zurück 3.11.1896, Dienstag ID: 189611035

Lobende Besprechung der Aufführung der 7. Symphonie (am 1.11.1896) in den Münchner Neuesten Nachrichten Nr. 511 (Vorabend-Ausgabe) auf S. 3, signiert "-r-":
"     -r-  Musikalische Akademie. Das Programm des gestrigen Konzertes außer Abonnement verzeichnete Anton Bruckners Symphonie in E und Theile aus dem ersten Akte des "Parsifal". Die Symphonie wurde im Jahre 1885 unter Levis Leitung zum ersten Male in München zu Gehör gebracht. Später folgte unter demselben Dirigenten Bruckners "Te Deum", und diese vorzüglichen Aufführungen trugen viel dazu bei, dem lange verkannten Komponisten die Wege zu bahnen. Die diesmalige Aufführung bildete gleichzeitig eine Gedenkfeier des vor Kurzem in Wien aus dem Leben geschiedenen Tondichters. Wir werden auf die Bedeutung dieser merkwürdigen Künstlerpersönlichkeit und ihre Stellung in der Entwicklung der modernen Musik demnächst eingehender zu sprechen kommen und bemerken heute nur, daß die Symphonie auch diesmal bei den Hörern großen Anklang fand. Bruckner war ein geborener Symphoniker; Alles was er schrieb, hatte einen Zug in's Große. Das tritt in jedem Satze seiner Werkes hervor. Dessen bedeutendste Theile sind das Allegro und das Adagio. Das letztere ist eine Elegie, ein Klagegesang größten Stiles, das erstere ein dithyrambischer Jubelhymnus. Die Melodien Bruckners entfalten sich fast durchweg in großen Zügen; da ist nichts Kleinliches, nichts mühsam Erarbeitetes, fessellos strömt der Athem elementaren Musikempfindens in einem Gestaltenreichthum dahin, der den Hörer kaum zur Besinnung kommen läßt. Dem gegenüber tritt die Konsequenz der logischen Entwicklung der Motive allerdings in zweite Linie. Das empfand man namentlich im Finale, während das Scherzo mit seiner Kraft und seinem geschlossenen Aufbau an Beethovens Meistergebilde erinnert. Die Künstler des Orchesters boten unter Franz Fischers energisch-ruhiger Führung eine hervorragende Leistung. Sie entfalteten eine Tonfülle, die oft bis zum Sturmessausen anwuchs und wieder zum leisesten Flüstern sich abdämpfte, und einen Adel des Ausdrucks, eine Kunst der Phrasirung, durch die die Umrisse des Werkes in plastisch bestimmten Zügen hervortraten. Die den Saal in allen Räumen füllenden Zuhörer zeichneten den Dirigenten durch zahlreiche Hervorrufe aus. Ueber die Aufführung der "Parsifal"-Fragmente können wir uns kurz fassen. [... viel Lob für Orchester und Chöre ... Chorleiter: Direktor Grell (Knabenchor), Hofkapellmeister Otto Hieber [u.a.] ... aber es ist so], daß die Vorführung solcher Bruchstücke doch immer nur ein Nothbehelf bleibt." (*).

Eine Kritik dieses Konzerts erscheint auch im Bayerischen Kurier & Münchner Fremdenblatt Nr. 303:
„     * Akademie=Konzert. Mit dem gestrigen Tage begann die musikalische Akademie den Reigen ihrer diesjährigen Konzerte mit solch glänzendem Erfolge, den wir auch den ferneren Konzertabenden wünschen. Als eine Art Todtenfeier für den kürzlich in Wien verstorbenen Komponisten Anton Bruckner wurde dessen groß angelegte, glänzend instrumentirte, allerdings etwas zu lang gesponnene siebente Sinfonie (E-dur) gegeben. Die Wiedergabe zeichnete sich durch eine ungewöhnlich energische und bestimmte Auffassung aus. Ganz schön gebracht wurde der herrliche Adagiosatz. Herr Hofkapellmeister scheint uns mit den von ihm dirigirten Akademiekonzerten das Herz immer besonders schwer machen zu wollen. Brachte er uns vergangenes Jahr den Charfreitagszauber aus Parsifal, so war es diesmal die herrliche Verwandlungsmusik und die Schlußszene des 1. Aktes aus diesem unvergleichlichen Werke, welches uns auf’s Neue bedauern ließ, dass diese größte Großthat des Meisters uns nur in Bruckstücken vergönnt sein soll. Die Wiedergabe war eine ausgezeichnete, Herr Hofkapellmeister Fischer war da wieder in seinem ureigensten Elemente und führte unser vortreffliches braves Orchester zum glänzendsten Siege. Die Chöre gingen sämmtlich gut. Eine kleine Schwankung im zweiten Chor verzeihen wir gerne. Herr Hofkapellmeister Fischer verdient für die Leitung des Chores in der Höhe ein Separatlob.“ [keine Signatur] (**).

Kurzkritik zur Aufführung des Requiems [WAB 39. am 2.11.1896] im Deutschen Volksblatt Nr. 2815 auf S. 9, signiert "H.":
"    – Auf eine Anregung der Leo=Gesellschaft kam gestern am Allerseelentage Bruckner's Requiem in D-moll in der Stadtpfarrkirche Am Hof zur Aufführung. Diese im Geiste Mozart's gehaltene Composition stammt offenbar aus des Meisters früherer Zeit; es sind kaum Spuren von jener großen Originalität darin zu finden, durch welche sich Bruckner's spätere Schöpfungen auszeichnen. Gleichwohl wäre es ungerecht, dieses Requiem ausschließlich vom Standpunkt des historischen Interesses zu beurtheilen. Die wahrhaft fromme, edle Tonsprache, der leichte Fluß des ganzen Werkes zeugen für Bruckner's schon damals erlangte musikalische Sicherheit und Gewandtheit und hinterließen einen guten Eindruck bei den zahlreichen Hörern, unter denen sich nicht wenige Künstler und Kunstfreunde befanden.     H." (***a).

