zurück 24.12.1890, Mittwoch ID: 189012245

Inhalt:
A. Besprechungen des Konzerts am 21.12.1890 in Wien:
        Paumgartner (*), Hirschfeld (**), Hanslick (***)
B. Besprechungen des Konzerts am 21.12.1890 in Linz:
       Tagespost (°), Linzer Volksblatt (°°), Linzer Zeitung (°°°), Steyrer Zeitung (#)
C. Varia: Ferdinand Löwe (##), Puchstein (###)
 
A. Kritiken zur Aufführung der 3. Symphonie in Wien am 21.12.1890
 
(*) Paumgartner in der Wiener Zeitung Nr. 295 auf S. 1f der Wiener Abendpost (signiert »dr. h. p.«):
                 "Concerte.
     [... Gesellschaftskonzert mit Mendelssohns "Elias" unter Gericke ...]
     Die Bedeutung eines künstlerischen Ereignisses gewann die Aufführung der D-moll-Symphonie von Anton Bruckner im vierten philharmonischen Concerte. Eine kritische Stimme hat nicht ganz ohne Mißvergnügen bemerkt, daß bei der Aufführung Bruckner'scher Werke im Concertsaale stets Sensationslust wehe. Gewiß, aber dieser bedauerliche Zustand ist in erster Linie provocirt durch die hämische und subjective Kritik, die von einem Theile der Presse an Bruckner geübt wird. Wie sollen sich alle Diejenigen, denen die Bruckner'schen Werke am Herzen liegen und welche die systematische Verfolgung dieses Mannes mit Recht empört, dagegen ansprechen? Leider gewinnt dann der Beifall einen demonstrativen Charakter, der gewiß die künstlerische Stimmung im Saale alterirt. Dazu tritt der Argwohn, den das philharmonische Modepublicum gegen die Applaudirenden faßt. Man ist geneigt, der Demonstration für Bruckner gehässige politische Parteimotive unterzulegen, wohl mit dem größten Unrechte. Wer Bruckner, diese harmlose Menschennatur, und sein stilles Schaffen kennt, muß mit Entschiedenheit jede derartige Auslegung zurückweisen. "Hier gilt's der Kunst allein", soll sich das Publicum mit Hans Sachs sagen und nicht immer auf gehässige Hetzereien und überwollende Kritik hinhören. Daß Bruckner ein Symphoniker allerersten Ranges ist, kann doch im Ernste unmöglich jemand bestreiten wollen. Es fällt uns nicht ein, den wunden Punkt der Bruckner'schen Werke, nämlich ihren rhapsodischen Charakter, zu übersehen. Es ist aber doch starke Einseitigkeit, über den Mangel einheitlicher Geschlossenheit der Form den wunderbaren Inhalt der Werke zu ignoriren. Daß Bruckner auch die Form treffen kann, hat er in den prächtigen drei ersten Sätzen seiner Es-dur- (romantischen) Symphonie gezeigt, über deren vor Kurzem in München erfolgten [sic] Aufführung Paul Heyse dem Tondichter einen enthusiastischen Brief schrieb. Nicht immer gelingt Bruckner die Form. Er fängt mitten im Satze gleichsam zu phantasiren an und unterbricht den Zusammenhang. Aber das liegt nun einmal in seiner Individualität, und damit muß der einsichtsvolle Zuhörer rechnen. Was bei Bruckner so sehr erfreut und erquickt, das ist die leidenschaftliche Wärme seine Tonsprache, die hoheitsvolle Größe seiner Themen. Sie schreiten entweder wie Giganten einher (das Hauptthema des ersten Satzes, triumphirend in der Dur-Tonart im letzten Satze wiederkehrend) oder sie scherzen wie Grazien im reizendsten Tonspiele (das Gesangsthema des ersten Satzes, das Trio des Scherzo, das entzückende zweite Motiv des Finalsatzes). Eine großartige Stimmung beherrscht die Bruckner'schen Werke; er will uns das Größte sagen, und stets träufelt ihm dabei ein Tropfen Beethoven'schen Oeles auf das Haupt. Dabei sind seine Themen unmittelbar aus dem Orchester heraus geboren; Bruckner empfindet jedes seiner Motive in der Klangfarbe, alles Melodische hat den echten orchestralen Charakter, kein Klavierthema muß erst ins Orchestrale künstlich hinüberempfunden werden. Dazu tritt die unübertreffliche Instrumentation der Partitur. Kein Wunder, daß das Bruckner'sche Orchester so wunderschön klingt. Von der im letzten philharmonischen Concerte aufgeführten D-moll-Symphonie überragen der erste und vierte Satz an Größe der Erfindung, an Mächtigkeit der musikalischen Sprache vielleicht die beiden Mittelsätze, die dagegen durch die größere Klarheit in Plan und Aufbau dem Zuhörer gleich vom ersten Anfange an zugänglicher sind. Die innige Feierlichkeit des zweiten und der geniale Wurf des dritten Satzes haben denn auch letzthin sofort das gesammte Publicum ergriffen und hingerissen. Es ist kein Zweifel - die Zuhörer sind bereits auf dem besten Wege, Bruckner bewundern und lieben zu lernen. Es war ein aufrichtiger Beifallssturm, der am verflossenen Sonntag von allen Ecken und Enden des großen Musikvereinssaales und nicht etwa nur aus dem demonstrirenden Stehparterre unaufhaltsam losbrach. Herr Hofcapellmeister Richter, der das Werk ausgezeichnet dirigirte, und die Philharmoniker, die dasselbe unübertrefflich spielten, mögen sich beeilen, nunmehr bald mit anderen Bruckner'schen Symphonien - besonders sei dabei der Es-dur-Symphonie gedacht - ihre Programme zu schmücken.
     Der Bruckner'schen Symphonie ging eine neues Violinconcert von Grädener voraus. [... Brodsky, Beethovens "Leonore" ... Stavenhagens Konzerte ... Beethovens Septett ...] So classisch und populär zugleich in einem Stücke zu sein, war aber auch nur Beethoven beschieden.
                        dr. h. p." (*),
 

