zurück 11.2.1914, Mittwoch ID: 191402115

Aufführung der 9. Symphonie in Nürnberg (*).

Erster Teil der Besprechung der Marburger Musiktage [mit der 3. Symphonie am 7.2.1914] in der Oberhessischen Zeitung (Marburg) Jg. 49 Nr. 35 auf S. 2:
"            Die  Meininger Musiktage.
     Das waren nicht "Meininger Musiktage", die hinter uns liegen, nein eher schon ein Marburger Musikfest, das hinter uns liegt! Wenngleich der das Konzert gebende Verein dabei auch für sich auf jede künstlerische Mitwirkung verzichtete, so bliebe der Begriff "Marburger Musikfest" doch berechtigt [...].
     Es ist keine Frage: die Meininger Hofkapelle steht in einer Blüte, die sie seit Bülow nicht besessen hat. Sie ist unter den deutschen Kapellen, die ihre Kunst durch die Lande tragen, wieder an die Spitze gerückt unter dem Zepter eines Mannes, der sich weitab von den Direktionsvirtuosen stellt und doch mit dem, was er als Dirigent erreicht, nicht im mindesten zurücksteht, sondern mit vorangeht. [...] Die Universalität, die Max Reger als Dirigent entfaltet, ist bewundernswert: [...] durch ihn spricht Mozarts, Beethovens, Wagners, Brückners Geist zu uns, eindringlich in jeder musikalischen Phrase. Seine universale Begabung, die ihn als Tondichter fortschreitend ständig neues Land seiner Kunst gewinnen läßt, trat in der Augestaltung [sic] der Werke, die er dirigierte, hell an den Tag: restloses Herausarbeiten aller Feinheiten und auffallend starker Sinn für große Linienführung, [...]. Und dabei dieser erstaunlich geringe Aufwand an äußeren Mitteln in der Direktionsart! Bewegungen des Taktstockes klein und zierlich fast wie bei Reineke, dem typischen Mozartdirigenten, nur in seltensten Fällen weiter ausgreifend, die linke Hand fast völlig an ihre einzige Tätigkeit des Umblätterns gebannt! Blick und Geberde tun alles – und doch, welch ein Leben winkt er aus den Tiefen herauf! [...].
     Erstes Konzert: Symphoniekonzert. [... Böcklin-Suite ... Siegfried-Idyll ...]. – Den zweiten Teil des Konzerts füllte Anton Brückners dritte Symphonie D-moll aus – das Werk, an das Brückner mit allem Recht größte Hoffnungen geknüpft hat, die sich freilich erst nach mehreren Jahrzehnten zu erfüllen anfingen. Der Musikgeschichte gehört längst das trübe Kapitel des Kampfes um Brückner und Brahms an, der sich gottlob gelegt hat, weil es in der Musik wie überall gelten muß, daß es mehrere Facons gibt, um durch Töne und Rythmen [sic] beglückt und beseligt zu werden. Brückners dritte Symphonie ist das erste gewaltige Bekenntnis eines in Beethovenschen Maßen schöpferischen Genius auf Richard Wagner; da konnte es denn freilich erst durchdringen, als Wagner, dem es "in tiefster Ehrfurcht" gewidmet ist, mit seinem Werk den festen Boden der Begeisterung seiner Freunde und der allgemeinen Duldung gewonnen hatte. Mit Aufführungen, wie wir sie hier durch die Meininger erleben durften, erfüllt Reger geradezu eine Mission. Wenn je, so ist er der Künstler, den Brückners Werk gebraucht: mit seinem ausgeprägten Sinn für die klare Gestaltung der großen Linien[,] die monumentale Größe der meist weit, in breiter Wucht angelegten, Ton=Symphonien des Wieners zu vervollkommenen [sic] Ausdruck zu bringen. Wenn dem begeisternd sieghaften Beschluß des ersten Abends wohl große Wärme der Beifallsäußerungen, aber nicht allgemein Beifallsbegeisterung folgte, so liegt das an der Schwere des Werkes und dem sich erst allmählich anbahnenden Verständnis für den allzu selten hier gehörten Brückner, nicht an der Leitung von Orchester und Dirigent, die eine Leistung von erstem Range war.    (Schluß folgt.)"
[am Ende des 3. Teils, 13.2.1914, S. 1f:]
[...] Möchte ein gütiges Geschick die Gefahr abwenden, die den Meiningern droht – Regers Verlust, von dem es in den Zeitungen raunt –, so daß dem Wunsche der Marburger Musikfreunde die Erfüllung des heißen Wunsches zuteil werde: Reger und die Meininger übers Jahr wieder hier zu haben!  [keine Signatur]
     *  Kein Rücktritt Regers. Die durch die Tagespresse gehende Nachricht von dem Rücktritt Max Regers von der Leitung der Meinnger Hofkapelle wird von Reger selbst dementiert." (**).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 191402115, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-191402115
letzte Änderung: Aug 07, 2024, 12:12