zurück 24.3.1896, Dienstag ID: 189603245

Mehrere Zeitungen besprechen das gestrige Konzert mit dem »Te Deum«:

Illustriertes Wiener Extrablatt Nr. 83, signiert »k. st.« [= Königstein]:
„       Theaterzeitung.
[...]
     Das große Dank= und Wohlthätigkeitsconcert der „Glasbena Matica“.
    Es ist eine schöne Sache um die Dankbarkeit; eine noch schönere, wenn sie in so künstlerischer Form zum Ausdrucke kommt, wie in der Sängerfahrt, welche der Laibacher Musikverein „Glasbena Matica“ nach Wien unternommen hat, um sich bei den Wienern für die großherzige Hilfe in den Laibacher Schreckenstagen erkenntlich zu erweisen. [… etwa 200 Sänger, die Damen in Volkstracht ...]. Aber auch bei den Vorträgen, auch bei den Chören der „Glasbena matica“ fielen die gutgeschulten hohen, leichten Soprane und die grundgewaltigen tiefen Bässe auf und die stramme Exactheit im Zusammenwirken aller Stimmen, welche wol dem trefflichen Dirigenten Herrn M. Hubad gutgeschrieben werden muß.
     [… Volkslieder ...]
     Doch auch im Vortrage schwierigerer Compositionen, so u. A. des sechsstimmigen à capella=Madrigals „Musica noster amor“ von Jacobus Gallus, der interessanten „Frühlingsromanze“ für Soli, Chor und Orchester von dem genialen böhmischen Wagnerianer Zdenko Fibich und des Bruckner’schen „Te Deum“ bewährten die Laibacher Gäste eine nicht alltägliche Leistungsfähigkeit und ersangen sich lebhaften, bestverdienten Beifall. Das ganze Concert trug einen wohlthuend aus der Schablone fallenden Charakter und dürfte jedenfalls zur Ueberwindung gewisser nationaler Vorurtheile beitragen. Zum Mindesten hat es den Beweis erbracht, daß man auch slovenisch sehr schön singen kann.
     Dem Concerte wohnte in der Hofloge Herr Erzherzog Eugen bis zum Schlusse an.       k. st.“ (*),

Neues Wiener Journal Nr. 868 auf S. 7:
"Die Laibacher Sänger in Wien. Eines ist zweifellos sicher – die Leitung des Laibacher Musikvereines "Glasbena Matica" versteht sich auf die Kunst der Inscenirung. [... Chordamen in Tracht, "beste Gesellschaft" im Parkett (mit Lücken), Galerie überfüllt, anwesende Prominenz ... über die einzelnen Werke (Fibich mit Frl. Sevcik als Sopransolistin) ...]. Der Abschluß konnte nicht würdiger erfolgen, als durch Bruckners herrliches "Te Deum", das mit mächtiger Wirkung vorgetragen wurde. Wenn die Laibacher selbst nichts Anderes als dieses zu den tiefsten Schöpfungen unseres Altmeisters zählende Werk vorgetragen hätten, sie verdienten Dank vorab. Und er soll ihnen doppelt und dreifach zutheil werden, weil ihre Kunst der Größe der Aufgabe entsprach. Das stimmliche Material des gemischten Chores ist ein ganz vorzügliches, wenn auch die Ausgleichung und die Präcision fehlt, und wenn es auch öfters den Anschein hat, als würde das weibliche Element vorwiegen. Der Erfolg war ein großer und verdienter. Das Publicum wollte sich nicht entfernen, und wenn der Chormeister Hubad, der sich als tüchtiger Dirigent zeigte, die Situation ausgenützt hätte, wäre nach dem Concerte vielleicht noch ein Nachtragsconcert entstanden." [keine Signatur] (**)

