zurück 21.10.1871, Samstag ID: 187110215

Brief Bruckners an Schiedermayr:
     Beantwortet die gewünschten Fragen zu St. Anna (Vernaleken wollte ihn loswerden). Herbeck habe ihm heute einen Brief des Ministeriums (Hofrat Alois von Hermann [nicht »Hermann Heiß«]) gegeben - alles sei günstig entschieden. Er sei nicht entlassen, habe aber trotz finanzieller Einbußen keine Lust, die weibliche Klasse zu unterrichten. Nach München habe er nicht petiert. Grüße an Bischof Rudigier, die Schwestern Schiedermayrs, (*a) an H. Baron [von Eberl] und H. Doktor [Karl Schiedermayr] (*).

Brief von Alois Ritter von Hermann [nicht »Hermann Heiß«] an Herbeck:
     Bruckners Sache sei vom Ministerium zu seinen Gunsten entschieden. Bruckner habe ihm persönlich angedeutet, an der Unterrichtung der weiblichen Klassen kein Interesse zu haben (**).

Brief Bruckners an Waldeck:
     Gratuliert zum Namenstag, dankt für die Anteilnahme an der Affaire St. Anna. Herbeck habe ihm heute einen Brief des Ministeriums zugeschickt, den er von Hofrat [Alois von Hermann] erhalten hatte. Die Angelegenheit sei günstig für Bruckner entschieden. Vor 8 Tagen habe er, Bruckner, [von Hermann] erklärt, kein Interesse am Unterricht der weiblichen Klasse zu haben. Lieber verzichte er auf 500 fl.. Grüße an die Eltern Waldecks (***).

Der Welser Anzeiger Nr. 42 meldet auf S. 5, daß Bruckner seiner Lehrstelle [an St. Anna] enthoben worden sei und Rudolf Weinwurm sein Nachfolger werde:
     »Bruckner. Der derzeit vielleicht größte Organist Deutschlands [sic! der Redakteur des politischen Teils (s. Kopie 19.8.1871) war August Göllerich!], unser Bruckner, auf den wir Alle stolz sind, ist seiner Lehrerstelle am Wiener Pädagogium enthoben worden.
     Wir wissen zwar nicht, ob wir wohl unterrichtet sind, wenn wir anführen, daß diese Enthebung im Wunsche Bruckner's selbst gelegen war, und daß er wahrhaftig nicht Ursache hat, den König von Baiern um eine Anstellung zu bitten, wohl aber wissen wir, daß es ein geschmackloser Wiz einiger Wiener Blätter ist, wenn sie Bruckner als das Opfer der derzeit leider dominirenden czechischen Politik hinstellen, denn der angebliche czechische Nachfolger Bruckners ist - Rudolf Weinwurm! - » (°).

Die Freien Pädagogischen Blätter Nr. 42 berichten - mit einem etwas gekürzten Text - auf S. 8 von der St. Anna-Affäre:
     "Kurze Mittheilungen. [...] Vor Kurzem kehrte der an den Wiener Lehrerbildungsanstalten bei St. Anna  als Professor des Orgelspieles angestellte k. k. Hof=Organist Herr Bruckner aus London, wo er sich einige Zeit zu Kunstzwecken aufhielt, zurück. Es wurde ihm nun in Wien eröffnet, daß er seiner Stelle enthoben sei. Nach dem Grunde dieser plötzlichen Entlassung fragend, erhielt Herr Bruckner nach längerem Drängen die Aufklärung, daß eine anonyme Anzeige ihn beschuldigt habe, daß er seinen Schülerinnen den Hof mache, einzelne von ihnen vor den anderen begünstige etc. Professor Bruckner nahm die Entlassung an. Ausgezeichnet mit den höchsten Preisen auf mehreren Weltausstellungen für seine Verdienste um die Orgelmusik, folgte er der Berufung an die beiden Lehrerbildungsanstalten, bezog hier für seine Professur einen Jahresgehalt von 1200 fl. Dieser Subsidien sieht er sich nun beraubt. Jene anonyme Denunziation aber entspricht nur insofern der Wahrheit, als der Herr Professor einmal eine Schülerin mit „liebes Kind” angesprochen und hinzugesetzt, daß er mit ihren Leistungen sehr zufrieden sei. - " (°°).

