zurück 6.10.1885, Dienstag ID: 188510065

Bericht des Linzer Volksblattes Nr. 228 auf S. 3 über Bruckners Orgelspiel am 4.10.1885:
»Musikalische Aufführungen im Mariä Empfängniß-Dome.
    Wir haben noch zu berichten über die musikalischen Aufführungen am 3. und 4. Oktober. [...]
     Am 4. Oktober war der Sängerchor noch durch den Freinbergerchor verstärkt. Bei dem feierlichen Hochamte kam nochmals die Calasanza=Messe von Johann Habert zur Aufführung; sie wurde eben so schön und gut gesungen wie das erste Mal.
    Zum Graduale wurde gesungen Virga Jesse von Anton Bruckner. Der Meister hat diese Komposition speziell für das Diözesan=Jubiläum geschrieben; dieselbe ist ungemein schwer, aber auch ungemein schön. Daß der Chor diese Komposition bewältigte und recht brav gesungen hat, ist für ihn ein schönes Zeugniß. Das Offertorium Ave Maria [WAB 6] von Bruckner ist recht lieblich und schön und wurde recht zart vorgetragen.
[...] [neue Überschrift:]
Anton Bruckner's große Messe im alten Dome.
    Bei dem feierlichen Hochamte, das der Hochwürdigste Herr Bischof Ernest Maria am Namensfeste Sr. Majestät des Kaisers im alten Dome zelebrirte, gelangte die große Messe in E-moll von Anton Bruckner zur Aufführung. Diese Messe wurde von Bruckner für die Einweihung der Votivkapelle komponirt und dem hochseligen Bischofe Franz Josef Rudigier gewidmet; sie wurde am 29. September 1869 bei der Einweihung der Votivkapelle zum ersten Male aufgeführt. Es erschien damals in den Habert'schen Blättern eine eingehende Beurtheilung über die Messe und über die Aufführung derselben. Gestern am 4. Oktober 1885 wurde nun die Messe nach einem Zeitraume von 16 Jahren zum 2. Male aufgeführt. Wir können hier nicht auf Einzelnheiten eingehen, wir können nur sagen, daß Bruckner's Messe wurderbar [sic!] schön ist. Bruckner zeigt sich da als den genialen Meister im Kontrapunkte und in der Polyphonie, als einen Meister, der es versteht die Singstimmen und die begleitenden Instrumente so zu behandeln, daß stets ein großartiger Effekt erzielt werden muß.
     Sollten wir von den vielen Schönheiten dieser Messe etwas besonders hervorheben, so wollen wir nur hinweisen auf das Kyrie, auf das reizend schöne Et incarnatus und auf das unvergleichliche Agnus Dei.
    Die Messe wurde von dem Musikvereine unter der Leitung des Herrn A. Schreyer in vorzüglicher Weise zur Aufführung gebracht. Wir sind dem Dirigenten Herrn Schreyer großen Dank schuldig dafür, daß er keine Mühe und Anstrengung scheute, um uns den Genuß dieses herrlichen Tonwerkes zu verschaffen.
    Das Graduale und das schöne Te Deum von unserem trefflichen Domorganisten Herrn Waldeck verdienen ebenfalls lobend erwähnt zu werden. Meister Bruckner selbst spielte die Orgel und entzückte in seinen herrlichen Präludien alle Anwesenden.« [keine Signatur] (*).

Die Linzer Zeitung Nr. 228 berichtet auf S. 1036 über das Hochamt im Alten Dom [4.10.1885] mit e-Moll-Messe, [Bruckners?] »Ave Maria« [WAB 6] und [Bruckners?] »Tantum ergo« [WAB 41/1] (**a) und gibt auf S. 1037 einen Überblick über die Kirchenmusik anläßlich des Diözesanjubiläums, signiert »K.« (**b).
(**a) »* (Feier des Allerhöchsten Namensfestes.) Anläßlich des Namensfestes Sr. Majestät des Kaisers [... über den Vorabend ...] Sonntag um 10 Uhr vormittags fand in der alten Domkirche ein vom hochwürdigsten Herrn Bischofe unter großer Assistenz celebrirtes, solennes Hochamt mit Tedeum statt. Zur Aufführung gelangte hiebei unter der Leitung des Directors des Musikvereins Herrn Schreyer die Bruckner'sche Festmesse mit Ave Maria und Tantum ergo. Dem feierlichen Gottesdienste wohnten bei: [... namentlich genannt: Statthalter v. Weber-Ebenhof, Abt Achleuthner, Bürgermeister J. E. Wimhölzel, R. v. Klier, Hofrath Christ, Oberpostdirector Klimesch ...]« [keine Signatur] (**a).
(**b) [der nachfolgende, separate Artikel berichtet von der »Jubiläumsfeier des Bisthums Linz«]
»Die Kirchenmusik in den beiden Domkirchen während des Bisthumsjubiläums.
    Die festliche Begehung des hundertjährigen Bestehens des Bisthums Linz [... im Neuen Dom Werke von Habert (unter Leitung Burgstallers), Prager, Mitterer, Palestrina, dalla Croce (unter Leitung Deublers), Haller, Witt und Stehle, im Alten Dom unter Leitung Zappes Werke von Horack ...] Was wir aber selbst und zwar mit innigster Freude hörten, das war die am 4. October durch den Musikverein unter Herrn Director Schreyers Leitung in ganz vorzüglicher Weise aufgeführte Bruckner'sche Festmesse [... teilweise umgearbeitet ... nur in Superlativen zu würdigen ...] Anton Bruckner, welcher der Aufführung selbst beiwohnte, dürfte sowohl von der Aufführung wie von der Wirkung seines Werkes im hohen Grade befriedigt sein. [... Anregung zur Aufführung der Messe ging von Burgstaller aus ... Abschluß des Festes im Neuen Dom mit dem Kirchenlied »Großer Gott wir loben dich« ...] Anton Bruckner saß hiebei an der kleinen Orgel, diesem Kasten des Aergernisses, den der Opfersinn der hiesigen Bevölkerung bald verschwinden machen möge und begleitete den einfachen Volksgesang; fürwahr auch ein würdiger Gottesdienst dieses frommen Mannes. K.« (**b).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 188510065, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-188510065
letzte Änderung: Feb 04, 2023, 15:15