. Wer über die erforderliche (mässige) Fingergewandtheit und Fertigkeit im Notenlesen verfügend, genannten Clavierauszug mit einem verstehenden musikalischen Freunde wiederholt aufmerksam durchnimmt, wird von der nachfolgenden wirklichen Orchesteraufführung den doppelten, ja dreifachen Genuss haben.
     Werfen wir nun einen Blick auf die Partitur selbst, so ergibt sich folgende instrumentale Besetzung; 2 Flöten, 2 Oboën, 3 Clarinetten, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Basstuben, Pauken, Streichquartett und Contrabass. Für den letzten Satz allein ist an einer glänzend heldenhaften Stelle ein einziger schmetternder Beckenschlag aufgespart! Der wirkt aber natürlich auch geradezu electrisirend. Von da an schweigen die Becken wieder, um nur bei Beginn der von Schalk hervorgehobenen letzten erhabenen Schlussperiode noch einmal ganz leise zu ertönen; man weiss ja, welch' geheimnisvoller Klangzauer ihnen im Pianissimo verliehen ist.
                     (Fortsetzung folgt.)" [siehe 27.11.1895] (***).

     Auf S. 7 werden das Programm der Philharmonischen Konzerte [mit der 4. Symphonie am 5.1.1896] und das der Gesellschaftskonzerte mit dem 150. Psalm [recte »Te deum« am 12.1.1896] angekündigt:
"Concerte.[...]     * Die von den Mitgliedern des Hofopern-Orchesters unter der Leitung des Hofcapellmeisters Hans Richter in der bevorstehenden Saison veranstalteten Philharmonischen Concerte finden am [... Termine (u. a. "5. Jänner"), Ort, Uhrzeit ...] statt und gelangen folgende Werke zur Aufführung: [... Bach, Beethoven, Brahms ...]; Bruckner: Symphonie (romantische) Nr. 4, Es-dur (erste Aufführung in den Philharmonischen Concerten); Cherubini: [...]." (°)
"     * (Programm der Gesellschaftsconcerte für die Saison 1896/96.) Die ordentlichen Concerte finden statt am 10. November 1895, am 12. Jänner, am 9. Februar und am 8. März 1896, Mittags halb 1 Uhr, und sind ausser anderen Werken die nachstehenden zur Aufführung bestimmt: J. Brahms: Frauenchöre mit Hornbegleitung. A. Bruckner: 150. Psalm, für Soli, Chor u. Orchester (II. Aufführung). J. Massenet: [... alphabetisch bis Edgar Tinel ...]. In den ausserordentlichen Concerten kommen zur Aufführung [ ... zwei Termine ...]." (°°).

The Illustrated Buffalo Express berichtet auf S. 1 in der 4. Spalte kurz über Bruckners Lebenssituation [vgl. 8.10.1895]:
"                       Men of Note.
[...]
     The Emperor of Austria has placed a suite of rooms in the Belvedere Palace at the disposal of the aged composer Anton Bruckner, who, like most good composers, has passed his life in poverty and obscurity." (°°°).

Dieselbe Meldung erscheint auch im Los Angeles Herald Nr. 9 auf S. 18:
"                       Music and Musicians.
[...]
     The emperor of Austria has placed a suite of rooms in the Belvedere palace at the disposal of the aged composer, Anton Bruckner, who, like most good composers, has passed his life in poverty and obscurity." (#)

und im Austin American-Statesman (Texas) auf S. 9:
"                     DRAMATIC NOTES.
[...]
     The emperor of Austria has placed a suite of rooms in the Belvedere palace at the disposal of the aged composer, Anton Bruckner, who, like most good composers, has passed his life in poverty and obscurity. "(##).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189510205, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189510205
letzte Änderung: Sep 17, 2023, 13:13