zurück 31.12.1890, Mittwoch ID: 189012315

Bruckner erhält eine Photographie Hanslicks (*).
Josef Kluger riet später Bruckner, das Bild zu verbrennen (**).

Der Kontostand des Bruckner-Consortiums beträgt 4927 Gulden (***).
Kontoauszug der Escompte-Bank über 702 fl 23 kr (°).

Brief Bruckners an Wolzogen: Gratulation [zu Neujahr?]:
     Nach der Aufführung der 3. Symphonie am 21.12. sei er 12mal gerufen worden. Er habe mit Wolf und Josef Schalk geweint. Leider habe der Widmungsträger [Wagner] gefehlt. Grüße an Cosima Wagner (°°).

Im Bericht zur 3. Symphonie [21.12.1890] von Theodor Helms »Wiener Musikbrief« im Pester Lloyd Nr. 358, Beilage, werden auch die Konzerte in München [4. Symphonie am 10.12.1890] und Preßburg [7. Symphonie am 27.4.1890] und die Teilaufführung der f-Moll-Messe [am 28.12.1890] erwähnt:
     "Eine Reihe hochinteressanter Musikaufführungen ließen [sic] unmittelbar auf einander folgend das 1890 in Prachtakkorden harmonisch ausklingen. [... Gesellschaftskonzert mit Mendelssohns "Elias" ...]
     Bei den Philharmonikern kamen nach Beethoven [...] zwei in Wien lebende Tonsetzer zu Worte, Beide in ihrer Individualität und ihren Bestrebungen so verschieden, als es musikalische Berufsmenschen überhaupt nur sein können. Der Eine aus einer hochgebildeten norddeutschen Künstlerfamilie hervorgegangen [...], der Andere ein armer Dorfschullehrerssohn aus Oberösterreich [...] bis auf den heutigen Tag ein reines Kind geblieben, überall anstoßend, als Musiker dagegen ein eminent schöpferkräftiger Phantasiemensch voll der künsten, höchstfliegenden Ideen [...] in seinem Gebahren eher das Gegentheil von "Akademisch" vorstellend: sollte der mit den Wiener musikalischen Verhältnissen vertraute Leser die Namen der Beiden nicht schon errathen haben? Nun sie lauten: Hermann Grädener - Anton Bruckner. [... Violinkonzert nur Achtungserfolg ... lauter schöne Redensarten, nichts Neues ...], das uns fesseln würde über die paar flüchtigen Minuten hinaus, in denen es laut geworden.
     Wie ganz anders die gleich nach dem Grädener'schen Konzert gespielte D-moll=Symphonie von Bruckner! Man kann derselben mit vollem Recht mancherlei Fehler vorwerfen [... über einige Schwächen ...] Aber wie unwiderstehlich packt doch diese echt symphonische Sprache des großen Ganzen [... über Herbeck und die Werkgeschichte ... über den "tosenden Beifallssturm" ... "hatten einige Dutzende der Stammabonnenten der Philharmoniker den Saal vor Schluß der Symphonie bereits verlassen" ... bei der Mehrheit "großer Succès" ... Gustav Mahlers Verdienst mit dem Klavierauszug, von Ferdinand Löwe und Josef Schalk umgearbeitet ... Bruckner nach jedem Satz gerufen ... Wagner-Anklänge im Adagio als Huldigung ... Erfolg der 4. Symphonie in München , Paul Heyses Lob ... seit der 7. Symphonie in Budapest 1887 keine Auführung dort mehr, Erfolg 1890 in Preßburg ... Erfolg eines Chores von Johann Koeßler beim Wiener Männergesangverein ... über weitere Konzerte, Kammermusik ...]
     Ein interessantes Nachspiel zu der oben besprochenen Bruckner=Aufführung der Philharmoniker bildete der letzte in diesem Kalenderjahre veranstaltete Interne Musikabend unseres Akademischen Wagner=Vereins, welcher den greisen Wiener Tonsetzer auf einem Gebiete darstellte, dessen meisterhafte Beherrschung ihm selbst von seinen zahlreichen Gegnern niemals abgesprochen worden ist: auf dem Gebiete der katholischen Kirchenmusik nämlich. Schon vor Jahren hob Professor Hanslick die geistige Bedeutung, den Schwung und die hohen Schönheiten von Bruckner's F-moll=Messe beredt hervor. Aus diesem Werke sang nun der von Herrn J. Schalk sehr wohl einstudirte Wagner=Vereins=Chor (unter Mitwirkung des Herrn Winkelmann, des künstlerisch hochachtenswerthen Ehepaares Parger und einer jungen Sopranistin Fräulein Friederike Mayer als Solisten) das Credo, ein höchst interessantes Tonstück von felsenfester Glaubenskraft, in Ernst und Treue der geheimnißvollen Symbolik des Meßtextes nachgehend, am Schlusse mächtig gesteigert. Schade, daß die Mittel des Wagner=Vereins nicht erlaubten, die ursprüngliche Orchesterbegleitung des Credo zu bringen, sie mußte durch Klavier (übrigens recht wacker von einem Herrn F. Foll besorgt) ersetzt werden.
     Das die Verkündigung der Menschwerdung ("Et incarnatus") innig umspielende Violinsolo wurde mit edler Empfindung von einem Herrn A. Duesberg (Schüler des Brüsseler Meisters Ysaye) vorgetragen. Jedenfalls war der Eindruck dieses Credo ein derartiger, daß er bedeutend auf das Kennenlernen der ganzen Bruckner'schen Messe begierig machte [... eine Konzertaufführung wurde schon von Hanslick vorgeschlagen ... über Friederike Mayer ... über die weiteren Programmnummern ...] - somit war es gewiß ein gelungener Abend, der die Konzertgenüsse des Jahres 1890 würdig abschloß.
                    Dr. Theodor Helm." (°°°).

