zurück 30.3.1896, Montag ID: 189603305

Kritik über das Konzert mit dem »Te Deum« [am 23.3.1896] in der Arbeiterzeitung Nr. 89 auf S. 3, signiert "S." [vermutlich Josef Scheu]:
"     Konzerte. Zwei Komponisten von Weltruf, der Norweger Edvard Grieg und der Tscheche Anton Dvorak [...] sind in Wien erschienen und an zwei aufeinanderfolgenden Abenden im großen Musikvereinssaale vor das außerordentlich zahlreich erschienene Publikum getreten. [... Griegs Konzert ...].
     Anton Dvorak trat in dem zweiten Konzert des Laibacher gemischten Chorvereins Glasbena Matica auf. Sein erstes Konzert hatte der genannte slovenische Verein, der, wie es hieß, um den Dank der Krainer für die nach dem vorjährigen Erdbeben von Wien aus geleistete Hilfe zu überbringen, hiehergekommen war, zwei Tage vorher gegeben. Der unter der Leitung des Konzertdirektors M. Hubad stehende, mit frischen, klangvollen Stimmen reich versehene Chor hatte mit dem sehr fein (für Volkslieder beinahe zu fein) ausgearbeiteten Vortrag slovenischer Volkslieder und einiger größerer Kompositionen slavischer Komponisten Proben erstaunlicher Leistungsfähigkeit abgelegt und verstieg sich sogar bis zur Aufführung von A. Bruckner's gewaltigem Te Deum, die, wenn auch nicht den höchsten Ansprüchen genügend, doch immerhin als eine sehr respektable bezeichnet werden muß.
     Beim zweiten Konzert der Glasbena Matica kam Dvorak's Ballade "Die Geisterbraut" für Solostimme, Chor und Orchester unter des Komponisten persönlicher Leitung zur Aufführung. [... wirkte als Dirigent "musikmüde" ... Beifall vor allem von den slawisch-tschechischen Zuhörern ...].                           S." (*).
 
Die Montags-Zeitung Nr. 866 berichtet auf S. 3 von diesem Konzert, signiert "-z.":
"      (Concerte.) So hätte denn Laibach, d. i. das slovenische Laibach, wirklich seinen singenden Dank dem wohlthätigen Wien abgestattet [... nicht auf deutsch ... Publikum größtenteils slawisch ... Erwartungen übertroffen ... am besten die slowenischen Lieder ...]. Weniger gefiel uns der slovenische Chor in den großen zur Aufführung gelangten Werken, dem "Tedeum" von Anton Bruckner (welches, nebenbei bemerkt, sich stellenweise zur echten Kirchenmusik verhält, wie ungefähr Neßler's "Trompeter von Säkkingen" zur classischen Oper) und in Dworzak's Ballade "Die Geisterbraut" [...]. Von den Solisten, welche bei den beiden Concerten mitwirkten, ist unser alter Bekannter Laschek, seitdem der sich Lašek schreibt, nicht um ein Haar besser geworden; Herr Kliment besitzt einen volltönenden, aber etwas schweren und rohen Baß; Frl. Fanni Verhunc dagegen, welche die Rolle der Geisterbraut in Dworzak's Ballade interpretirte, zeichnete sich sowohl durch Schönheit der Stimme (ein echter Sopran), als durch gute Schule und Kunst des Vortrages aus. Beide Concerte waren ausverkauft.                        – z." (**).
 
Die Deutsche Zeitung Nr. 8711 meldet auf S. 2f, daß Bruckner das gestrige Konzert 29.3.1896] besucht hat:
"     Außerordentliches philharmonisches Concert. Zum Besten des Hofopern=Pensionsfondes fand gestern Mittags ein sehr gut besuchtes, außerordentliches phiilharmonisches Concert statt, in welchem auch der Wiener Männergesangverein mitwirklte. [... hohes Lob für Richard Wagners "Liebesmahl der Apostel" (zuletzt am 17.3.1889), mitwirkende Sänger, "nicht endenwollender Beifallsorkan" ...  Richard Strauss' "Till" ein voller Erfolg, größer als am 5.1.1896 ... "Tannhäuser"-Ausschnitte eher überflüssig ...]. Im Pilgerchor vereinigte sich der Männerchor der Oper mit dem Männergesangverein zu glänzender Steigerung, und so klang das wahrhaft erfrischende Concert, welchem auch Meister Bruckner beiwohnte, harmonisch festlich aus.
                        h–m." (***).
 
Im Konzertbericht der Wiener Sonn- und Montags-Zeitung Nr. 13 auf S. 2f, signiert "H. W." [Hans Woerz], wird auch das Konzert vom 23.3.1896 besprochen:
"               Aus den Concertsälen.
      H. W. Er hatte einen Riesenappetit – jener alte ungarische Baron, der in seiner traditionellen, bis zum Halse zugeknöpften weißen Tuchweste unserem täglichen Mittagstische in einem Grazer Restaurant präsidirte. [... über den übervollen Konzert-Speiseplan (12 Konzert in der Woche) ... deswegen nun Telegrammstil ...].
      Glasbena Matica, gemischter Chor, frische Stimmen, Damen in krainerischer Nationaltracht, jung, hübsch, gluthäugig. Dirigent M. Hubad sehr verdienstvoll, [... Prolog, Volkshymne, slowenische Lieder, Madrigal von Gallus ...]. Fibich's "Frühlingsromanze" (für Soli, Chor und Orchester nicht Romanzenton, sondern Opernspectakel. Bruckner's Tedeum heuer bereits vom Singverein gehört; wenn schon, denn schon, aber lieber etwas Anderes; h. w. noch nicht genug frommgläubig für solche Kunst. – Dvořak's "Geisterbraut", böhmische Doppelgängerin der Bürger'schen Leonore, Riesenballade [...].
     Eduard Grieg, 53 Jahre alt, interessanter Kopf, dirigirte, [...]
     [... danach in "normalem" Stil über andere Konzerte ... Schubertbund (25.3.1896) erwähnt, aber ohne Werkangaben ...]." (°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189603305, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189603305
letzte Änderung: Aug 02, 2023, 12:12