zurück 20.12.1891, Sonntag (4. Advent) ID: 189112205

Inhalt:
A. Brief (*)
B. "Te deum" - Konzert und Ankündigungen (**) bis (°°b)
C. Erstdruck d-Moll-Messe (°°c) bis (°°e)
D. 1. Symphonie am 13.12.1891 (°°°), (#), auch E. (a) und (b)
E. Varia: Amsterdam (#a), Commers (##), Neuer Wagner-Verein (###), Pange lingua (c), Artikel (d)
 
 
A. Brief
[Auf ca. 20.12.1891 zu datieren]

Brief Schönaichs an Bruckner:

    Kommt erst jetzt, nach fast acht Tagen, dazu, für den mächtigen Eindruck der 1. Symphonie zu danken; sie sei ein Doktorat für die Ewigkeit (*)
 
 
B. "Te deum" - Konzert und Ankündigungen

(**)
2. Gesellschaftskonzert unter Gericke mit Werken von C. Ph. E. Bach (Sinfonie F-Dur in einem Satz), J. S. Bach (1. Satz aus »Wie schön leuchtet der Morgenstern«), Brahms (Violinkonzert) und Schumann (Requiem für Mignon) und Bruckners »Te deum« (**).
Als Solisten sind Hans Wessely (Violine), Fr. Gisela Körner, Frl. Beer, Frl. Friederike Mayer, E. Hofmann und die Herren Anton Schittenhelm und Felix Forstner überliefert (**a), als Chor der Wiener Singverein (**b).
Brahms ist mit Gerickes Dirigieren nicht zufrieden (***).
Der Besuch läßt zu wünschen übrig (°).

(°°)
Auf das Konzert hatten aufmerksam gemacht Annoncen

in der Wiener Allgemeinen Zeitung Nr. 4102 auf S. 12:
"Gesellschaft der Musikfreunde. | Grosser Saal.
Sonntag den 20. December 1891, Mittags ½1 Uhr: | Zweites | Gesellschafts-Concert. | Dirigent: Herr Wilhelm Gericke. | Mitwirkende: Herr Hans Wessely, Violin-Virtuose. Herr Anton Schittenhelm, k. u k. Hof-Opernsänger - Der Singverein. - Das Gesellschafts-Orchester. | PROGRAMM: | [... Ph. Em. Bach, J. S. Bach, Brahms, Schumann ...] 5. Bruckner, Te Deum, für Chor mit Soli, Orchester und Orgel. (II. Aufführung.) [... Eintrittskarten ...]" (°°a),

in der "Presse" Nr. 349 auf S. 20: "GESELLSCHAFT DER MUSIKFREUNDE. | Grosser Saal. | Sonntag den 20. December 1891, Mittags halb 1 Uhr: | II. Gesellschafts-Concert. | Dirigent: Herr Wilhelm Gericke. | Mitwirkende: Fräulein Friederike Mayer, Concertsängerin. Herr Hans Wessely, Violin-Virtuose. - Der Singverein. - Das Gesellschafts-Orchester. | PROGRAMM: | [... Ph. Em. Bach, J. S. Bach, Brahms, Schumann ...] 5. Bruckner, Te Deum, für Chor mit Soli, Orchester und Orgel. (II. Aufführung.) [... Eintrittskarten ...]"(°°a1),

im Deutschen Volksblatt Nr. 1063 auf S. 19 [inhaltlich wie die anderen Inserate] (°°a2),

in der Neuen Freien Presse Nr. 9813 auf S. 14 [inhaltlich identisch] (°°a3),

in der Wiener Zeitung Nr. 293 auf S. 11 [inhaltlich identisch] (°°a4)

(°°b)
und in der Deutschen Zeitung Nr. 7174 auf S. 14 [bei den Mitwirkenden nicht ganz identisch mit der vom 13.12.1891]:
"Grosser Musikvereins-Saal. / Sonntag den 20. December, Mittags ½1 Uhr: / Zweites Gesellschafts-Concert. / Dirigent: Herr Wilhelm Gericke. / Mitwirkende: Fräulein Friederike Mayer, Concertsängerin, Herr Anton Schittenhelm,  k. u.. k. Hof=Opernsänger, Herr Hans Wessely, Violin=Virtuose. Der Singverein. Das Gesellschafts=Orchester. / PROGRAMM: / [... Ph. Em. Bach, J. S. Bach, Brahms, Schumann ...] 5. Bruckner: Te Deum, für Chor mit Soli, Orchester und Orgel. (II. Aufführung.) [... Eintrittskarten ...]" (°°b).

