Die Mississippi-Blätter Nr. 169 (Westliche Post, St. Louis, Missouri) bringen auf S. 17 (= S. 3 des 2. Teils) einen Nachruf auf Mahler, in dem Eindrücke von dessen Aufführung der 4. Symphonie [am 30./31.3.1910] überliefert werden:
" Zwei Jahre mit Gustav Mahler in New York.
Von Theodore Spiering.
Am 7. Mai waren es zwei Jahre, daß ich Mahler in Wien kennen lernte. Auf Anrathen von Fritz Kreisler hatte ich mich um die Konzertmeisterstelle der New York Philharmonie Society beworben, und auf eine telegraphische Anfrage, ob ich zum Probespiel nach Wien kommen sollte, erhielt ich eine freundliche Aufforderung, mich baldigst einzustellen. [... Treffen in Wien ... im Oktober 1909 gemeinsame Reise nach USA (Mahler von Holland kommend, erst ab Cherbourg dabei) ... gründliche Probenarbeit ... Konzerte (fast dreimal mehr als vorher) nicht immer zur Zufriedenheit ...].
Stimmungswechsel dieser Art kehrten der Natur der Sache gemäß regelmäßig wieder; das war für mich, der ich fast stets allein im Künstlerzimmer bei ihm war, manchmal recht niederdrückend. Jedoch gab es manche wirklich vollendete Aufführung, über die Mahler sich denn auch herzlich freute. Hierunter gehören beispielsweise die der beiden Sinfonien Es-dur von Bruckner und F-dur von Brahms, deren Wiedergabe mir unvergeßlich bleiben wird. Besonders die Bruckner-Sinfonie wurde von Mahler mit ungemein großer Sorgfalt und mit Liebe ausgearbeitet. Durch eine ganze Anzahl meisterhaft angebrachte [sic] Striche nahm er dem Werke das periodenhafte, sprunghafte; und er erzielte eine logische Einheit, durch die die vielen Schönheiten in ungeahntem Maße zur Geltung kamen. Die Art und Weise, wie er gerade diese Bruckner'sche Sinfonie und die C-dur von Schumann (von der [sic] zwei der eklatantesten Fälle aufzuzählen) spielbar, d. h. dem Hörer so genußreich wie möglich machte, scheint mir durchaus gerechtfertigt zu sein.
Mit seiner Kunst war es ihm heiliger Ernst. Nach äußerem Erfolg verlangte er nicht. [... beifallsscheu ... meist Klassiker gespielt, Interesse für Richard Strauss und Debussy ... über Intensität und Diszplin bei den Proben ...]. Als Interpret wird wohl Mahler unerreicht bleiben.
Als Dirigent hatte er sich zu einer Freiheit durchgearbeitet, die manchmal dem Orchester fast verhängnißvoll wurde. [...][... Mahlers Operndirigate ... über Mahlers Zustand nach der Rückkehr aus München Ende Oktober 1910 ... Wohnung im Hotel Savoy beim Central Park ... Orchestertourneen ... die letzten Tage in New York ...].
Nur eine längere Unterredung hatte ich noch mit ihm, etwa zehn Tage, nachdem er sich gelegt hatte. Dann sah ich ihn noch einige Male auf einige Minuten. Die Welt beklagt den Verlust eines großen Komponisten und wunderbaren Dirigenten. Mir entriß der Tod einen verehrten Meister und Freund."
Zitierhinweis:
Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 191106185, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-191106185letzte Änderung: Dez 16, 2024, 15:15