Der Welser Anzeiger Nr. 52 zitiert auf S. 3 aus dem Artikel der Deutschen Zeitung [23.12.1890] über die 3. Symphonie am 21.12.1890:
     "Ein neuer Erfolg Bruckners. Aus Wien berichtet die "Deutsche Zeitung" unterm 22. d. M.: Bruckners D-moll Symphonie errang gestern, erstmalig von den Philharmonikern in ihren Konzertenaufgeführt, einen Riesenerfolg, welchen selbst die Gegner des vaterländischen Tondichters mit bestem (oder richtiger: bösestem) Willen diesmal nicht wegzuleugnen im Stande sein werden. Bruckner wurde nach jedem Satze des großartigen Werkes stürmisch hervorgejubelt, nach dem Adagio erhielt er auch einen Lorbeerkranz. Nur sehr wenige Hörer verließen vor Schluß des Ganzen den Saal. Es ist dieser Erfolg umso höher anzuschlagen, als das Publikum unmittelbar vor der Bruckner'schen Symphonie die harte Geduldprobe eines ebenso erfndungsarmen als langwierigen Violinkonzerts von H. Grädener (gespielt von Herrn Brodsky aus Leipzig) auszuhalten hatte und daher in seinem Aufnahmsvermögen für eine neue, tiefgedachte und vielfach verwickelte Tondichtung schon beeinträchtigt war. - Am 21. d. M. wurde diese Symphonie auch in Linz mit gländendem Erfolge aufgeführt." (#).

Brief von August Göllerich (in Wels) an Lina Ramann und Ida Volkmann:
     Neujahrsgrüße und Dank für die "letzten lieben Zeilen". "[...] Für mich streift Bruckner nicht nur das Genie, sondern er ist es - in dieser Meinung werde ich durch seine neuerschienenen Werke bestärkt. [...] Frl. Löhner, der ich ebenfalls meine Grüße und Wünsche wiederhole, wird Ihnen die Recensionen u. Berichte des philharmonischen Concertes [21.12.1890] überbracht haben. [...]" (##).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189012315, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189012315
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11