In der Abendausgabe wird auf Seite 4 die Aufführung der 7. Symphonie am 8.11.1896 angekündigt:
"    – Die Philharmoniker bringen in ihrem ersten Abonnement=Concerte Sonntag, den 8. November, Mittags ½1 Uhr im großen Musikvereinssaale folgende Werke zur Aufführung: [.... Beethoven, Volkmann (mit Reinhold Hummer) ...]; A. Bruckner: Symphonie in E-dur, Nr. 7." (***b).

Auf das Konzert weist auch die Deutsche Zeitung Nr. 8925 auf S. 7 hin:
"     – Wohl im Sinne einer Trauerfeier für den jüngst entschlafenen Meister wird Bruckner's siebente Symphonie in E-dur (mit dem erhabenen Cis-moll-Adagio) schon im nächsten (ersten) philharmonischen Concert am 8. d. aufgeführt. Vor der Symphonie wird Volkmann's dritte Serenade (in D-moll, mit dem Violoncellsolo) und zum Anfang Beethoven's große Fest=Ouverture in C op. 124 ("Die Weihe des Hauses") gespielt." (°).

Die Neue Freie Presse Nr. 11565 teilt auf S. 6 mit, daß Hubad, ein Schüler Bruckners, Chormeister des Slawischen Gesangvereins geworden ist:
"     [Slavischer Gesangverein.] Zum Chormeister dieses Vereines wurde in der am 28. d. abgehaltenen General=Versammlung der aus den vorjährigen Concerten der Laibacher in den Wiener Kunstkreisen vortheilhaft bekannte ehemalige Dirigent des Laibacher Vereines „Glasbena Matica”, Herr M. Hubad, ein Schüler Bruckners, gewählt. [...]" (°°).

Die gestrige Aufführung wird auch in der Reichspost Nr. 268 auf S. 4 besprochen:
"     * Requiem von Bruckner. Auf Veranlassung der Leo=Gesellschaft wurde heute in der Kirche "Am Hof" in Wien das Requiem von Bruckner durch den verstärkten Chor des Herrn Professor Julius Böhm zur Aufführung gebracht. Das Werk trägt zwar alle Spuren eines erst zur Reife neigenden Meisters; aber es quellen in ihm doch so viele, da und dort geradezu herrliche Schönheiten auf, daß sie offenbar Zeichen eines Musikgenies darstellen und die Kraft des vollendeten Meisters ahnen lassen. Die Durchführung war tadellos." [keine Signatur] (°°°).

"Das Vaterland" Nr. 303 schreibt auf S. 5 etwas ausführlicher (signiert "R. K.", die Rubrik ist datiert "2. November"):
"     * [Ein Requiem von Bruckner.] Auf Anregung der Leo=Gesellschaft wurde heute ein Requiem in D-moll von Anton Brucknert unter der Leitung des Professors Julius Böhm in der Kirche Am Hof aufgeführt. Obwohl die Composition aus einer Zeit (1849) stammt, in der Bruckner noch lange nicht seinen großen Styl gefunden hatte, so war die Vorführung dieses Jugendwerkes doch ein Ereigniß für die musikalischen Kreise Wiens. Aus dem traditionellen und nicht allzuhoch gehaltenen Grundcharakter des Ganzen blitzten doch hie und da schon geniale Lichter der künftigen Meisterschaft hervor. Das Werk ist, mit Ausnahme des Benedictus, knapp und nicht zu schwer gehalten. Mag man auch über die Wandlung des Bruckner'schen Styles staunen, die kirchliche, tiefreligiöse Stimmung ist dem Meister durch alle Stylwandlungen treu geblieben.    R. K." (#).

The Norfolk Landmark (Virgina) Nr. 107 verwendet auf S. 2 in der 2. Spalte denselben Nachruftext wie The Sun vom 31.10.1896:
"       NOTES, GENERAL AND PERSONAL.
[...]
     Anton Bruckner, the musical composer, died recently at Ausfelder [sic], in Austria, at the age of 72. His best known work is his Eighth Symphony in C minor, which takes a whole evening for its performance and which was first given twenty-five years after it had been composed. When he began to play it was difficult to stop him. He once competed for the post of court organist at Vienna, each candidate being allowed twenty-five minutes, and played for over an hour before the judges could stop him. Once at the Crystal Palace he played till he exhausted the organ blowers and the wind gave out." (##).

The Gazette Nr. 264 (Montreal, Kanada) übernimmt auf S. 3 in der 5. Spalte den Artikel der Sun vom 31.10.1896:
"     Anton Bruckner, the musical composer, died recently at Ausfelder [sic], in Austria, at the age of 72. His best known work is his Eighth Symphony in C minor, which takes a whole evening for its performance, and which was first given twenty-five years after it had been composed. When he began to play it was difficult to stop him. He once competed for the post of court organist at Vienna, each candidate being allowed twenty-five minutes, and played for over an hour before the judges could stop him. Once, at the Crystal Palace, he played till he exhausted the organ blowers and the wind gave out." (###).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189611035, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189611035
letzte Änderung: Nov 01, 2023, 8:08