In einer Übersicht des Musikalischen Wochenblatts Nr. 11 auf S. 147 über Konzerte des Winters 1890/91 in München wird auch die 4. Symphonie [10.12.1890] erwähnt:
" München, Februar 1891.
Uebersicht der Concerte des Winters 1890/91.
(Fortsetzung.)
So ist es denn naheliegend, dass trotz der eminenten Tüchtigkeit der Instrumentalcapelle an die Ausführung der grossen Orchesterwerke bei uns bezüglich einheitlicher stilistischer Ausarbeitung gegenwärtig in den meisten Fällen nur ein relativer Maassstab angelegt werden kann. [...] - Von den in den vier Abonnementconcerten der Akademie während der ersten Saison zu Gehör gebrachten selbständigen Orchesterstücken verdient immerhin die Wiedergabe von [... Werken von Mozart, Brahms, Cherubini, Volkmann ...] unbedingte Anerkennung, im obigen Sinne nur bedingte dagegen die Ausführung von [... Werken von Beethoven und Liszt ...], von Bruckner's romantischer Symphonie und Wagner's "Faust"-Ouverture (im 3.), sowie der "Eroica" (im 4.). Wenn die musikalische Darstellung dieser Instrumentalschöpfungen ersten Ranges zwar äusserlich manch glänzendes Moment aufwies und in einzelnen Sätzen selbst ein mächtiger Zug zum Durchbruch kam [... Tasso, Faust ...], so wurde anderseits [sic] eben doch gerade an diesen bedeutendsten Werken das Fehlen einer feinfühlig durchgeführten Ausarbeitung und einheitlichen Gestaltung mehrfach sehr peinlich empfunden, in besonderem Maasse am Vortrage der "Coriolan"-Ouverture und der "Eroica". Dieser Umstand muss seine besondere Ursache doch wohl zunächst in einem gewissen Mangel an überzeugungsvoller, zielbewusster, führender Begeisterung für das Gebiet der Concertmusik seitens der leitenden Stelle haben. [... über die Solisten der Konzerte ... "im dritten sang der an der Oper neuengagirte Bariton Hr. Brucks, dessen Stimmbildung leider bedenkliche Lücken aufweist, mit ziemlichen Erfolge Bruch's Concertscene für Baritonsolo mit Frauenchor und Orchester" ...] (Fortsetzung folgt.) [Signatur beim letzten Musikbrief am 9.7.1891:] D." (*).
Im Feuilleton im Deutschen Volksblatt Nr. 784 auf S. 1ff bespricht Hans Puchstein u. a. auch die Aufführung der 3. Symphonie [am 25.1.1891]:
"Aus den Concertsälen.
[... über andere Konzerte ... auf S. 2: Orchesterkonzerte bei der GdM, beim WAWV etc. ...]
Den ersten Rang unter denselben nahm ohne Zweifel die Musikaufführung des Wagner=Vereines ein. [... Parsifal-Vorspiel nicht sorgfältig dirigiert, Siegfried-Idyll zu schnell, aber entzückend gespielt ...] Den Schluß machte Anton Bruckner's D-moll-Symphonie,die in diesem Concerte zur zweiten Aufführung innerhalb des kurzen Zeitraumes von sechs Wochen gelangte und dem greisen Meister neue jubelnde Ovationen eintrug. Wir fürchten auf keinen Widerspruch zu stoßen, wenn wir behaupten, daß es keinen zweiten lebenden Symphoniker gibt, dessen Werk das Wunder zu Stande bringt, zweimal in so kurzer Zeit den gewaltigen Saal zu füllen. Es war ein kühnes Wagnis, das der Wagner=Verein damit unternahm, allein es gelang voll und ganz. Die erhaben schöne Symphonie fand eine Aufnahme, die die Begeisterung in dem letzten Concerte der Philharmoniker im Vorjahre womöglich noch übertraf, und enthüllte nicht nur denen, die dieses Meisterwerk schon kannten neue Schönheiten, sie erwarb dem Meister, dem Publikum und Orchester in begeisterter Weise huldigten, auch zahllose neue Verehrer, neue Bewunderer.
