zurück 18.11.1892, Freitag ID: 189211185

Besprechungen des 150. Psalms
durch Theodor Helm in der Deutschen Zeitung Nr. 7504 auf S. 1f:
"                    Concerte.
     Die interessanteste Nummer des letzten Gesellschafts=Concertes war jedenfalls "Der 150. Psalm" in Bruckner's kraftvoll meisterlicher Vertonung. Ein wahrhaft apostolisch freudigerregter Lob= und Preisgesang zum Ruhme des Herrn, am meisten dem berühmten Tedeum Bruckner's verwandt, wenn auch in knapperen Formen gehalten als dieses. Jedenfalls [... zur Textfortsetzung siehe die Anmerkung! ...] der ihm bei tadelloser Wiedergabe sicher wäre. Schließlich empfehlen wir Denjenigen, welche Bruckner's Psalm bei sich zu Hause näher studiren wollen, den von einem würdigen Jünger des Meisters, E. Hynais [sic!], sehr sorgfältig gearbeiteten Clavierauszug (wie die Partitur von L. Doblinger in Wien verlegt). [... über die weiteren Werke des Programms ... über weitere Konzerte: Alfred Reisenauer, Gisela Pàszthory-Voigt ... ] Es läßt sich nicht leugnen, daß gerade in Liszt's Sonate manche zarte Stelle, über welche Frau Pàszthory glatt hinwegschritt, mit innigem Verweilen ungleich mehr wirken mußte.
     Theodor Helm." (*)

und Hans Paumgartner in der Wiener Zeitung Nr. 264 (Wiener Abendpost) Beilage S. 5f, signiert »dr. h. p.«:

»                              Concerte.
     Das erste philharmonische Concert [... über dieses Konzert ...]
     Das erste Gesellschaftsconcert hatte gleichfalls zwei Novitäten in sein Programm aufgenommen: den 150. Psalm von Anton Bruckner und "Wanderers Sturmlied" von Richard Strauß. Alle Achtung vor Bruckner, vor Allem vor seinen Symphonien in Es- und E-dur, diesen großartig=kühnen Tongedichten. Allein sein 150. Psalm hat uns gar keine Freude gemacht. Er ist vor Allem ganz unnatürlich, geschraubt ohne innere Ursache. Dieses ewige äußerlich=effectvolle Hinaufschrauben der Singstimmen, besonders der Soprane, in die höchsten Lagen wirkt befremdend, man fragt erstaunt, warum das Alles so sein muß. Vielleicht will sich Bruckner dramatisch aussprechen, uns erschien das Ganze mehr opernhaft. Das kurze Sopransolo, von einer Solovioline äußerst befremdend vorbereitet, ist wohl das unsanglichste, was man hören kann. Wenn Beethoven im dithyrambischen Fluge seiner Neunten die Stimmen über alle Grenzen hinaus jubeln läßt, so ist dies der Ausfluß und äußere Ausdruck eines ungeheuren inneren Lebens im Künstler. Bruckner jedoch ist nur unsanglich und unschön. Der Bruckner'sche Psalm fand bei den zahlreichen persönlichen Freunden des Componisten begeisterte Aufnahme. Wir können uns bei aller Verehrung für Bruckner diesem Parteitreiben nicht anschließen. Viel mehr Freude hat uns "Wanderers Sturmlied" von Richard Strauß, für Chor und Orchester componirt, bereitet. [... über die anderen Werke, Lob für Adele aus der Ohe ... Um das Konzert] hat sich die Hofopernsängerein Frl. Henriette Standthartner ein ganz besonderes Verdienst erworben. Sie sprang in letzter Stunde ein, übernahm das undankbare Sopransolo im Bruckner'schen Psalm und sang die Loreley mit dem Reize ihrer wunderschön krystallreinen Sopranstimme und ihres edel=musikalischen Vortrages. Herr Capellmeister Gericke hat das interessante Concert vortrefflich geleitet und der Singverein dabei vorzüglich gesungen. [... über Kammermusikabende ... schlecht über Alfred Reisenauer, gut über die Geigerin Hochmann ...]
                                       dr. h. p.« (**).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189211185, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189211185
letzte Änderung: Mai 14, 2024, 8:08