zurück 1.1.1891, Donnerstag ID: 189101015

Inhalt:
A. Briefe: (*) und (**)
B. Besprechungen des Konzerts vom 21.12.1890 (3. Symphonie):
     Speidel (***), "D." (Deutsche Kunst- und Musik-Zeitung) (°),
     Dillingers Reisezeitung (°a), Neue Wiener Musikzeitung (°°°)
     Lyra (#), "Rbt." (Musikalische Rundschau) (##)
C. Varia:
     Artikel Burgstaller (°°), Bericht Ehrengabe (###), Böhler Consortium (a) etc.
 
A. Briefe
 
Brief Bruckners an Göllerich in Wels:
    Neujahrsgrüße. Am 21.12.1890 sei er vom Publikum 12mal gerufen worden. Gestern habe Hanslick ihm (dem »verehrten Freunde«) eine Photographie verehrt. Göllerich wisse ja schon von Paul Heyses Brief aus München. Puchstein sei ein herrlicher Freund. Die neue 3. Symphonie sei ihm jetzt ans Herz gewachsen. Mit Wolf und einem Dritten [= Josef Schalk, vgl. 31.12.1890] habe er nach dem Konzert ein Weinterzett gebildet. Grüße an Seiberl, den Onkel und die Schwester (*).
 
Brief von Ludmilla Barwick an Bruckner:
    Dankt in Gedichtform für Bruckners Rat, wegen ihres Halsleidens Dr. Schrötter zu konsultieren (**).

 

B. Besprechungen des Konzerts vom 21.12.1890 (3. Symphonie)

(***) Artikel Speidels im Fremdenblatt Nr. 1 auf S. 5 über die 3. Symphonie:
           "Konzerte.
     Es ist immer ein Ereigniß für Wien, wenn eine Symphonie von Anton Bruckner aufgeführt wird, schon wegen der Seltenheit der Aufführungen und nicht minder wegen der eigenthümlichen Begabung und Richtung des Komponisten. [... Text wie bei 713/421 ...] hat gewinnen können. Die Jugend läuft dem alten Herrn nach, wie die Kinder dem Rattenfänger von Hameln; die Anderen beschränken sich ihm gegenüber, indem sie dem Zug der todesmuthigen Schwärmer lächelnd nachblicken, auf eine vorsichtige Bewunderung. Es ist für die Kritik eine schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe, dem Talente Bruckner's, seiner Bedeutung und Künstlerschaft gerecht zu werden, seine Vorzüge anzuerkennen, ohne zu übertreiben, seine Mängel zu tadeln, ohne ihm wehe zu thun. Das Kunstwerk steht ja doch immer über der Kritik, wenn auch der Kritiker das Kunstwerk, wie der Ausdruck lautet, seinem Urtheil unterwirft. Bruckner hat große positive Eigenschaften [... Text wie bei 713/421 ...] zu schreiben. Er ist eine begeisterte Natur voll plötzlichen Eingebungen, voller Blitze und Donner des Genies. Mit dem Orchester steht Bruckner auf vertrautem Fuße und gewinnt ihm zuweilen großartige und entzückende Wirkungen ab. Seine Technik ist im Einzelnen den verwickeltsten und höchsten Aufgaben gewachsen. Leider weiß Bruckner [... Text wie bei 713/421 ...] wie besessen; oft jagt ein Gedanke den Anderen, keiner läßt dem anderen Zeit, sich deutlich und behglich auszusprechen. Durch solche Ungeduld der nachquellenden Gedanken werden die einfachen, großen Verhältnisse eines musikalischen Satzes verwischt, der Ueberblick über das Ganze erschwert. Was hilft es aber [... Text wie bei 713/421 ...] allgemein angesprochen. [... über Brodsky und Grädener  und andere Konzerte ... Signatur:] L. Sp." (***).