 

C. Erstdruck d-Moll-Messe

(°°c)
Eine weitere Annonce auf derselben Seite (in der Deutschen Zeitung) meldet, daß der Erstdruck der d-Moll-Messe (Partitur, Orchesterstimmen und Singstimmen) im Verlag Joh. Gross »soeben erschienen« und bei Th. Rättig erhältlich ist:
"Anton Bruckner. / Soeben erschien: / Messe in D für Chor, Soli und Orchester. / Partitur .......... netto M. 20.- / Orchesterstimmen          netto M. 25.- / Singstimmen (à M. 1.25)          M. 5.- / (Clavier-Auszug mit Text, bearbeitet von Ferd. Loewe, / für M. 5.- netto, unter der Presse.) / Verlag von Joh. Gross in Innsbruck. / Wien bei Th. Rättig, / I., Wallnerstrasse 1." (°°c).

Ein nahezu identisches Inserat erscheint auch im Deutschen Volksblatt Nr. 1063 auf S. 9:
"Soeben erschien: Anton Bruckner. Messe in D [... inhaltlich identisch mit °°c)]" (°°d)

und in der Neuen Freien Presse Nr. 9813 auf S. 15 [inhaltlich identisch mit (°°d)] (°°e).

 

D. 1. Symphonie am 13.12.1891

(°°°)
Die Linzer Zeitung berichtet, die Wiener Abendpost [vom 18.12.1891] zitierend, von der Aufführung der 1. Symphonie [am 13.12.1891]:
"     * (Bruckners C-moll-Symphonie.) In Wien wurde im dritten philharmonischen Concerte als Novität die C-moll-Symphonie von Anton Bruckner aufgeführt. Der Referent der "Wr. Abendpost" schreibt: Bruckner hat die Symphonie vor mehr als zwei Decennien zur Zeit seines Linzer Aufenthaltes in ihrer ursprünglichen Gestalt componirt, in der sie [... der gesamte Text ist identisch mit dem vom 18.12.1891, abgesehen von 2 orthographischen Abweichungen: "Blüten" und "schade" (statt "Blüthen" und "Schade")! ...] Das Publicum hat sich trotzdem für das bedeutende Werk auf das lebhafteste interessirt und dem Autor vielen Beifall gespendet. [keine Signatur]" (°°°).

(#)
Auf dieses Konzert geht auch die Musikalische Rundschau Nr. 35 auf S. 308 ein:
"     Die Philharmoniker brachten in ihrem dritten Concerte [...] Anton Bruckner's Symphonie C-moll zur ersten Aufführung. Das interessante, wenn auch in seinen Theilen nicht völlig ausgeglichene Werk fand lebhaftesten Anklang. Es enthält unzweifelhaft grosse Züge, eine Fülle von Klangzauber ergiesst sich über den Zuhörer, das Orchester funkelt und leuchtet wiederholt in verführerischem Farbenglanze. Die coloritkräftige Orchestration hat vornehmlich das Glück des Werkes gemacht. Am wenigsten gelungen mutheten die beiden ersten Sätze an. Wir vernehmen da inhaltsschwere Töne, Themen von weitem tiefem Athem und in der Ausarbeitung zuweilen von echtem Schwung. Leider zerbröckelt indess das Ganze in willkürlich aneinandergereihte Einzelheiten und geht so des mächtigen Eindruckes, der bei strammerer Gestaltung leicht hätte erzielt werden können, verlustig. Das Scherzo ist ein Meisterstück von echt symphonischen Bau und gesunder Erfindung. Auch der etwas langgedehnte vierte Satz enthält Bemerkenswerthes. Wir verspüren den Anhauch starker Leidenschaft, allein es fehlt die rechte Concentration, die organische Entwicklung der Motive. Nach schönem Beginn verläuft die Fortsetzung in's Vage, ein bedauerlicher Fehler, der den hochbegabten Componisten um die Früchte seines schon halberrungenen Sieges bringt. Man möchte Bruckner mit dem grossen carthagischen (Feldherrn vergleichen, von den [sic] man treffend gesagt hat:
     Vincere scis, Hannibal, victoria uti nescis!
Du weisst zu siegen, nicht aber den Sieg auszunützen). [sic]
          Dr. Max Dietz." (#).

