zurück 17.11.1892, Donnerstag ID: 189211175

Brief von Ida Buhz an Bruckner: 
   Über die Aufführungen des 150. Psalmen und der 8. Symphonie. Bruckner solle danach zur Erholung nach Berlin kommen (*).

Artikel Hanslicks in der Neuen Freien Presse Nr.10142 auf S. 1f über den 150. Psalm :
„              Concerte.
    Ed. H . Das war ein recht schlimmes Omen für den Beginn unserer Musiksaison! Das erste Concert, welches den Bösendorfer=Saal zu allem Guten und Schrecklichen dieses Winters einweihen sollte, ward im allerletzten Augenblicke - abgesagt Fuchs'sche Serenade in ihrer Anspruchslosigkeit mich mehr befriedigte, als zwei kraftgenialische Novitäten von Richard Strauß und Bruckner, mit denen das „Erste Gesellschaftskonzert“ uns bekannt gemacht hat. 
    [... über Goethe und "Wanderers Sturmlied" von Richard Strauss ...] Das Wohlthätige des Zwanges, dass der Vocalcomponist sich dem Inhalt und der Form einer bestimmten Dichtung anbequemen musste, bewährte sich in Strauß' „Sturmlied“ sowie auch in dem „150. Psalm“ von Bruckner. Die absolute Freiheit der Instrumental=Komposition erscheint bei Strauß und Bruckner als ein meisterloses Schweifen der Phantasie, welche, des organischen Zusammenhanges spottend, sich gern ins Ungemessene verliert. Dem wenigstens ist in der Vocal=Composition ein Zügel angelegt. [... über das "Sturmlied" ...] Es hat im Publicum sehr coole Aufnahme gefunden. Mehr Beifall entsteht der „150. Psalm“ von Anton Bruckner; ihm kam ein doppelter Vortheil zu statten: die Kürze des Werkes und die Anwesenheit des hier persönlich beliebten Componisten. Bruckners Muse ist die Ekstase. [... über das Werk ...] Die neue Komposition Bruckner's entbehrt nicht der äußerlichen Wirkung, ist aber nach ihrem künstlerischen Gehalt mit seinem „Te Deum ” nicht zu vergleichen. Der von Wilhelm Gericke trefflich geleitete „Singverein“ hat in der Ausführung dieses überaus schwierigen Psalms ein Meisterstück geliefert. Allen voran gab Fräulein Standhartner einen Beweis ihrer musikalischen Bildung und Zuverlässigkeit. Zugleich ein schönes Beispiel bereitwilliger Sinne, indem sie für eine plötzlich erkrankte Sängerin in letzter Stunde das anstrengende Loreley=Finale von Mendelssohn gewann. [... über das Liszt-Klavierkonzert ...] Wir erinnern uns nicht, dieses vielgespielte Konzert effectvoller gehört zu haben, auch nicht von Sophie Menter. Adele aus der Ohe ist heute wol die Königin in dem Liszt'schen Amazonenheer.“ (**).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189211175, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189211175
letzte Änderung: Jan 23, 2024, 8:08