zurück 9.3.1889, Samstag ID: 188903095

Feuilleton von Max Kalbeck  (u.a. über die 7. Symphonie [24.2.1889]) in der »Presse« Nr. 68 auf S. 1f:
          »Musikalische Wohl= und Übelthäter.
     Es ist die Zeit der Wohlthätigkeits=Concerte. [... die Musiker haben die Nächstenliebe entdeckt und verzichten auf Ruhm und Geld ...]
     Das Concert des Akademischen Wagnervereins war jenen bemitleidenswerthen Stiefkindern der Fortuna gewidmet, welche durch sehrende Sorgen verhindert werden, von ihrem sommerlichen Erholungsurlaub den allein richtigen und wünschenswerthen Gebrauch zu machen. [... Wiens modrige Opernluft gegen Bayreuther Wagner-Odem ...] Hoffen wir, daß die gemeinnützigen Klänge der verlängerten Tannhäuser=Ouverture und der Bruckner'schen E-dur-Symphonie dazu beigetragen haben werden, einigen braven Wagner=Knaben, welche durch hervorragende Leistungen im Applaudiren die Aufmerksamkeit ihrer zuständigen Behörden zu erregen wußten, die erforderlichen Freiplätze in der Bayreuther Feriencolonie zu beschaffen! Der heilige Gral erleuchte, stärke  und beschütze sie! Ein sanguinischer Enthusiast hat uns prophezeit, daß es nur noch einer kleinen Spanne Zeit bedürfen werde, um die in "classischen Vorurtheilen" befangene musikalische Welt zu dem beseligenden Glauben an Bruckner und seine Symphonien zu bekehren. Hans Richter, ehemals einer der eifrigsten Apostel dieser von den Gesetzen der Logik und Thematik völlig unabhängigen Offenbarungsmusik, scheint anderer Meinung zu sein. Wenigstens konnte er sich bisher nicht dazu entschließen, das opus summum et maximum des Ansfeldener Messias, die E-dur-Symphonie, in den Philharmonischen Concerten zu wiederholen.
     [... über ein schlecht besuchtes "populäres" Konzert der Philharmoniker und weitere Konzerte, zuletzt einen Liederabend u. a. mit Liedern von Hugo Wolf, berüchtigt für seine Kritiken ...] Es ist ihm der Rath gegeben worden, sich lieber aufs Componiren zu legen. Die jüngsten Erzeugnisse seiner Muse haben dargethan, daß dieser wohlgemeinte Rath vom Uebel war. Er sollte doch wieder Kritiken schreiben!  Max Kalbeck.« (*).
 
(Konzert des Wagner-Vereins mit Hugo Wolf und Ferdinand Jäger. Ferdinand Löwe wirkt als Klaviersolist mit (**)).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 188903095, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-188903095
letzte Änderung: Dez 11, 2024, 8:08