zurück 12.1.1914, Montag ID: 191401125

Aufführung der 3. Symphonie durch die Meininger Hofkapelle unter Max Reger im 6. Abonnements-Konzert des Bach-Vereins im Großen Saal der Stadthalle in Heidelberg. Auf dem Programm stehen zuvor Werke Regers (die Ballett-Suite op. 130 und die Böcklin-Suite op. 128) (*).

Besprechung des gestrigen Konzerts im Landauer Anzeiger:
"           Pfälzische Nachrichten.
     √   Landau, 12. Jan. Max Reger, der Töne großer Meister und Interpret, war gestern mit seinem berühmten Meininger Hoforchester wieder zu uns gekommen, und wir können mit Recht stolz darauf sein, daß Landau die alleinige Auserkorene unter allen Städten der Pfalz war, in der die vielbegehrten Künstler in dieser Konzertsaison Einkehr hielten. [... Dank dem Musikverein ... Besuch zwar nicht schlecht, aber nicht ausverkauft ... Tannhäuser ...]. Ueber Anton Bruckners 3. Symphonie in D=moll ist das Erforderliche bereits in einer unserer Vorbesprechungen gesagt worden, so daß wir uns lediglich über den Eindruck der gestrigen hiesigen Aufführung auszulassen haben. Die etwas ausgedehnte Tondichtung mit ihrer Fülle von Gedanken und musikalischen Schönheiten wurde von den Meiningern in allen Sätzen vollinhaltlich erschöpft. Es ist bewundernswert, wie Reger sein Orchester in der Gewalt hat, und mit welcher Ruhe der Dirigent über die schwierigsten Stellen hinwegkommt. Wie aus einem Guß wurde das Werk herausgebracht. Nach einer wirklich notwendigen Pause ertönten die feinen, zarten Harmonien des Notturnos von Regers „Romantischer Suite,“ op. 125, die eine echt Regerschen Geist atmende Komposition ist. [...]. Ein Beifallssturm durchbrauste die Festhalle, als das Konzert beendet war, und immer wieder mußte Generalmusikdirektor Reger für die Huldigungen danken, die ihm das von seiner titanenhaften Kunst als Komponist und Orchester=Dirigent begeisterte Publikum bereitete.“ [keine Signatur] (**).

Vom selben Konzert berichtet auch "Der Rheinpfälzer", signiert =e=:
"        Kunst, Bühne und Konzertsaal.
                   Musikvereins=Konzert.
                                      =e=  Landau,
12. Jan.
     Mit dem gestrigen außerordentlichen Konzert des Musikvereins dürfte wohl das bedeutendste musikalische Ereignis für die diesjährige Landauer Konzertsaison vorüber sein. Man hatte sich dazu die Herzogl. Meininger Hofkapelle unter der Leitung des Herrn Generalmusikdirkeotr Hofrat Prof. Dr. Max Reger verschrieben, ein Orchester, das gegenwärtig an der Spitze sämtlicher deutscher Konzertorchester steht. Und alles, was die Künstlerschar unter ihrem Meister Reger hier geboten, wurde in solch' künstlerischer Vollendung zu Gehör gebracht, daß es als eine musikalische Offenbarung in die Erscheinung trat. [...]. Nur das eine sei gesagt, an jedem Pulte sitzt ein Meister seines Instruments, technische Schwierigkeiten treten überhaupt nicht in die Erscheinung und diese Masse künstlerischen Könnens ist durchdrungen von dem Geiste Regers, sodaß auch nicht die kleinste Intention unbeachtet bleibt und dadurch Leistungen wie aus einem Gusse entstehen. Reger hat den stattlichen Orchesterkörper sicher in der Hand und weiß dem Ganzen den Stempel seiner künstlerischen Individualität aufzudrücken. Seine geniale Auffassung und wunderbare Dynamik feierte gestern wahre Triumphe.
     [... Tannhäuser ...]. Die D=moll Sinfonie (Nr. 3) von A. Bruckner hörte man hier zum erstenmal. Es ist eine Ueberfülle musikalsicher Gedanken und Einfälle, die uns in dieser Sinfonie entgegentreten, sodaß man bei einmaligem Anhören unmöglich den inneren Zusammenhang der 4 Sätze herauskonstruieren kann. Dem ersten, mäßig bewegten Alegrosatz [sic] gibt ein heroisches, zuerst von den Trompeten gebrachtes Thema ein charakteristisches Gepräge. Bald lieblich dahinfließend, bald gigantisch einherstürmend, treffen die Tonwellen unser Ohr, ein Gemälde der Natur wirkungsvoll unterbrochen durch überirdische Gedanken. Der 2. Satz, Adagio, klingt wie ein sehnsuchtsvolles Gebet (wunderbares Bratschensolo) stark an Schubert erinnernd, um in verheißungsvollen Akkorden auszuklingen. Der dritte Satz, ein Scherzo, tändelt im ¾ Takt dahin und zaubert das schönste Waldkonzert in unser Ohr. Das Finale spiegelt Seelenkämpfe wieder, um in einem überwältigenden Schlußaufbau auf das heroische Thema des ersten Satzes zurückzukommen, den Sieg verkündend.
     Eine weitere Erstaufführung für Landau war die "Romantische Suite" von M. Reger. [...]. Das Publikum war begeistert. Nach jeder Darbietung wurde herzlicher Beifall gespendet und nach der letzten Programmnummer wollte der Beifall schier kein Ende nehmen.
     Leider ist der finanzielle Erfolg des Konzertes nicht analog dem künstlerischen. Wohl war die Festhalle sehr gut besucht, doch zeigten sich noch manche Lücken. Ein solches Konzert müßte unbedingt ein ausverkauftes Haus bringen. Sehr zahlreich waren die auswärtigen Musikfreunde erschienen, für viele hiesige Konzertbesucher scheint aber das Rodeln ein wichtiger Abhaltungsgrund gewesen zu sein. Ja Schnee gibt es eben nicht immer und die "Meininger" werden ja noch öfters hierherkommen! Des herzl. Dankes aller Konzertbesucher darf die Vorstandschaft des Musikvereins gewiß sein. Meister Reger aber und seinen Getreuen ein herzliches "Auf Wiedersehen!" [keine Signatur] (***).

 


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 191401125, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-191401125
letzte Änderung: Aug 10, 2024, 15:15