zurück 21.12.1891, Montag ID: 189112215

Besprechung der 1. Symphonie [13.12.1891] durch Kalbeck in der Wiener Montags-Revue Nr. 51 auf S. 3-6 (Bruckner auf S. 3f):
"          Concerte.
     Von den beiden Beethoven'schen Fest=Ouverturen in C wird die "zur Weihe des Hauses" benannte mit Recht bevorzugt, die zur "Namensfeier" componirte mit Unrecht vernachlässigt. [... über das Werk ...] Ein Viertel Eingebung und drei Viertel Arbeit, und doch ein ganzes, wahrhaft geniales Werk! Das dritte philharmonische Concert setzte diesem "schwachen" Beethoven einen starken Bruckner gegenüber. Wie lehreich [sic], aber wie unvorsichtig!
     In Anton Bruckner's erster Symphonie (C-moll) ist Alles Inspiration und beinahe nichts Arbeit. Wie hübsch beginnt das Werk, und wie garstig endet es! Wir sehen einen frommen [... Text wie bei 68/200f. Abweichungen im Original: ... Vertheidigung des Cölibats ... Füße ... Crucifix ... in's Genick ... G-moll andere Type ... ] an einen echten Bauern=Breughel erinnert, vornehme Haltung. Zwischen Bruckner und Beethoven ließ sich ein neuer Geiger mit einem alten Concertstück hören: [...über weitere Konzerte ... Signatur auf S. 6:] Max Kalbeck." (*).

Eine Kritik (signiert »H. W.« [Hans Woerz]) zu diesem Konzert erscheint auch in der Wiener Sonn- und Montagszeitung Nr. 51 auf S. 2f:
          "Concerte.
     Das III. philharmonische Concert verschaffte uns die Gelegenheit [... kurz über Spohrs Violinkonzert mit dem Geiger Johannes Wolff ...] Im Brennpunkt des Interesses stand aber diesmal nicht die neue Künstlererscheinung, sondern Dr. Anton Bruckner und seine erste, in Wien noch nie aufgeführte Symphonie in C-moll, componirt 1865 und jetzt neu bearbeitet. Wir wissen nicht und brauchen auch nicht zu wissen, wie tief die Bearbeitung in das Originalwerk eingreift, müssen aber bekennen, daß diese Symphonie so, wie sie uns vorgeführt wurde, unter allen Bruckner'schen Symphonien den besten Eindruck auf uns gemacht hat, ganz besonders das kecke, von Originalität durchblitzte Scherzo, das sich zugleich durch faßbare Folgerichtigkeit der Entwicklung auszeichnet. Was die übrige[n] Theile der mit den glänzendsten Orchestereffecten überreich ausgestatteten Composition - namentlich die beiden Ecksätze - betrifft, so scheinen sie uns an dem Fehler zu laboriren, der allen symphonischen Dichtungen unseres genial veranlagten Landsmannes anklebt: der Hörer strengt vergeblich seine Aufmerksamkeit an, um den Ariadne-Faden zu entdecken, der ihn aus dem Labyrinthe formlos durcheinander geworfener Schönheiten herausführen und zum Bewußtsein bringen könnte, was er denn eigentlich gehört habe. Daß der Autor stürmischen Erfolg erzielte, bedarf kaum der besonderen Erwähnung; und er hat jedenfalls Ursache, sich bei den Philharmonikern und ihrem Dirigenten herzlich zu bedanken. Eine detaillirte Beurtheilung des ganzen Werkes ist bei einmaligem Anhören selbstverständlich ausgeschlossen.
[... über andere Konzerte und einen Liederabend von Frau Kahlig] innerhalb der ganzen ersten Stunde ihres Concertes bekamen wir von ihr - genau gerechnet - zwei Lieder zu hören. Freilich nahm Rubinstein's Violin-Claviersonate in G viele Zeit in Anspruch, allein das war nicht der Zweck unseres Kommens.        h. w." (**).

Von der gestrigen Aufführung des »Te deum« berichtet die Extrapost Nr. 518 auf S. 5f:
     " - Das gestrige zweite Gesellschaftsconcert hatte vollen Erfolg zu verzeichnen. Das Programm bot Vielerlei, jedesmal in gelungener Ausführung. [... nach Schumann] kam als pièce de resistance des Ganzen Anton Bruckner's herrliches Te Deum zur Aufführung, ein großartiges Werk, dessen gewaltige Schwungkraft die andachtsvoll lauschende Zuhörerschaft zu begeistertem Jubel hinriß. Die Solopartien waren durch Frl. Friederike Mayer, sowie die Herren Schittenhelm und Felix Forstner trefflich vertreten. Hoffentlich legt der große Erfolg, den diese Composition unter Gericke's befeuernder Leitung errungen, den Gedanken nahe, das eindrucksvolle Product bald wieder zu Gehör zu bringen." [keine Signatur] (***).

Kalendernotiz Bruckners: »Am 21. Dez. Fr Kathi 10 fl gezalt für Jänner 892, u Weihnachten.« (°).
Datum unterstrichen und Notiz »Bt.« [Beichttag] in den Gebetsaufzeichnungen (°°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189112215, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189112215
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11