zurück 15.11.1891, Sonntag ID: 189111155

Artikel in der französischen Musikzeitung »Ménestrel« über Bruckner anläßlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde (*).

Von Bruckners Promotion berichtet auch das Ischler Wochenblatt Nr. 46 in der Beilage auf S. 3:
           "Verschiedenes.
[...]
     * (Ehrendoctor Anton Bruckner.) Nachdem der akademische Senat in Wien auf Antrag der philosophischen Facultät dem Componisten und Musik=Gelehrten Anton Bruckner die Doctorswürde honoris causa verliehen hatte, stand am 7. d. M. der 67jährige Componist als Candidatus philosophiae vor dem Rector magnificus Dr. A. Exner im Festsaale der Universität, um vor diesem das Doctorgelöbnis abzulegen. [... erwähnt werden Exners Rede, Gesinnungswandel in der Beurteilung der Musik durch Akademiker, Rede des Promotors Hofrat Stefan, Bruckners Dank, biographische Angaben ...] Bruckner schrieb sechs [sic!] Symphonien, ehe er es erlebte, daß eine derselben zur Aufführung gelangte. Die neueste Zeit scheint aber vieles gut machen und unserem Künstler kräftige Revanche bieten zu wollen. In den Jahren 1890 und 1891 wurde sein dritte Symphonie in Wien, Prag, Salzburg, Köln und London, seine vierte Symphonie (die romantische) in München und Graz, sein Tedeum in Berlin zur Aufführung gebracht und überall wurden dem Componisten große Ehren bereitet." [keine Signatur] (**).

Artikel von Josef Stolzing in der Ostdeutschen Rundschau Nr. 45 auf S. 5f über die Aufführung der 4. Symphonie in Nürnberg am 28.10.1891:
          "Musik.
Musikaufführung in Nürnberg am 28. October d. J. - [...]
     Daß die sogenannte Musikstadt Wien nicht die Stätte ist, wo bedeutende Talente erfolgreich wirken können, wird wohl Niemand leugnen, der die große deutsche Kunst im Auge hat. [...] die langweiligen Gesellschaftsconcerte [...], manchesmal durch moderne jüdische Sächelchen pikant aufgeputzt, die Aufführungen der Philharmoniker, welch' letztere sich vor Wagner, Liszt, Bruckner oder Berlioz fürchten wie Mephistopheles vor dem Kreuze, das ist alles was die sogenannte Concertsaison bietet. [...]
     Wie ein tröstender Gruß aus dem Reiche des deutschen Kunstideals muß es uns dagegen anmuthen, wenn aus Deutschlands Mitten, dem lieben Nürnberg, die Klänge der Musik Liszt's und Bruckner's ertönen. Der unermüdlichen Thätigkeit August Göllerich's verdankt das musikaliscche Deutschland eine Aufführung, die so echt deutsch ist und zum Muster für alles weitere Wirken in diesem Sinne gelten kann. [...] Göllerich dirigirte selbst persönlich die Symphonie von Bruckner und Mazeppa, in dem Concerte von Liszt spielte er den Clavierpart, während das Orchester von dem Capellmeister Hans Wiederstein [sic! recte Winderstein] vorzüglich geleitet wurde. Göllerich als Dirigent, da muß wohl ein Orchester Großes leisten!
     Wir lassen hier die programmatische Erläuterung folgen, die Göllerich für das Concert geschrieben:
     "Lange gewaltsam unterdrückt, zuerst aber von R. Wagner gebührend anerkannt und durch dessen Anerkennung entschädigt, wird Anton Bruckner der Musikgeschichte endgiltig als größter Symphoniker nach Beethoven und im eigentlichen Sinne Beethoven's gelten müssen [...].
     Ein wundervoll sehnsüchtiges Horn-Motiv, welches das Werk wie mit einem Morgen-Weckrufe eines Thürmers einleitet, der früher wacht und mehr erschaut, als die unter ihm gemächlich Schlafenden, - zieht durch das ganze Werk.
     Im ersten Satze antwortet ihm, zunächste in der Gesangsperiode, schäkerndes Vogelgezwitscher. Strotzende Kraftfülle [...] einem felsenfesten Chorale.
     Von rührender Schönheit ist das Hauptthema des Andante, eines wehmüthig-feierlichen Trauerzuges. [...]
     Im höchste originellen Scherzo, dem dritten und volksthümlichsten Satze der Symphonie, tönt ein frisches lustiges Jagdstück in blühender Erfindung aus. Ein ländler-artiges Trio würzt den Jägern ihr Mahl. Manch' ein Rastender denkt wohl hiebei sein Lieb im Arme zu schwingen.
     Der außerordentlichste Satz ist der letzte. Auf einer rythmischen [sic] Figur von eigenthümlicher Triebkraft aufgebaut, zeitigt er mit erschütternder Titanenkraft alle in den bisherigen Themen liegenden Keime zu neuartig-kühnen Gebilden. - (Ein Kenner hat ihn treffend: "Das Weltgesicht" [sic] überschreiben wollen.) [...] Hoch über aller Erdenpein zieht in der leise erschauernden Schlußperiode des Finale die Seele dem jetzt erworbenen neuen Tage zu, dessen ewiges Licht seine erlösenden Strahlen in jenem nun herrlich befestigten, wanklosen Morgen-Weckrufe entsendet.
[Göllerichs Text über Mazeppa]
     Wahrlich, die eine Thatsache, daß Göllerich kein dauerndes Heim in Wien gefunden hat, spricht deutlich genug, damit hat die Wiener Musikwelt ihr eigenes Urtheil gesprochen. Göllerich und Hanslik [sic] sind neben einander wohl nicht gut denkbar, daß aber Göllerich weichen mußte, beweist, daß Wien auch eine Metropole für das musikalische Allerweltjudenthum geworden ist, und die Werke Wagners nur als Ausbeutungsobject der Speculation der Hofoper betrachtet werden. -
[... über weitere Konzerte - es fehlt Liszts "Christus" (ist wohl "der modernen jüdischen Weltanschauung zu christlich") -, ein Orgelkonzert Josef Reiters und ein Vokalkonzert des Wiedener Sängerbundes unter Camillo Horn ...]       Josef Stolzing.
[es folgt ein Hinweis auf ein Konzert des Wiener Volksquartetts, wo bei Schumanns Klavierquintett August Stradal mitwirkt] (***).
   In einem Bericht desselben Blattes über die Wiener Konzertsaison wird den Wiener Philharmonikern eine Furcht vor den Werken der neuen Richtung - auch Bruckner dabei erwähnt - unterstellt [vermutlich ist damit die Einleitung der obigen Besprechung gemeint] (°).