(°) Artikel der Deutschen Kunst- und Musik-Zeitung Nr. 1 auf S. 4 (signiert "D.") über die 3. Symphonie am 21.12.1890 und frühere Aufführungen Brucknerscher Werke:
     Das vierte philharmonische Concert.
fand am 21. December statt und begann mit der Leonoren=Ouverture Nr. 2 von Beethoven. [...] machte einen so tiefen Eindruck, daß derselbe selbst durch die Plagen der folgenden Programmnummern nicht ganz verlöscht werden konnte. Und das will viel sagen. Es folgten nämlich ein Violinconcert von Grädener und die dritte Symphonie (D-moll) von Anton Bruckner. [... über Grädeners Violinkonzert, Lob für den Solisten Brodsky, Tadel für die Komposition ...] Die Symphonie von Bruckner machte den Beschluß des Concertes. Es ist schwer, heutzutage ruhig über Bruckner's Werke zu schreiben. Sie werden von jenen unreifen Elementen, die sich einbilden, Wagner besser zu verstehen als Wagner selbst, in so widerlich extatischer Weise in den Himmel erhoben, daß diesem lärmenden Treiben gegenüber ein ruhig sachliches Urtheil schon aus allgemein menschlichen Rücksichten fast unmöglich erscheint. Je toller der Fanatismus auftritt, desto mehr reizt er zum Widerspruch. Versuchen wir es, alles Aeußerliche bei Seite zu lassen, die ausgezeichnele Aufführung der Symphonie durch die Philharmoniker, die Stimmung, die dafür durch vorangegangene Mittheilungen persönlicher Natur in der Tagespresse gemacht worden ist, den tosenden Beifall einer ungebändigten Jugend, der sich nach jedem Satze stets von neuem erhob und den Componisten unzählige Male hervorrief, aber auch manchen fried- und musikliebenden Zuhörer aus dem Saale vertrieb, ja selbst die persönliche Rücksicht auf das graue Haupt des Componisten, und wenden wir uns dem Werke selbst zu, so finden wir zunächst, daß wir das Werk bereits in einem Gesellschaftsconcerte 1877 gehört haben, und zwar unter Bruckner's eigener Leitung. Diese Aufführung, die noch Herbeck veranlaßt, aber nicht mehr erlebt hat, blieb vereinzelt. Trotz des großen Beifalles, den die Symphonie in Wien hatte, trug man nirgends das Verlangen, sie zu hören. Ein schwärmerischer Verleger hatte die Partitur sogar gedruckt, aber die Nachfrage blieb aus. Als man heuer wieder an diese Svmphonie dachte, scheint sie dem Componisten — oder seinen mitarbeitenden Freunden ? — nicht mehr genügt zu haben. Sie wurde umgearbetet und neu gedruckt. Vergleicht man nun beide Partituren, die ältere und die neuere, so findet man zwischen beiden keinen wesentlichen, keinen, die musikalischen Gedanken oder den Aufbau der einzelnen Sätze betreffenden Unterschied. Mehr oder weniger sind es nur Striche oder Aenderungen kleiner Partien, die vorgenommen wurden. Einen großen Strich erlitt der letzte Satz; aber die Möglichkeit dieser Kürzung war schon in der älteren Partitur angedeutet. Nur die Schlußpartie des letzten Satzes hat eine gründliche Aenderung erfahren und wurde in eine neue Fassung gebracht. Mit den Forderungen musikalischer Logik darf man an eine Bruckner'sche Symphonie nicht herantreten. Darüber ist die Schule, der sie angehören. schon zu Liszt's Zeiten erhaben gewesen. Die Bestrebungen dieser Richtung gehen ja dahin, die Grenzen der Musik in's Unendliche zu erweitern. Zunächst bekommt die Musik poetische Ziele, dann soll sie malerisch auftreten, und so weiter. Ist sie einmal bei der Architektur angelangt, dann wird sie die richtige erstarrte Musik sein, die sich vor lauter Intention nicht mehr auskennt. Und auf diesem Wege sehen wir Bruckner. Da ist alles nur Intention, fast gar nichts mehr Musik. Treten irgendwo musikalische Elemente hervor, das heißt Tonreihen, die einen rein musikalischen Sinn haben, so sind sie von großer musikalischer Dürftigkeit, bewegen sich meist hilflos auf den Tönen des Dreiklanges herum und bedürfen dringend des Aufputzes durch die Farbenpracht des modernen Orchesters, um einigermaßen zur Geltung zu kommen. So ist das erste Thema des ersten Satzes dieser Symphonie, so sind die meisten Themen Bruckner'scher Symphonien überhaupt beschaffen. Diejenigen, die