zurück 7.4.1868, Kardienstag ID: 186804075

Die Linzer Zeitung Nr. 81 schreibt auf S. 329 [Titelseite] über das Konzert vom 4.4.1868 [mit WAB 92]:
»Gründungsfest der Liedertafel "Frohsinn."
X Linz, 5. April. "Welche Stunden und Seelen und Körper müßten sich an einander reihen, um Dir nur eine einzige Innenfeier zu bereiten, welche Du von der Tonkunst in einer Minute, wie von unsichtbaren Händen empfängst." Diese Worte Jean Pauls fielen uns wieder ins Gedächtnis, als wir am Samstag das Concert verließen, womit die Liedertafel "Frohsinn" ihr 24. Gründungsfest in dem großen landschaftlichen Redoutensaale beging, denn es waren wahre Kunstgenüsse, welche die Liedertafel der außerordentlich zahlreichen Gesellschaft von Damen und Herren bereitet hat. Das Programm begann und schloß mit Richard Wagner. Den Anfang bildete der Chor der Ritter und Edelfrauen aus der Oper "Tannhäuser" (2. Act, 4. Scene), das Ende der Schlußchor des 2. Actes [sic!] aus der Oper "Meistersinger". Was die letztere Composition betrifft, die erstere setzen wir als bekannt voraus, so ist sie ebenso kraft- und schwungvoll wie alle neueren Compositionen R. Wagners', imponirt aber durch ihre geniale Orchestration wie durch ihre glänzenden Effecte noch mehr, als diese, und macht in dem Zuhörer unwillkührlich die Begierde rege, das ganze Werk kennen zu lernen; denn so viel glaubt man schon aus dieser Nummer entnehmen zu dürfen, daß Wagner in seinem Streben das musikalische Drama auf die höchste Stufe künstlerischer Vollendung zu bringen, wieder einen Schritt weiter gethan haben müsse. Die Ausführung beider Chöre war eine musterhafte, und wir sind überzeugt, daß ihr selbst der Componist, wenn er anwesend gewesen wäre, dieses Zeugniß nicht versagt haben würde. Der Sänger des Baritonsolo, die frischen Stimmen eines blühenden Mädchenkranzes, ein starker kräftiger Männerchor und ein vortreffliches Orchester wetteiferten mit Erfolg in der Wiedergabe der musikalischen Composition. Das größte Verdienst möchten wir aber dem Chormeister der Liedertafel, unserem ausgezeichneten Domorganisten Herrn Bruckner, zuschreiben, dessen Mühe die äußerst gelungene Ausführung wohl vorwiegend zu danken ist. Bei diesem Concerte hörten wir auch einen neuen Chor mit Tenor- und Baritonsolo ("Vaterlandslied") von Herrn Bruckner, eine schöne gehaltvolle Composition, die des Beifalls der Musiker sicher sein kann, und stets auch den der Laien erhalten wird, wenn ihre schwierige Ausführung so brav gelingt wie gestern. Ebenso vorzüglich wurden die anderen Nummern des Concertes gebracht: "Der Entfernten" von F. Schubert, "Frühlingsahnung" von Mendelssohn, "Ritornelle" von R. Schumann, "Morgenlied" von Kreuzer, "Wohin?" von C. Zöllner und das Streichquartett in Es-dur von Mozart, die erstgenannten zwei Nummern mußten auf allgemeines Verlangen wiederholt werden. Wir zählen die gestrige Production der Liedertafel zu den besten, die wir seit ihrem Bestehen gehört haben, und finden den außerordentlichen Beifall, der den Mitwirkenden und dem Chormeister nach jeder Nummer gezollt wurde, vollkommen verdient. Wir beglückwünschen den Vorstand der Liedertafel ob eines solchen Concertes, und freuen uns, daß eine geschickte Hand so vortreffliche Gesang- und Musikkräfte zusammenzubringen verstand; wir beglückwünschen aber auch die Liedertafel ob ihres Chormeisters, dessen hervorragendes Orgelspiel= und Compositionstalent wir schon früher zu würdigen Gelegenheit hatten, und der sich, wie nicht anders zu erwarten stand, jetzt auch wohlverdienten Lorbeer als Chormeister erworben hat. Zum Schluße müssen wir noch der Mitglieder des Männerquartetts (Falkensam, Huber, Holzner, Stuppöck) und jener des Streichquartetts (Koschier, Geier, Komzack jun., Seelig), sowie der Solosänger (Falkensam, Hoffelner und Holzner) mit besonderer Anerkennung gedenken. - Der Redoutensaal war überfüllt, die Stimmung des Publikums eine enthusiastische. Dem Chormeister Bruckner wurde nach dem Concerte von dem Damenchore ein Lorbeerkranz überreicht und Richard Wagner durch ein Telegramm der Liedertafel von der außerordentlich beifälligen Aufnahme seiner Composition in Kenntniß gesetzt.« (*).

Der »Frohsinn« singt beim Begräbnis Josef Edlbachers einen Trauerchor von Karl Sandtner (**).

Bruckner erhält eine (von August Red angefertigte) Photographie seiner Schülerin Jul. Löwenfeld (***).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 186804075, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-186804075
letzte Änderung: Feb 15, 2023, 11:11