(**) Robert Hirschfeld in der »Presse« Nr. 351 auf S. 1:

          "Allerlei Concerte.
     Bevor der Weihnachtsfriede sich auf die Claviere niedersenkte und eine wohlthätige Feierstille über alle Concertsäle breitete, entzündeten die Philharmoniker durch die Aufführung einer Bruckner=Symphonie noch einen hitzigen Kampf und brachten die musikalischen Gemüther in Wallung. Die Lärmscenen, welche die kläffende Beifalls=Meute im Stehparterre des Musikvereinssaales nach jedem Satze der Symphonie provocirte, spotten aller Beschreibung. Das ist wahrlich nicht die Art, einen Meister zu feiern. Wurden die Symphonien Bruckner's früher todtgeschwiegen, so werden sie jetzt todtgebrüllt. [... Parteiungen ... Stil von Wählerversammlungen ...] Mitten in dem häßlichen Gezänke steht Bruckner's Werk, seine umgearbeitete D-moll=Symphonie mit ihrem mächtigen Themengerüst, gewaltig in den harmonischen Grundgesten und strahlend im kräftigsten Colorit des Orchesters. Die echt symphonischen Motive streben ins Große; unerschöpflich ist Bruckner's Erfindungskraft. [... grandioser Orgelpunkt ... positive Besprechung des 1. Satzes ... basso ostinato in der Coda ... 2. Satz nicht durch Logik, sondern Stimmung bestimmt ... Scherzo "naturwüchsiger Humor ... Finale entzückendes 2. Thema etc. ...]; wer wäre so verstockt, diese Vorzüge gering zu achten? Daß der Formsinn Bruckner's dagegen wenig geklärt, die Gliederung seine Werke oft eigensinnig, sprunghaft, daß dynamische Contraste in der naivsten Weise gehäuft, gern Stockungen des Tonflusses bewirken, daß schließlich der Contrapunkt und namentlich die Umkehrung öfter schon eintritt, bevor das Thema recht erfaßt worden, wollen wir nicht verschweigen. Wer aber in die Bruckner'sche Symphonie nicht einzudringen wünscht, dem sei sie nicht aufgedrängt. Es hat endlich doch Jeder nur den Kunstgenuß, welchen er selbst erstrebt. [... Grädeners Violinkonzert ... andere Konzerte ... Seite 3: ... "Elias" - zu viele Oratorien ...] Israel hier und Israel dort. Es gibt doch wahrlich bedeutende Oratorien genug, deren Helden zur Abwechslung aus minder gelobtem Lande stammen.
                      Dr. Rob. Hirschfeld." (**)