Ausnahmen davon bilden, so das zweite Thema des ersten, das erste des zweiten Satzes, kommen über den ersten Ansatz nicht weit hinaus. Die Fortentwicklung des Begonnenen widerspricht eben der musikalischen Logik, an Stelle dieser tritt gleich poetische oder malerische Intention, das musikalische Kunstwerk ist zerstört, Zerfahrenheit, Zusammenhanglosigkeit, Unestimmtheit und Unsicherheit treten als Folgen auf, der Componist verliert in seiner eigenen Welt den Faden der Orientirung und phantasirt statt zu componiren. Diesen Charakter haben im Allgemeinen alle Werke von Bruckner. Sie sind Erzeugnisse eines Geistes, der die mächtigen sinnlichen Anregungen der nendeutschen Schule wohl in sich aufgenommen aber nicht verarbeitet hat, zu schwach ist, um zur Erkenntniß seiner selbst zu kommen und sich selbständig zu machen, und zu wenig Bildung und Durchbildung besitzt, um sich über das innerste Wesen der Kunst klar zu sein. Stets hat er die Absicht, etwas zu schaffen, aber es fehlt ihm dazu die Fähigkeit, es fehlt ihm dazu die Kraft. Einige Tage vor der Aufführung der Symphonie wurde ein Brief Paul Heyse's an Bruckner veröffentlicht, in welchem der berühmte Dichter dem Componisten für den großen Genuß, den ihm die Aufführung einer Symphonie in München bereitet hat, in schwärmerischen Worten dankt, und die „beispiellose Vernachlässigung", die dessen Werke in der Heimat erfahren, an den Pranger stellt. Wir ehren in Paul Heyse, wie ganz Deutschland, einen der ersten lebenden Dichter. Aber sein Urtheil in musikalischen Dingen bleibt das eines Laien, das einen Privatwerth für Bruckner haben, aber keinen Maßstab für die Beurtheilung des Kunstwerthes einer Symphonie abgeben kann. Goethe meinte ja auch bei Zelter'schen Gesängen zu schwelgen, während er die Zusendung der schönsten Lieder von Franz Schubert nicht einmal einer Antwort würdigte. Und doch stand unter allen musikalischen Lyrikern keiner auf der Höhe Goethe'scher Lyrik, wie Schubert. Diese Erkenntniß blieb Göthen verschlossen und Paul Heyse's musikalisches Urtheil muß man auch nicht unterschreiben. Goethe stand unter Zelter's persönlichem Einfluß und wir sind geneigt, auch Heyse's Urtheil auf persönlichen Einfluß zurückzuführen, zumal er gewiß nicht aus eigener Erfahrung weiß, daß wir Oesterreicher uns einer „beispiellosen Vernachlässigung" Bruckner'scher Werke schuldig machen, denn nirgends sind so viele Aufführungen Bruckner'scher Werke veranstaltet worden, wie gerade in seiner Heimat, in Wien. Zwei Messen und mehrere kleinere Einlagsstücke (Offertorien und Graduale) stehen schon seit Herbeck's Zeiten auf dem Repertoire der kaiserlichen Hofkapelle. Compositionen für Männerchor hat der „Akademische Gesangverein" seit zwanzig Jahren von Fall zu Fall immer wieder aufgeführt und bekannt ist Bruckner's rührende Dankbarkeit für „seine Herren Gaudeamus“. Die Gesellschaftsconcerte brachten die C-moll=Symphonie am 20. Februar 1876, die D-moll=Symphonie am 16. December 1877, das Te Deum am 10. Januar 1886. Die Philharmoniker spielten die Es-dur=Symphonie am 20. Februar 1881, Adagio und Scherzo aus der A-dur=Symphonie am 11. Februar 1883, die E-dur=Symphonie am 21. März 1886. In Hellmesberger's Kammermusik-Soireen war das F-dur=Quintett bereits viermal zu hören und zwar in den Jahren 1885, 1886, 1889, 1890  Daß endlich der Wiener „Wagnerverein" Bruckner's Werke ganz besonders pflegt, ist selbstverständlich. Und nun fragen wir die Gewährsmänner Paul Heyse's, in welcher Stadt auf der ganzen Welt auch nur annähernd so viel Bruckner aufgeführt worden ist. Man darf sich die Mühe nicht verdrießen lassen, im eigenen Gedächtnis und in alten Concertzetteln gehörig nachzuschlagen, wenn man aus der Luft gegriffene Behauptungen widerlegen will. Wie herzlich würde Paul Heyse lachen, wenn er z. B. in einem Buche über die neueste deutsche Literatur lesen würde: "Paul Heyse schrieb auch einige Novellen". So ungefähr muthet uns seine Behauptung über die Vernachlässigung Bruckner's in Wien an.                    D." (°).