und Robert Hirschfeld in der »Presse« Nr. 83 auf S. 6:
"Erstes Concert des Laibacher Musikvereins "Glasbena Matica".
     Ein zahlreiches Publicum war gestern im großen Musikvereinssaale versammelt, um den klingenden Dank der Laibacher entgegenzunehmen. [... Lob für Dirigent Hubad und den Chor (330 Stimmen), Text des Dank-Gedichts ... über die einzelnen Werke ...]. In die rückhaltlose Anerkennung der gediegenen Chorleistung sei auch der Dank für eine energisch befeuerte Aufführung des Bruckner'schen "Tedeum" eingeschlossen. Mitglieder des böhmischen National-Theaters in Prag und des Singvereins der Gesellschaft der Musikfreunde halfen da ersprießlich mit. Die Theilnahme der Hörerschaft und der Beifall waren überaus lebhaft. [... anwesend: Erzherzoge Ludwig Victor und Eugen, weitere Prominenz (35 Namen, darunter Dumba und Kremser) ...], viele Damen der Aristokratie, unter ihnen Baronesse Gautsch.   r. h. " (***).

Im Bericht der Neuen Freien Presse Nr. 11345 auf S. 6 "[Das erste Concert der Laibacher Sänger.]" über das gestrige Konzert werden die einzelnen Programmnummern nicht erwähnt, jedoch prominente Anwesende (Erzherzog Ludwig Victor, Erzherzog Eugen, Graf Hohenwart, die Vizepräsidenten Dr. v. Kathrein und Abrahamowicz, Abgordn. Neuber, Nikolaus Dumba, Hofrat Liharzik, Graf Lamezan, Bezirkshauptmann Dr. v. Friebeis, Gemeinderat Seiler, Magistratsrat Pohl, Eduard Kremser, kaiserl. Rat Hostnig, Chefarzt Dr. Charas) und Mitwirkende (Laschek, Kliment, Sophie Chotek, Eugenie Hofmann und Orgelvirtuose Karl Hoffmeister) (°).

Die Ostdeutsche Rundschau Nr. 83 schreibt auf S. 4 [vgl. dazu 22.3.1896]:
"               Slovenen in Wien.
     Es wird wieder stark in österreichischer Völkerverbrüderung gemacht. In der gesammten offiziösen, liberalen und klerikalen Presse wird nun täglich kräftig die Reklametrommel für den slovenischen Gesangverein gerührt, der nach Wien gekommen ist, angeblich um hier den Wienern den Dank der Laibacher für die Unterstützung der Opfer des Erdbebens abzustatten, in Wirklichkeit aber, um den lieben deutschen Micheln, deren es auch noch in Wien einige geben soll, zu zeigen, was für sanfte, kunstbegeisterte, kulturell hochentwickelte Leute diese Slovenen seien [... Laibach sei nicht rein slowenisch ... Deutsche in Laibach seien bei der Spendenverteilung benachteiligt worden ... Einlullung des deutschen Nationalgefühls ... Spott über die "Wiener Verbrüderungssimpeln" ...].
      *       *       *
             Konzert der "Glasbena Matica".
      Gestern fand im Großen Musikvereinssaale das erste "Dank= und Wohlthätigkeitskonzert" der Laibacher, wie die Reklame verkündete – eines slovenischen Gesangvereines, wie es richtig heißen soll, statt. Es war die ganze slavische Kolonie von Wien aufgeboten – die deutsche Hörerschaft war, wie wir mit Genugthuung feststellen, weitaus in der Minderzahl – außerdem die nöthige Anzahl von "hohen Herren", [... Benefizzweck, Volkshymne "auch in slovenischer Sprache!" ...]. Die "Glasbena Matica", etwa vom Range unserer besseren Bezirksvereine, welche zur Erhöhung der Anziehungskraft die weiblichen Chormitglieder in slovenische Nationaltracht, die sich neben den Fracks der Herren sehr verwunderlich ausnahm, gesteckt hatte, brachte [... Volkslieder, Gallus (= Händl, ein Krainer, aber "ein guter Deutscher"), slowenische Komponisten, deren einer] den grunddeutschen Namen Anton Förster führt, ein Tonstück des tschechischen Komponisten Zdenko Fibich und – man höre und staune! – das Te Deum unseres Altmeisters Bruckner, der in diese Gesellschaft gerieth, wie Pontius in's Kredo, zur Aufführung. Das Werthvollste daran waren die Volkslieder, welche auch eine wirklich gute Wiedergabe fanden. Freilich [... Zweifel an der Volksthümlichkeit ...]. Größeren künstlerischen Aufgaben scheint der Chor, der ja, nebenbei erwähnt, seit vielen Monaten die Einstudirung sorgfältig betrieben hat, und sein Leiter, Herr Hubad, nicht gewachsen. Das merkte man schon an der übrigens ganz schrecklich nichtssagend öden "Frühlingsromanze" von Fibich. Am schlimmsten erging es jedoch unserem armen Bruckner, in dessen gewaltigen Geist die schulmeisterliche Pedantereie und Ledernheit des Leiters nicht im Geringsten einzudringen vermochte. Obwohl den Laibachern zwei Sänger des Prager tschechischen Nationaltheaters, Herr Lašek, welcher, als er noch Laschek hieß, Mitglied unserer Hofoper gewesen, und Herr Kliment, sowie zwei Mitglieder unseres Singvereines, Frl. Chotek und Frl. Hoffmann, hilfreich als Solisten beigesprungen waren, war das Werk in der stimmungslosen, langweilig verschleppten Aufführung nicht wiederzuerkennen. Zum Schlusse gab es natürlich dröhnenden Beifall, Vyborne-Rufe der Herren und Taschentücherschwenken der Damen!" [keine Signatur] (°a).