(***) und Hanslick in der Neuen Freien Presse Nr. 9458 auf S. 1f (***):
   "Concerte.
Ed. H. Nachdem uns auf unserer Concert=Patrouille das „Tanzmärchen” zwischen die Beine gelaufen ist, haben wir Allerlei nachzuholen, nicht Tanzbares, noch Märchenhaftes, immerhin aber musikalisch Interessantes. Das Beste zu Anfang: die treffliche Aufführung von Mendelssohn's Oratorium „Elias” im großen Musikvereinssaal. [... über das Konzert unter Gericke am 14.12.1890, das Konzert von Waldemar Meyer am 13.12.1890, vier Konzerte Ondriceks, einen Klavierabend Stavenhagens und das Konzert des Wiener Männergesangvereins ...] 
   Im „Philharmonischen Concert” kam die dritte Symphonie (D-moll) von Bruckner zur Aufführung; dieselbe, die im Gesellschaftsconcert vom 16. December 1877 unter der Leitung des Componisten gespielt worden ist. Herbeck hatte sie zur Aufführung angenommen, diese aber nicht mehr erlebt. Bruckner unterzog das Werk später einer Umarbeitung, [... ab da Text wie bei 68/190f mit einer Abweichung: recte "hier vier, dort acht Tacte in reiner und eigenartiger Schönheit" ...] nach jedem Satze mußte der Componist wieder und wieder dankend hervortreten. Bruckner ist zwar noch nicht eigentlich Mode geworden - das Parquet lichtete sich schon nach dem ersten Satz und sehr bedenklich nach dem zweiten und dritten - aber er ist Armeebefehl geworden für eine gewisse Partei. Diese tobte auf der Galerie und im Stehparterre mit ihren jungen Händen und Füßen noch fort, nachdem der Saal sich bereits geleert hatte und die Lampen abgedreht wurden. Von Herzen gönne ich dem mir seit dreißig Jahren befreundeten, begabten und ehrenwerthen Mann diesen Jubel, in welchen miteinzustimmen mir unmöglich ist. Ich gönne ihm auch den jüngsten Münchener Triumph, dessen Herolde es nur hätten unterlassen können, Oesterreich zu verlästern und Wien ob der „beispiellosen Vernachlässigung der Bruckner'schen Werke” abzukanzeln. Thatsache ist, daß in Wien Hanns Richter allein mehr Aufführungen Bruckner'scher Werke geleitet hat, als seine sämmtlichen Collegen im deutschen Reich zusammen. Der Bruckner'schen Symphonie ging ein Violinconcert in D-dur von H. Grädener voraus, das Herr Adolph Brodsky mit großer Bravour vortrug. Das Stück ist sehr schwer, sehr lang und nicht sehr interessant. [...] Ich schließe diesen Bericht mit der hocherfreulichen Meldung, daß neben Bruckner und Grädener auch Beethoven einen guten Applaus gehabt hat für seine von den Philharmonikern herrlich gespielte zweite Leonoren=Ouvertüre." (***).

 