(°a) Über dieses Konzert informiert auch Dillinger's Reisezeitung Nr. 1 auf S. 6:
               "Concert
     Die Wiener Philharmoniker brachten am 21. v. M. die dritte, Richard Wagner gewidmete Symphonie (D-moll) des vaterländischen Tondichters Anton Bruckner, welche der Componist im vorigen Jahre einer eingreifenden Umarbeitung unterzogen hatte, zur Aufführung. Das grossartige symphonische Werk mit seinen herrlichen Gedanken, seinem kühnen Aufbau, seiner strahlenden Klangschönheit hatte einen ausserordentlichen Erfolg. Bruckner wurde nach jedem Satze stürmisch gerufen und musste zahllose Male vor dem Publicum erscheinen, natürlich zum nicht geringen Aerger seiner Neider. "In der Melodei ist er eine wenig frei . . . . und das ärgert unsere Alten!" (°a).

(°°) Artikel Burgstallers über die Linzer Kirchenmusik mit [indirekten] Bemerkungen über Waldeck, Zappe und den Wagner-Stil [Bruckner?] in der Kirche (°°).

(°°°) Bericht über die Aufführung der 3. Symphonie in der Neuen Wiener Musikzeitung (°°°).

Das Konzert vom 21.12.1890 (mit der 3. Symphonie) wird in der Lyra XIV, Nr. 7 (380) auf S. 64 [= S. 4] (#)
und in der Musikalischen Rundschau Nr. 1 auf S. 5, signiert "Rbt." (##) besprochen (Texte folgen unten).

(#) Text der "Lyra":
   "Die Philharmoniker traten in ihrem vierten Concerte mit der ersten großen Neuheit heraus, der D-moll=Symphonie von Anton Bruckner. Diese im Jahre 1876 [sic] in einem Gesellschaftsconcerte erstmalig aufgeführte Symphonie war vom Componisten einer Durchsicht und theilweisen Umarbeitung unterzogen worden, die nun auch im Verlage von Th. Rättig in Wien vorliegt und in dieser Form zum erstenmale gebracht wurde. Das Werk ist, wie alle Symphonien unseres Meisters Bruckner im größten Style angelegt und verläugnet nirgends den Einfluß, den Beethovens "Neunte" auf dasselbe genommen. Es liegt eine Menge geradezu titanischer musikalischer Gedanken darin, deren Durchführung zum höchsten Staunen herausfordert. Gleichwohl vermißt man an demselben jenes künstlerische Gleichgewicht, das selbst bei Werken weniger bedeutender Erfindung einen harmonischeren Gesammteindruck hervorruft. In diesem Sinne wäre besonders auf einige Stellen der ersten zwei Sätze hinzuweisen, deren Zusammenhang mit dem Ganzen nicht leicht ergründlich ist und die den Sätzen eine übermäßige Ausdehnung geben. Andererseits stehen wir aber vor einer Menge Einzelheiten, die nur ein großer Meister erfunden haben konnte, und zu denen wir vor Allem die Wiederkehr des Hauptthemas des ersten Satzes rechnen. Jedenfalls verlangt ein so großes Werk ein genaues Eingehen auf dasselbe, wozu eine einmalige Aufführung nicht hinreicht, umsoweniger, wenn der Hörer einigermaßen erschöpft an dasselbe heranzutreten gezwungen ist. Wann [sic] man es (und gewiß nicht mit Unrecht) für gut gehalten hat, die wiederholt gehörte und verhältnißmäßig leicht zu fassende 2. Symphonie von Brahms auf die zweite Stelle des Programmes eines der früheren Concerte zu setzen, so hätte die Bruckner'sche Symphonie gewiß dieselbe Rücksicht verdient. Statt dessen aber hat man vor dieselbe ein neues, langes und gedankenarmes Violinconcert gesetzt, das die Geduld des Hörers mehr als gebührlich in Anspruch nahm und denselben für die folgende Nummer abstumpfte. Gleichwohl hatte die Bruckner'sche Symphonie einen großen Erfolg, selbst wenn man von dem tollen Geschrei der „Partei” absieht, das durch sein Uebermaß eher zum Widerspruch als zur Mitbegeisterung herausfordert. Und dieser Erfolg sei Veranlassung, daß unsere erste Concertgesellschaft Anton Bruckner nunmehr nach Gebühr würdige!" [keine Signatur] (#).