Das Neue Wiener Tagblatt Nr. 291 veröffentlicht auf S. 5 Bruckners Zuschrift:
          "Herr Redakteur!
     Aus Anlaß der in mehreren Blättern in Betreff meiner angeblichen Enthebung vom Unterrichte an der Lehrerbildungsanstalt zu St. Anna gebrachten Notiz, finde ich mich verpflichtet, zur Aufklärung des Sachverhaltes zu veröffentlichen, daß es allerdings richtig sei, daß gegen mich verleumderische, böswillige anonyme Denunziationen bei der Direktion der vorbenannten Anstalt vorgebracht wurden. Inwieferne diese eine Berechtigung haben, mag man aus dem Inhalte des nachstehend wortgetreu angeführten Zeugnisses entnehmen.
          Zeugniß.
     Die gefertigte Direktion bestätigt mit Vergnügen, daß der Herr k. k. Hoforganin [sic] Prof. Anton Bruckner an der Staatsanstalt für Bildung von Lehrerinnen in Wien im Schuljahre 1870/71 den Unterricht im Klavierspiel mit ausgezeichnetem Erfolge leitete, ein vorzügliches Lehrgeschick bewährte, durch streng moralische Haltung, durch hingebenden Eifer an die Sache und durch jene Eigenschaften, die den Künstler wie den Lehrer ehren, sich jederzeit auszeichnete. | Wien, am 17. Oktober 1871. | Robert Niedergesäß, | k. k. Direktor an der k. k. Staatsanstalt für Bildung von Lehrerinnen in Wien.
     Ich setze voraus, daß jene geehrten Redaktionen, welche die Notiz wegen meiner angeblichen Enthebung brachten, auch diese berichtigende Notiz aufnehmen werden.
          Anton Bruckner,
     k. k. Hoforganist und Professor am Konservatorium in Wien." (°°°).

Dieser Text erscheint auch in der Linzer Tagespost Nr. 242 auf S. 3:
     "Stimmen aus dem Publikum. | Löbliche Redaktion! Aus Anlaß [... Text wie (°°°) mit geringen orthographischen Abweichungen ...]
     Ich setze voraus, daß jene geehrten Redaktionen, welche die Notiz wegen meiner angeblichen Enthebung brachten, auch diese berichtigende Notiz aufnehmen werden.
          Anton Bruckner,
     k. k. Hoforganist und Professor am Konservatorium in Wien." (#).

Bruckners Orgelspiel bei der morgigen Messe wird in einigen Blättern angekündigt:

Fremdenblatt Nr. 292 auf S. 5:
     " - Bei der dreitägigen Kirchenfeier in der Kirche Marie am Gestade (Maria Steigen, Stadt), wird eine der Feier angemessene Kirchenmusik vom Kapellmeister Eder beigestellt und dirigirt, und zwar Sonntag 11 Uhr, Haydn's Nelson=, Montag, 11 Uhr, Haydn's Theresien=, und Dinstag, 11 Uhr, Mozart's Krönungs=Messe aufgeführt. Die Soli werden von den Damen Ribarz, Treml, Girsa und Lederer, dem k. k. Hofsänger Dr. Krauß, den beiden k. k. Kammersängern Schmid und Walter, Hornsolo vom Professor Kleinecke vorgetragen. Sonntag spielt Hoforganist Bruckner die Orgel, jeden Vorabend halb 7 Uhr musikalische Vesper." (a),

Neue Freie Presse Nr. 2571 auf S. 6:
     "[...] und werden die Soli am ersten Tage Fräulein Ribarz, Fräulein Tremml, Herr Dunkl und der k. k. Hofopernsänger Dr. Krauß; [...] Hof=Organist Bruckner wird Sonntag die Orgel spielen. [...]" (b),

Neues Fremdenblatt Nr. 292 auf S. 5:
     "[...] Morgen spielt der k. k. Hoforganist Bruckner die Orgel. An jedem Vorabend um halb 7 Uhr musikalische Vesper." (c)

und Presse Nr. 292 auf S. 14:
     " - Bei der dreitägigen hohen Kirchenfeier Sonntag, Montag und Dienstag, um 11 Uhr, in der Kirche Maria Stiegen [... Eder, Haydn, Mozart, Ribarz, Tremml, Lederer, Girsa, Dunkl, Teller, Dr. Schmidt, Walter, Kraus ... es wird] am Sonntage die Orgel vom k. k. Hoforganisten Bruckner vorgetragen werden. Jeden Vorabend halb 7 Uhr musikalische Vesper." (d).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 187110215, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-187110215
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11