B. Kritiken zur Aufführung der 3. Symphonie in Linz am 21.12.1890

(°) Besprechung (signiert »Dr. -zl.«) der Linzer Aufführung der 3. Symphonie (mit Erwähnung des Wiener Konzerts, der 4. Symphonie am 10.12.1890 und der 7. Symphonie) in der Linzer Tagespost Nr. 295 auf S. 5:
                 "Drittes Musikvereinsconcert.
                                   Linz, 23. December.
     Wie schon der außerordentlich zahlreiche Besuch bewies, enthielt das dritte Orchesterconcert des Musikvereins ganz besonders kräftige Anziehungspunkte.
     War es ja doch ein großer Sohn des Landes, auf den Oberösterreich wohl mit Fug und Recht stolz sein kann, unser Meister Anton Bruckner, welcher mit einer seiner gewaltigen acht Symphonien, mit der dritten in D-moll, der Hörerschaft seine künstlerische Bedeutung eindringlich bewies. [... Bruckner im Parteienstreit, posthumer Ruhm ein schwacher Trost ... über Bruckners Stil und Eigenart ...]
     Obwohl es der ausdrückliche Wunsch des Meisters war, daß die Symphonie auch in Linz in dieser Neubearbeitung aufgeführt werde, war es dem Musikvereine, der die ursprüngliche Bearbeitung in Vorbereitung genommen hatte, wegen des bereits vorgeschrittenen Studiums derselben nicht mehr möglich, eine Aenderung zu machen. [... Vergleich wäre interessant ... vieles noch ungedruckt ...] Wiesehr übrigens das Publicum des vorgestrigen Concertes von der Bedeutung Bruckners durchdrungen war, beweist der begeisterte Beifall, mit welchem dasselbe jeden der vier Sätze der Symphonie aufgenommen hat.
     [... Wagners Bedeutung für Bruckner ... Tristan-Vorspiel ...]
     Wenn wir nun auf die Aufführung der genannen Werke überhaupt zu sprechen kommen, so ist unbedingt hervorzuheben, daß sich sowohl der Dirigent Herr Schreyer, sowie die Orchestermitglieder mit dem größten Eifer dem Studium dieser eminent schwierigen Werke hingaben, und daß die Bruckner'sche Symphonie mit Schwung und Präcision gespielt wurde. Es fällt uns auch nicht ein, dem Orchester bezüglich der Mängel einen Vorwurf zu machen. Was möglich war, geschah, und daß der Musikverein überhaupt derartige Aufgaben in Angriff nehmen konnte, ist ein Beweis seiner in letzter Zeit gemachten wesentlichen Fortschritte.
     [... kurz über den Tenor Haslinger, der Arien Glucks und] aus Wagners "Walküre" mit Beifall vortrug.
                              Dr. -zl." (°).
Auf derselben Seite ist der Text der Deutschen Zeitung [vom 23.12.1890, komplett?] abgedruckt:
     " - Aus Wien berichtet die "Deutsche Zeitung" unterm 22. d. M.: Bruckners D-moll-Symphonie errang gestern, erstmalig von den Philharmonikern in ihren Concerten aufgeführt, einen Riesenerfolg, welchen selbst die Gegner des vaterländischen Tondichters mit bestem (oder richtiger: bösestem) Willen diesmal nicht wegzuleugnen imstande sein werden. Bruckner wurde nach jedem Satze des großartigen Werkes stürmisch hervorgejubelt, nach dem Adagio erhielt er auch einen Lorbeerkranz. Nur sehr wenige Hörer verließen vor Schluß des Ganzen den Saal. Es ist dieser Erfolg umso höher anzuschlagen, als das Publicum unmittelbar vor der Bruckner'schen Symphonie die harte Geduldprobe eines ebenso erfindungsarmen als langwierigen Violinconcerts von H. Grädener (gespielt von Herrn Brodsky aus Leipzig) auszuhalten hatte und daher in seinem Aufnahmsvermögen für eine neue, tiefgedachte und vielfach verwickelte Tondichtung schon beeinträchtigt war. Herrn Hans Richter können wir die Bemerkung nicht ersparen, daß er sich gestern gegen Bruckner einfach unartig benahm. Er schob ja den Meister förmlich zur Seite, als dieser, dem tosenden Beifallssturme nachgebend, nach dem Scherzo der Symphonie noch ein zweitesmal dankend vor dem Dirigentenpult erschien." (°a).

(°°) Eine Kritik des Linzer Konzerts erscheint auch im Linzer Volksblatt Nr. 295 auf S. 2, signiert "M. S.":
          "Drittes Musikvereins-Concert.
     Linz, 22. December. Der Musikverein hat in seinem dritten Vereinsconcerte Anton Bruckners dritte Symphonie in D-moll aufgeführt, und dadurch eine Ehrenschuld an aunseren genialen Landsmann abgetragen. [... Ehrengabe des Landtags ... wenige Aufführungen (auch wegen Schwierigkeit!) ... Lob für den Dirigenten Albert Schreyer [sic] und das Orchester ... ungewohnt für das Publikum (an Klassik gewöhnt) ...]
     [...kurz zum Werk ...] Die Aufführung der dritten Symphonie von Bruckner war eine für unsere Verhältnisse vorzügliche, Dank dem eisernen Fleiße des Herrn Musikdirectors Schreyer und Dank dem Eifer und der Ausdauer des Musikvereines=Orchesters. Vor einigen Jahren wäre eine solche Aufführung überhaupt unmöglich gewesen wegen Mangel an geeigneten Blechbläsern.
     Bei der Aufführung der dritten Symphonie war jeder Musiker an seinem Platze, alle spielten mit Lust und Liebe, und so wurde ein wirklich großartiger Erfolg erzielt und das Publicum zu brausenden Beifalsstürmen hingerissen.
     Der Erfolg des dritten Musikvereins=Concertes war ebenso ehren für den greisen Meister Anton Bruckner, als auch für unseren Musikverein.
     [... ganz kurz über Tristan-Vorspiel und die Arien ...] Herr Lehrer Ignaz Gruber besorgte die Clavierbegleitung dieser beiden Nummern in bekannter mustergiltiger Weise. Der große geräumige Redoutensaal war geradezu überfüllt.      M. S." (°°).