Aufführung des »Locus iste« als Graduale bei der Messe in St. Elisabeth auf der Wieden unter Carl Rouland. Außerdem erklingen die St. Gregorius-Messe von Jos. Gruber op. 30 und als Offertorium das »Laudate Dominum« von Ett (°°).

Die St. Louis Post-Dispatch Nr. 365 gibt auf S. 10 einen Überblick über das kommende Kirchenfest und bespricht dabei in der 3. Spalte auch das am 1.12.1891 geplante "Te deum":
"ON A LOFTY SCALE
How Archbishop Kenrick's Jubilee Will Be Celebrated.

[...]
     The coming celebration in honor of Archbishop Kenrick's Golden Jubilee will be one of the most brilliant and impressive church celebrations which has ever occured in this country. [... über die Erzdiözese, das Leben und Wirken des Erzbischofs, die Planung des Festes (hohe Würdenträger, Zeremonien, Kinderempfang ...].
                 THE CONCERT.
SACRED MUSIC WILL BE RENDERED BY THE COMBINED CATHOLIC CHURCH CHOIRS.
     On Tuesday evening, Dec. 1, the combined Catholic Church choirs will give a grand sacred concert in Music Hall. During the intervals, the laiety will present their respects and congratulations to the Most Rev. Archbishop. His Excellency the Governor of Missouri will address His Grace on behalf of the citizens of the State. The grand chorus of 400 voices will render the anthem "Lord of Might," the first movement from the "Gloria" of Mozart's "Twelfth Mass," and Bruckner's "Te Deum." The concert, outside of its religious feature, will be one of the greatest musical events which has ever occurred in this city. The production of a work like the "Te Deum" in the manner proposed is an event of more than ordinary importance. Bruckner, as a musician, is one of the most pronounced types of the Neo-German school, of which the present work is typical. It was performed for the first time last winter before the Artist's Musical Convention at Berlin and merited for its author unstinted praise. The work is typical of the times, in fact it was from the spirit of the day, as he conceived it, that Bruckner drew the inspiration for his master work. He has shown striking originality, both in conception and methods of working out his ideas. The leading motive seems to be the triumphant song of a nineteenth century christian, who, though harrassed and surrounded with doubts, yet conquers and rises above them. This idea is worked out in a superb manner. In the opening strains of the fugue, "in te sperari," [sic] the jarring note of dispair is discernible, but as the strain advances the melody grows strong, steady and sweet, the song of the soul with doubt at rest. Then in conclusion the triumphant cry of "non confundas" [sic]  rings out in a paroxysm of sustained harmony. The closing strain is a sublime expression of intense conviction.
     The solo part in the production will be taken by Miss Adelaide Kalkman, soprano; Miss Teresa Finn, alto; Mr. Chas. Humphreys, tenor and Mr. Ed Dierkes, baritone. The Choral Symphony orchestra will accompany the choruses and Prof. Otten will direct the entire production." (°°°).

(1. Philharmonisches Konzert unter Hans Richter mit Werken von Cherubini, Bach/Esser, Berlioz und Beethoven (7. Sinfonie) (#)).
   Möglicherweise in diesem Konzert (oder eher, am 8.11.1891?) lernte Bruckner Maria und Emma von Spaun kennen, die er (mit Hermann von Roner) zu sich einlud (noch vor dem 21.11.1891) (##).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189111155, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189111155
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11