 

E. Varia

(*a)
Auf S. 312 der Musikalischen Rundschau ist die Aufführung des »Te deum« am 3.12.1891 in Amsterdam verzeichnet:
"          Concerte.
In Amsterdam hat der unter Leitung des Herrn H. Viotta stehende Gesangverein "Excelsior" am 3. d. M. Berlioz' "Romeo- und Julie"-Symphonie und das Te deum von Anton Bruckner mit glänzendem Erfolge zur Aufführung gebracht." (#a).

(##)
Die Ostdeutsche Rundschau Nr. 50 listet auf S. 5 die Begrüßungsschreiben auf, die beim Commers am 11.12.1891 eintrafen:
Mittheilungen
Zum Bruckner-Commers des Wiener akademischen Gesangvereins, der nach einer durchaus nicht übertriebenen Schätzung von mindestens dreitausend Personen besucht war, sind aus Oesterreich und Deutschland zahlreiche Begrüßungsschreiben von Verehrern des großen Tondichters eingelangt. Wie führen folgende an: F. Mottl (Carlsruhe), Freiherr v. Wolzogen (Bayreuth), J. Hummel, Director des Mozarteum (Salzburg), Hofrath Prof. Stefan (Wien), Dr. Boller (Wien), Gesang- und Orchesterverein (Krems), Prof. Gianicelli (Budapest), Altwirth, Funk, Dr. Hoke, Kanamüller, Maurhard, Dierkes (Linz), Wiener Männergesang-Verein, mehrere Bruckner-Verehrer (Stift St. Florian), Linzer und Linzerinnen, Bürgermeister Wimhölzl (Linz), Graf Lamberg (Steinach), Wilhelm Kienzl (Linz), phil. Chor Schwalm, Ochs (Berlin), Akademischer Gesang-Verein (Innsbruck), Deutscher "Gesangverein" (Graz), Hellmesberger und Lehrkörper des Conservatoriums (Wien), ferner von der Liedertafel in Steyr, von dem Sängerbund, dem Musikverein und der Liedertafel Frohsinn und dem Richard Wagner-Zweigverein in Linz, endlich von dem Kirchenmusikverein in Preßburg." (##). 

(###)
Auf derselben Seite werden Mitglieder für den von Cyrill Hynais geleiteten Chor des Neuen Richard-Wagner-Vereins geworben. Man beabsichtige, auch Bruckner-Chöre [prov. WAB 67] aufzuführen:
""Der Neue Richard Wagner-Verein zu Wien" fordert hiemit deutsche stimmbegabte Männer und Frauen auf, seinem Vereinschore beizutreten. [...] werden die Proben erst begonnen werden, wenn mindestens 40 verläßliche Anmeldungen eingelaufen sind. Der Chor steht unter der Leitung des Kunstwartes Herrn Cyrill Hynais (Schüler des großen Meisters Dr. Anton Bruckner) und der Verein beabsichtigt in der nächsten Zeit Chöre aus den Werken Wagner's, Liszt's, Bruckner's aufzuführen. Freundliche Anmeldungen (mit genauer Angabe des Wohnortes) bittet der Verein an den Kunstwart, Herrn C. Hynais, V., Hundsthurmstraße 12 schriftlich bis längstens 10. Januar gelangen zu lassen." (###).

(a)
Auf S. 6 Kurzbericht über die Aufführung der 1. Symphonie am 13.12.1891:
"Musik
I. Aufführung der C-moll-Symphonie Anton Bruckner's durch die Philharmoniker am 13. d. M.
Mit ungeheurem Jubel begrüßt, fand die erste denkwürdige Aufführung dieser herrlichen gigantischen Tonschöpfung statt. Der greise Meister wurde immer und immer wieder hervorgerufen und erhielt einen Lorbeerkranz. Wir kommen auf dieses Wunderwerk in nächster Nummer eingehend zurück." [in der ABIL-Dokumentation ist diese angekündigte Ausgabe nicht erfasst - evtl. 27.12.1891 oder 3.1.1892?] (a).

