zurück 20.7.1896, Montag ID: 189607205

Dr. Heller bestätigt Bruckner in einem Zeugnis, daß er seine Freiheit immer behalten und voll genießen solle:
»Nachdem Herr Professor Dr. Anton Bruckner sich bis in sein hohes Alter um die Kunst stets hochverdient gemacht hat, so soll er immer seine volle Freiheit (sobald er gesund ist) haben und überhaupt sein ganzes Leben voll und voll genießen.

Wien 20 Juli 1896 DrHeller.« (*).
 
[sehr viel später (1920er Jahre?) geschrieben]
Notiz Hellers in einer Version seines Arztberichts:
"20/7 1896 | an meine Frau | „Bruckner ist fast ganz hergestellt | nur dass sein Geist ganz verworren ist | ich will meine Erin[n]erungen an seine bessre Zeit zu Papier bringen – vielleicht dankt es mir einmal die Nachwelt!" (*a).

Bruckners Verhalten wird zusehends kindischer (**).
Er verspricht Dr. Heller, ihm aus Dank einen Choral [WAB 226] zu komponieren (***).
Bruckner verbringt den ganzen Tag außer Bett, hat guten Appetit und freut sich, daß sich der Kaiser nach seinem Befinden erkundigt hat (°).

Notiz Bruckners bei den Gebetsaufzeichnungen: »20. Juli / Monath« [vermutlich Monatgeld für Frau Kathi]. Notiz von fremder Hand [vielleicht Dr. Heller?] »20. 12 Uhr Mittag [/] Montag.« (°°).

Artikel von Elimar (= Theodor Altwirth) über Bruckners Befinden in der Linzer Montagspost Nr. 29 auf S. 4:
„        Tagesneuigkeiten.
                   
   Linz, 20. Juli 1896.
[…]
      Bruckners Befinden. Von einem unserer Mitarbeiter erhalten wir folgende Mittheilung: Einige Wiener Blätter brachten am 17. Juli die Nachricht von einer plötzlichen schweren Erkrankung Bruckners. Da ich erst am 5. Juli von seiner Wirtschafterin erfahren hatte, daß sich der greise Componist jetzt bedeutend besser als seit langer Zeit befinde und ich denselben Sonntag am 12. d. M. Mittags in der Michaeler=Kirche sitzen sah, so überraschte mich die Kunde von der gefährlichen Wendung in Bruckners Krankheit und ich beschloß daher, im Belvedere nähere Erkundigungen einzuziehen. Dort traf ich Bruckners Bruder aus St. Florian, welcher telegraphisch hieher berufen wurde und dessen große Aehnlichkeit mit seinem berühmten Bruder wirklich überraschend ist. Herr Bruckner erzählte mir, daß das Befinden des greisen Tondichters am vergangenen Dienstag sich plötzlich sehr verschlimmerte und, da er an diesem Tag Blut spuckte, die Aerzte die Befürchtung hegten, daß der Kranke von einer Lungenentzündung befallen werde. Glücklicherweise ist dies nicht eingetreten und Bruckner befindet sich jetzt wieder etwas besser, obzwar der große Schwächezustand desselben jeden Augenblick eine gefahrdrohende Verschlimmerung herbeiführen kann. Bruckner ist nicht ununterbrochen zu Bette, sondern steht öfters auf und läßt sich zu seinem Lehnstuhl führen, der beim Schreibtische und in der Nähe des Claviers steht. Dann spielt er einige Accorde oder schreibt am vierten Satze seiner IX. Symphonie. Mitten in dieser Beschäftigung schläft er ein. Wenn er wieder aufwacht, weiß er sich mit der Zeit nicht zurecht zu finden und frägt, ob es morgens oder abends sei. Dieser Schwächezustand veranlaßte Professor Schrötter, welcher ihn jetzt täglich besucht, die Versehung Bruckners mit den Sterbesacramenten anzurathen, was auch Freitags von einem Pfarrgeistlichen der Karlskirche geschah. Bruckner scheint den gefährlichen Zustand, in welchem er sich befindet, nicht völlig zu kennen, obzwar er am Freitag sagte: „Mir scheint, es steht nicht gut um mich, weil jetzt der Professor Schrötter und seine Assistenten alle Tage kommen und so viele Leute sich um mich erkundigen.“ Hoffentlich bringen die nächsten Tage die Nachricht von einer Besserung im Befinden des großen Symphonikers.             Elimar.“ (°°°).