[... über Gesellschaftkonzerte, mit unerwartetem Lob für Brahms ... Gralsfeier aus Parsifal schlecht, Tadel für Gericke ... Rückblick: zu wenig unbekannte interessante Werke, bekannte Werke zu oft wiederholt ... die Erfahrung, daß] neben einer ziemlichen Reihe von unbedeutenden Werken mittelmäßiger moderner Künstler, die große Künstlerheroen=Trias der Neuzeit, Wagner, Liszt und Bruckner, namentlich aber die beiden Letzteren, leider allzuselten zu Worte kommen.
Die Osterzeit rückt heran, die verschiedenen musikalischen Vereinigungen werden oft in Verlegenheit sein, gute, neuere, interessante Werke für ihre Aufführungen zu finden. In den zahlreichen kirchlichen Chorwerken Franz Liszt's und Anton Bruckner's erschließt sich ihnen schier eine unerschöpfliche Fundgrube werthvoller, der Aufführung würdiger, ja derselben gebieterisch verlangeden [sic] Werke. Möge die Anregung, der wir mit diesen Worten Ausdruck verleihen, beherzigt werden, auf daß auch den zwei größten Kirchencomponisten unseres Jahrhunderts endlich anbreche, was sie so lange vergeblich erhofft, ein neuer, sonniger Frühling ihres bisher durch Neid und Gehässigkeit so ungerecht herabgedrückten Ruhmes!
Hans Puchstein." (**).
In der Österreichischen Volkszeitung Nr. 70 erscheint auf S. 4 eine Kritik (signiert »V.«) zum Konzert vom 4.3.1891 (mit dem Chor »Träumen und Wachen«):
" - Vergangenen Mittwoch veranstaltete der Wiener akademische Gesangverein unter Leitung des Chormeisters Raoul Mader ein Konzert im großen Musikvereinssaal. [... Abwechslung war geboten], leider auch in Bezug auf die Qualität der Leistungen. Es scheint uns, als ob der Verein nicht stark genug wäre, um mächtige Kompositionen, wie z. B. Bruckner's "Träumen und Wachen" (welches für die Grillparzer=Feier an der Universität komponirt wurde und dem Rektor Dr. Hartel gewidmet ist) in einem großen Saale zur Geltung zu bringen. Auch störte die Aufdringlichkeit einzelner Stimmen. [... Lob für die gemischten Chöre ...] Nicht so konnte man aus obgenanntem Grunde mit dem Vortrage der Männerchöre: Brahms' "Geleit", Cornelius' "Reiterlied", Liszt's "Gottes ist der Orient" und Bruckner's "Träumen und Wachen" zufrieden sein. Das Solo der letztgenannten Komposition trug Herr Schaumann mit etwas gepreßter Stimme vor. [... Lob für Frl. Standthartner, den Hornisten L. Savari und F. Drdla ...] Die Künstler wurden reich mit Beifall belohnt. | V." (***).
Der Glasgow Herald Nr. 61 kündigt auf S. 7 in der 3. Spalte die Londoner Aufführung der 3. Symphonie [am 29.6.1891] an:
"OUR LONDON CORRESPONDENCE.
65 FLEET STREET,
Wednesday Night.
[...]
DR RICHTER has drawn up a capital prospectus for his series of concerts which will commence in May next. The document will be issued to-morrow, but from an advanced copy I note that among the novelties will be Professor Stamford's [sic] new choral ode based upon Campbell's war lyric, "The Battle of the Baltic;" a new symphony in D Minor by Bruckner dedicated to Wagner; the overture to Peter Cornelius's opera, "The Barber of Bagdad," [... weitere Werke ...]." (°).
Zitierhinweis:
Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189103125, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189103125letzte Änderung: Sep 25, 2024, 6:06