(b)
Die Deutsche Kunst- und Musik-Zeitung Nr. 36 weist auf S. 321f (signiert "R.") auf die heutige Aufführung des »Te deum« hin und bringt eine Kritik zur 1. Symphonie:
"          III. Philharmonisches Concert.
     Das Ereignis dieses Concertes war die erste Aufführung der ersten Symphonie von Anton Bruckner, dem jüngsten Ehrendoctor der Wiener Universität. Schade, daß es nicht bekannt gegeben wurde, aus welchem Jahre das Werk stammt. Bruckner ist mit seinen Sym­phonien ganz anders vor die Oeffentlichkeit gekommen, als die anderen älteren und neueren Symphoniker. Ein Jahr lang machte die siebente Symphonie in Deutschland die Runde; dann versuchte es die D-molI=Symphonie; jetzt tritt die allererste Symphonie heraus und wahrschein­lich wird ihr Schicksal dasselbe sein, wie das ihrer Schwester: bei Seite gelegt zu werden. Der wahre Ruhm läßt sich doch nicht machen; er muß entstehen und bedarf dazu des ertragfähigen Bodens. Diesen liefert das Talent Bruckner's nun einmal nicht. Die aufgeführte Symphonie (in C-moll) ist ein neuer Beweis dafür, und ein Beweis in doppelter Richtung. Sie unterscheidet sich von den anderen Symphonien Bruckner's fast gar nicht. Auch sie bringt hie und da einzelne musikalische Anläufe, aus denen indessen nichts wird, und ist im Ganzen ohne Ordnung, ohne Ziel, ohne Plan. Auch in ihr ist das Scherzo relativ der beste Satz, weil diese Form am leichtesten zu handhaben ist. Zeigt sie also an und für sich schon Bruckner als denjenigen, als den wir ihn auch aus anderen Symphonien kennen, so zeigt sie andererseits wieder, daß der Componist von ihr bis zur siebenten Symphonie auch keinen Schritt vorwärts gegangen ist; er ist der Alte, oder, wenn man will, auch in seinen alten Tagen der Junge geblieben. Auch der Erfolg dieser Symphonie war derselbe, wie der der anderen Symphonien. Während sich ein Theil des Publicums, dem diese Musik zu wenig Interesse einflößt, ruhig entfernt, bringt die hoffnungsvolle akademische Jugend, die den Ehrendoctor unlängst durch einen Festcommers besonders gefeiert hat, ihrem musikalischen Lector begeisterten Beifall entgegen. Das wird sich im bevorstehenden Gesellschaftsconcerte, in welchem Bruckner's Te Deum aufgeführt werden wird, gewiß wiederholen und da müssen wir uns noch vom Auslande Vorwürfe machen lassen über die Vernachlässigung eines heimischen Talentes. Wo in aller Welt hört man Bruckner's Werke so häufig und, was gar nicht leicht ist, so gut aufgeführt, wie in Wien? Die Aufführung der Symphonie war glänzend und prächtig, wie es bei den Philharmonikern selbstverständlich ist. [... kurze Bemerkung zu Spohrs Violinkonzert und den Solisten Johannes Wolff ...] Eine sehr schöne Aufführung von Beethoven's Ouverture zur Namensfeier hatte das Concert eingeleitet.
                    R." (b).

(c)
Datierungen "20.12.91" in Abschriften der Tenor- und Baßstimme des "Pange lingua" (WAB 31) in der restaurierten Fassung vom 19.4.1891 [Aufführung am 26.12.1891] (c).

(d)
In einem Feuilleton-Artikel im "Vaterland" Nr. 349 auf S. 9f (= S. 1f des Beiblatts) wird Bruckner erwähnt:
"               P. Simon Rettenbacher
als Sänger Marco d'Aviano's und der Schlacht am Kahlenberge.

     Als im vorigen Jahre das Liebenberg=Denkmal enthüllt wurde, machte das "Vaterland" im Anschlusse an Onno Klopp's geschichtliche Darstellung der Befreiung Wiens von der Türkennoth auf die anderen Männer aufmerksam, welche wohl eher ein Monument verdient hätten als der damalige Bürgermeister von Wien, der allerdings auf seinem Posten, aber doch keine Heldengestalt war. [... in Kremsmünster Rettenbachers Ode auf d'Aviano gefunden ... Text des lateinischen Gedichts ... Analyse, Beziehung zu Horaz ...]
     Es ist schade, daß Rettenbacher's ebenso patriotische als schöne Ode im Jahre 1883 noch nicht bekannt war [200 Jahre Schlacht am Kahlenberg]; es wäre dieselbe, von einem vaterländischen Tondichter, wie wir ihn an Dr. Anton Bruckner besitzen, in Musik gesetzt, als Festcantate so recht am Platze gewesen. [... Wien solle ein Prachtexemplar von Rettenbachers Werk dem Sänger als Erinnerung und als Denkmal widmen] und als Mahnruf, wenigstens bis zum Jahre 1983 diese Dankesschuld abzutragen.
      Wien.
                  Professor Dr. Michael Gitlbauer." (d).

 


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189112205, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189112205
letzte Änderung: Dez 15, 2023, 13:13