Die Wiener Abendpost Nr. 70 (Wiener Zeitung) berichtet auf S. 5: "     (Laibacher Dank=Concert.) Es war ein Moment voll ernster Weihe, als gestern den großen Musikvereinssaal die Klänge des Kaiserliedes durchbrausten: [... Lob für die Ausführenden ("Fülle und Schulung der Einzelstimmen, unfehlbare Disciplin des musikalischen Gesammtkörpers"), zu den einzelnen Werken ... ausgezeichneter Dirigent ...]. Mit Bruckners machtvoll=innigem "Te Deum" schloß das Concert so feierlich, wie es begonnen. Die Laibacher sind zu uns gekommen, um den Wienern zu danken, und jetzt haben sie sich die Wiener zu Dank verpflichtet. [... anwesende Prominenz ...]." [keine Signatur] (°b).

Auf das Konzert am 25.3.1896 mit der 2. Symphonie weisen nochmals
das Deutsche Blatt Brünn Nr. 25 auf S. 6:
"Schaubühne, Kunst und Schriftthum.
    Musikvereins=Concert.
Wir glauben unserem kunstsinnigen Publikum einen Gefallen zu erweisen, wenn wir nochmals darauf aufmerksam machen, daß das zweite diesjährige Musikvereins=Concert, welches morgen Mittwoch, den 25. März, im großen Festsaale des Deutschen Hauses nachmittags abgehalten wird, schon um 4 ½ Uhr beginnt. Ueber die bei demselben mitwirkende Violoncellovirtuosin Miss Lucy Herbert Campbell aus London herrscht allgemeines Lob. Daß Ant. Bruckner’s c-Moll Symphonie Nr. 2 von überwältigender Wirkung sein wird, können wir schon mit Sicherheit behaupten." (°°),

der Brünner Tagesbote Nr. 70 auf S. 5:
"Daß Ant. Bruckner’s C-moll-Symphonie Nr. 2 von überwältigender Wirkung sein wird, ist wohl mit Sicherheit zu erwarten.", zusätzlich auf S. 7 mit einem Inserat (°a)

und der Tagesbote aus Mähren und Schlesien Nr. 70 auf S. 7 [wie am 18.3.1896] (°°°) hin.

Hinweis auf die morgige Kirchenmusik im Deutschen Volksblatt Nr. 2595 auf S. 2 des Abendblatts:
"[...] – Der Kirchenmusikverein zum heil. Thomas in Nußdorf bringt zur Aufführung: Fünfstimmiges Tantum ergo [prov. WAB 48] von A. Bruckner, Messe von Obersteiner, Ave Maria von Arcadelt. – [...]." (a).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189603245, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189603245
letzte Änderung: Nov 29, 2023, 15:15