Auch »Die Presse« Nr. 198 informiert auf S. 2f über Bruckners Gesundheitszustand:
»     (Professor Anton Bruckner.) In dem Befinden Anton Bruckner's ist erfreulicherweise eine leichte Besserung eingetreten. Der greise Meister befand sich nahezu den ganzen Tag außer Bett und konnte auch, nachdem er durch mehrere Tage nur ungenügend Nahrung aufnahm, mit gutem Appetit eine Fleischspeise verzehren. Abends war er recht heiter, saß am Fenster, welches einen schönen Ausblick über die Gartenanlagen des Belvederes nach der Stadt gewährt, und sprach wieder über seine noch zu vollendenden Compositionen. In den jüngsten Tagen hat der Kaiser Erkundigungen über das Befinden Bruckner's einholen lassen.« (#).

Das Neue Wiener Journal Nr. 983 berichtet auf S. 3:
"                     Theater und Kunst.
     * Im Laufe des gestrigen Tages (Sonntag) trat in dem Befinden des kranken Proferssors Bruckner eine wesentliche Besserung ein. Der greise Meister befand sich nahezu den ganzen Tag außer Bett. Abends war er recht heiter, saß am Fenster, das einen schönen Ausblick über die Gartenanlagen des Belvederes gewährt und sprach über seine noch zu vollendenden Compositionen. Für den Componisten gibt sich eine sehr rege Theilnahme kund und hat auch, wie man uns mittheilt, der Kaiser in den jüngsten Tagen zweimal täglich Erkundigung über das Befinden desselben einholen lassen." (##).

Die Vorarlberger Landes-Zeitung Nr. 164 meldet auf S. 3:
"                        Letzte Post.
[...]
     Wien, 18. Juli. Der 73jährige Tonkünstler Professor Anton Bruckner, der in letzter Zeit an einer heftigen Lungenentzündung gelitten, ist von dieser wohl wieder genesen, in Folge Kräfteverfalles aber der Auflösung nahe und wurde gestern mit den Sterbesakramenten versehen." (###).

"Das Vaterland" Nr. 198 schreibt auf S. 4:
"     * [Anton Bruckner.] Im Laufe des gestrigen Tages trat in dem Befinden des kranken Proferssors Bruckner eine wesentliche Besserung ein. Der greise Meister befand sich nahezu den ganzen Tag außer Bett. Abends war er recht heiter, saß am Fenster, das einen schönen Ausblick über die Gartenanlagen des Belvederes nach der Stadt gewährt und sprach wieder über seine noch zu vollendenden Compositionen. Für den Componisten gibt sich eine sehr rege Theilnahme kund und hat auch Se. Majestät der Kaiser in den jüngsten Tagen Erkundigungen über das Befinden desselben einholen lassen." (a).

Der in Baltimore (Maryland) erscheinende Deutsche Correspondent Nr. 173 schreibt auf S. 3 in der 3. Spalte:
"Allerlei aus Deutschland.
     Ein Brand der Quaischuppen in Altona hat Schaden von einer Million Mark zur Folge gehabt.
     In Basel ist der bekannte Schriftsteller Selmar Bagge gestorben.
     Der berühmte Componist und Hofkapellorganist Anton Bruckner in Wien ist dem Tode nahe. Gestern wurden ihm die Sterbesakramente ertheilt. [...]." (b).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189607205, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189607205
letzte Änderung: Nov 28, 2023, 9:09