(##) Text der Musikalischen Rundschau:
"          Wiener Concerte.
     In unsere sonst so conservativen Philharmoniker scheint ein neuer Geist gefahren zu sein; sie bringen - es ist unglaublich! - Novitäten zur Aufführung! In ihrer vierten Matinée bekamen wir ein neues Violinconcert von H. Grädener, und zum erstenmale in einem philharmonischen Concerte Bruckner's dritte Symphonie in D-moll zu hören. Letztere wurde im zweiten Gesellschafts-Concerte der Saison 1877/78 (am 16. December 1877) aufgeführt, und zwar gegen den wohlgemeinten Rath des damaligen provisorischen Dirigenten Josef Hellmesberger sen. (Herbeck war kurz vorher gestorben) unter der persönlichen, höchst nervösen Leitung des Componisten, ohne irgend welchen Erfolg zu erzielen. [... über die angebliche Vernachlässigung Bruckners in Wien ... die Parteien-Bildung ... heutige Verehrer hätten früher ihn auch getadelt [Theodor Helm ist gemeint] ...] Also piano, piano, meine Herren! Nicht gleich denjenigen steinigen, der auch heute noch derselben Ansicht ist.
     Die Symphonie Bruckner's besteht aus vier Sätzen [... Adagio und Scherzo am bedeutendsten ... bewundernswerte Erfindung ... keine organische Entwicklung, sondern Mosaikarbeit ... starke Kontraste zwischen schön und unschön, unmotivierte Abbrüche ...] Bruckner ist - ähnlich wie Grabbe als Dichter - eine so eigenartige Erscheinung, wie sie in der ganzen Musikgeschichte nicht mehr vorkommt: ein mit blühendster Phantasie ausgestatteter Künstler, der die musikalische Technik vollkommen beherrscht, aber immer, gleichsam absichtlich, die eine gegen die andere ausspielt, anstatt sie mit einander zu verbinden.
     Den einheitlichsten Eindruck ruft das prächtige Scherzo hervor, ein Stück voll besonders anmuthiger Melodik. Für die jugenliche Bruckner-Gemeinde gibt es aber bekanntlich kein "Besser" und "Bestes" bei ihrem Meister, Alles, was von ihm stammt, ist himmlisch. Und so tobten denn die Herren schon nach dem ersten Satze, bis der Componist erschien, und dieses Schreien und Stampfen wiederholte sich nach jedem Theile der Symphonie und artete zum Schlusse zu einem wahrhaften Beifalls-Kravall aus. Die Mehrzahl des Auditoriums sah und hörte dieser wütenden Demonstration zuerst kopfschüttelnd, endlich aber ärgerlich zu.
     Die Wiedergabe des an die Ausführenden die höchsten Anforderungen stellenden Werkes war eine ganz vorzügliche; [... Signatur "Rbt." wegen Fehlens der nächsten Seite nicht feststellbar]" (##).

 

C. Varia

siehe auch (°°).

(###) Die Niederösterreichische Schul-Zeitung Nr. 1 meldet auf S. 20, daß Bruckner [am 30.10.1890] eine Ehrengabe von 400 fl bewilligt wurde:
     "Der oberösterreichische Landtag hat dem großen Landsmanne und ehemaligen Volksschullehrer, einem der bedeutendsten Tondichter der Gegenwart, Anton Bruckner, eine Ehrengabe von jährlich 400 fl. bewilligt." (###).

(a) An diesem Tag wird die erste Zahlung Albert Böhlers in Höhe von 50 fl fällig (a).

(Brief von Joh. Bap. Katschthaler an Bernhard Deubler:
     Dankt für die Gratulation [wozu?]; er werde weiterhin Präfekt des diözesanischen Cäcilien-Vereins bleiben. Dankt für die musikgeschichtlichen Informationen [vgl. 22.11.1890]. Grüße an Josef Moisl und Ackerl (b)).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189101015, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189101015
letzte Änderung: Sep 19, 2024, 8:08