(°°°) Die Linzer Zeitung veröffentlicht den im »Vaterland« [am 22.12.1890] erschienenen Bericht über die Wiener Aufführung:
     " - Anton Bruckners D-moll-Symphonie wurde in Wien am 21. d., also am selben Tage wie in Linz, von den Philharmonikern aufgeführt. Unser Musikreferent hat sich schon gestern über die Linzer Aufführung geäußert. Wir glauben, einem Wunsche unserer Leser zu entsprechen, wenn wir auch die Urtheile über dieses Werk Bruckners wiedergeben, die wir in Wiener Blättern finden. Heute liegt bloß der Bericht des Musikreferenten des "Vaterland" vor: "Es scheint, daß sich bei unseren Philharmonikern nachgerade doch die Ueberzeugung Bahn gebrochen hat, daß es mit der consequenten Ignorirung unseres großen vaterländischen Tondichters Anton Bruckner nimmer weiter gehe; denn das Programm des vierten Abonnementconcertes wies - man höre und staune! - Bruckners D-moll-Symphonie (Nr. 3) auf, ein Werk, welches, Richard Wagner gewidmet, trotz seiner nicht allzu großen Jugend jetzt erst seine erste Aufführung bei den Philharmonikern erleben durfte! Die Umarbeitung, welcher Bruckner die Partitur der Symphonie unterzogen hat, war gewiß von Vortheil für das grandiose Werk, welches an Klarheit und Prägnanz der einzelnen Stimmungsmomente sehr viel gewonnen hat. Daß diese Aufführung zum Anlasse enthusiastischer Ovationen für Bruckner wurde, läßt sich wohl denken. Gleich nach dem ersten Satze wurde der greise Componist stürmisch gerufen und durch Ueberreichung eines Lorbeerkranzes von kolossalen Dimensionen geehrt. Die Beifallsstürme steigerten sich nach dem herrlichen Adagio und den beiden bewegten Schlußsätzen in einer Weise, wie man es bei den Philharmonikern kaum noch erlebt hat. Mag immerhin etwas Demonstratives in diesen Beifallsbezeigungen gefunden werden - das wird gewiß niemand in Abrede stellen können, daß diese Stellungnahme des Publicums gegenüber den Unterdrückern Bruckners von einer nicht zu unterschätzenden Bedeutung ist." (°°°).

(#) Die Steyrer Zeitung Nr. 103 meldet auf S. 4 Bruckners Triumphe in München [4. Symphonie am 10.12.1890] und in Linz und Wien [3. Symphonie am 21.12.1890]:
     "Unser berühmter Landsmann Anton Bruckner hat in der neuesten Zeit wieder zahlreiche neue und große Triumphe gefeiert. In München wurde dessen IV. (romantische) Symphonie von der kgl. Hofkapelle aufgeführt und fand stürmischen Beifall sowie einstimmiges höchstes Lob der zahlreich anwesenden Musikkenner. Mit gleichem begeisterten Beifalle wurde am Sonntag beim 3. Musikvereinsconcerte in Linz, und ebenso auch beim 4. philharmonischen Concerte in Wien unseres heimischen Tondichters D=Moll=Symphonie aufgeführt. Wie das "Vaterland" schreibt, wurde diese Aufführung in Wien zum Anlasse enthusiastischer Ovationen für Bruckner. Gleich nach dem ersten Satze wurde der greise Componist stürmisch gerufen und durch Ueberreichung eines Lorbeerkranzes von kolossalen Dimensionen geehrt. Die Beifallsstürme steigerten sich nach dem herrlichen Adagio und den beiden bewegten Schlußsätzen in einer Weise, wie man es bei der Wiener Philharmonikern kaum noch erlebt hat." (#).

 

C. Varia

(##) In der Kritik des Deutschen Volksblatts Nr. 708 auf S. 1f über das Es-Dur-Quartett Beethovens wird Bruckner erwähnt:
   "Aus unseren Gesangvereinen. [... Akademischer Gesangverein am 6.12.1890 ... Wiener Männergesangverein "vor acht Tagen" ...] In dem prächtigen Es-dur Quartett für Clavier und Blasinstrumente op. 16 von Beethoven konnte Herr Löwe zeigen, daß seine musikalische Empfindung nicht nur im treuen Dienste Meister Bruckner's, sondern auch bei der Wiedergabe der Werke unseres größten Classikers trefflichen Eindruck macht und verdiente Anerkennung findet. [...]" (##).

(###) Puchstein hatte sich am Heiligen Abend mit Bruckner treffen wollen, was von diesem [am 23.12.] abgesagt wurde (###).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189012245, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189012245
letzte Änderung: Mai 14, 2024, 8:08