zurück 6.4.1893, Donnerstag ID: 189304065

Bericht der Steyrer Zeitung Nr. 28 auf S. 2 (datiert 4.4.1893, signiert »V.«) über die Aufführung der d-moll-Messe am 2.4.1893.
Bruckner werde in der Behandlung des Orgelpunktes und des Kontrapunktes vielleicht nur noch von Brahms im Deutschen Requiem übertroffen.
"Prof. Dr. Anton Bruckner's D-Messe.
                         
    Steyr, 4. April 1893.
     Es ist zwar im allgemeinen nicht gebräuchlich, kirchliche Musikaufführungen auf das Forum zur Schaustellung zu zerren und darüber Concertberichte zu schreiben; wenn es hier ausnahmsweise dennoch geschieht, so mag beachtet werden, daß diese Zeilen hauptsächlich dem wärmsten Danke Ausdruck geben sollen, [... über die Entstehung und den Gehalt des Werkes ...]. Von der genialen Behandlung des Orgelpunktes – unter den lebenden Tonsetzern vielleicht nur von J. Brahms in seinem deutschen Requiem übertroffen – im Kyrie, Credo und anderen Orten abgesehen, ist die von der Viola und dem Baß contrapunktirte Doppelfuge am Schlusse des Gloria ein Meisterwerk der Contrapunktik.
     Die Aufführung dieses großartigen Werkes stellte an die heimischen Musiker und Sänger ganz ungewöhnliche Anforderungen. [... 30 Proben ... Franz Bayer ... Solisten: Frau und Frl. Jonasch und die Herren Brandl und Ebmer ... Pfarrer Johann Aichinger möge diese Osterfreude] eine genügender Ersatz sein für die ganz bedeutenden materiellen Opfer, die er diesem edlen Zwecke gewidmet hat.      V." (*).
 
In derselben Zeitung auf Seite 1f ein Bericht über den Ehrenabend mit dem Gedicht August Rieners:
"       Ehrenabend für Bruckner in Steyr.
     Um Gelegenheit zu haben, dem lieben guten Meister die Anerkennung und Verehrung auszudrücken, wurde von Mitwirkenden bei der D-Messe ein Ehrenabend eingeleitet, der am Tage der Aufführung dieses Meisterwerkes, am Ostersonntag, im Hotel "zum goldenen Schiff" dahier abgehalten wurde. Die mitwirkenden Damen und Herren, denen sich noch andere Gäste beigesellten, waren in schöner Zahl erschienen. Der hochw. Herr Consistorialrath und Stadtpfarrer Joh. Ev. Aichinger und mehrer andere Mitglieder des Clerus von Steyr nahmen ebenfalls an dem Abend theil.
     Als der verehrte Meister Bruckner in Begleitung des Herrn Chorregenten Bayer erschien, wurde er von den Versammelten mit stürmischen "Hochs" und Händeklatschen empfangen. Freundlich dankend begrüßte der Gefeierte die Anwesenden und nahm an der Seite des Herrn Stadtpfarrers Platz. Alsbald entwickelte sich recht heiteres und gemüthliches Leben. Herr Melichar, an welchen von den Veranstaltern das Ersuchen gestellt wurde, den Festabend zu eröffnen, hielt eine kurze Begrüßungsansprache, welche er unter lebhaftem Beifall in ein "Hoch" auf Meister Bruckner ausklingen ließ. – Der Gefeierte erwiederte [sic] in herzlicher Weise und wollte das Verdienst des Tages ganz von sich ab und auf die Mitwirkenden lenken, besonders auf Herrn Chorregenten Bayer und den hochw. Herrn Stadtpfarrer, durch dessen kräftige Unterstützung und Förderung die D=Messe in der Kirche zu Gehör gebracht werden konnte. [... Dank und Bewunderung für die Leistung ...]. – Bald darauf wurde ihm ein mächtiger Lorbeerkranz mir rother Schleife von Fräulein Johanna Jonasch überreicht. Das Fräulein hielt dabei folgende Ansprache:
     "Hochgeschätzter Herr Doctor! Mir wurde die Ehre zu Theil, Ihnen, hochgeschätzter Herr Doctor, im Namen der bei der heutigen Aufführung Ihrer D=Messe mitwirkenden Damen und Herren, als kleines Zeichen unserer unwandelbaren Hochschätzung und Verehrung diesen Lorbeer zu überreichen. Mögen Sie, hochgeschätzter Herr Doctor, es nicht als unbescheiden betrachten, daß wir es gewagt haben, Ihre unsterbliche Composition zur Aufführung zu bringen, und wenn Sie in Ihrem Dichterheim diesem kleinen Zeichen der Hochschätzung und Verehrung ein bescheidenes Plätzchen widmen wollen, so werden wir uns dadurch sehr geehrt und belohnt fühlen."
     Die Schleife trägt mit Goldbuchstaben die Inschrift: "Die Mitwirkenden bei der D=Messe, Dem großen Meister Bruckner, Steyr 2. April 1893". – Sichtlich überrascht und gerührt nahm Meister Bruckner den Lorbeerkranz entgegen, und gab seinem innigen Danke für diese Ehrung herzlichen Ausdruck.
     Die Ueberraschungen waren aber noch nicht zu Ende. Herr Chorregent Franz Bayer hatte im Laufe des Tages mehrmals seine Freude ausgesprochen über die Ueberraschung, welche Herrn Professor Dr. Bruckner bevorstand, ohne zu ahnen, daß ihn selbst eine solche erwartete. Die Mitwirkenden hatten nämlich beschlossen, ihm als Andenken an das musikalsche Ereigniß am 2. April 1893 und als Zeichen ihrer Anerkennung seiner Bemühungen einen Taktstock zu spenden. Fräulein Johanna Mayr übergab den mit Silber beschlagenen Taktstock aus Ebenholz in einem geschmackvollen Etui und hielt an Herrn Bayer nachstehende Ansprache:
     "Hochgeehrter Herr Bayer! An dem Tage, wo eine der herrlichen Schöpfungen unseres gottbegnadeten Landsmannes Herrn Dr. Bruckner nicht nur uns, sondern ganz Steyr begeisternd erhebt, ist es Ehrenpflicht, auch desjenigen Mannes zu gedenken, welcher die Kirchenmusik in Steyr auf jene Höhe brachte, die sie heute einnimmt, und dessen Verdienst es vor Allem ist, daß dieses schöne Meisterwerk in Steyr zur Aufführung gelangen konnte. Wir sind der Schwierigkeit dieses Unternehmens bewußt und wissen Ihre unermüdliche Ausdauer in vollem Umfange zu schätzen. Ich bitte Sie daher im Namen aller Mitwirkenden, diesen Taktstock als Erinnerung an den heutigen Ehrentag entgegen zu nehmen. Mögen Sie denselben recht oft über uns schwingen, möge uns derselbe in Ihrer Hand noch recht oft zu schönen Thaten begeistern zur Ehre unseres großen Meisters, zu unserer Aller Ehre, zur Ehre unseres Herrn Regenschori Bayer."
     Herr Bayer war sehr ergriffen, und vermochte erst später seinem Danke für diese Spende, mit dem er auch den Dank für die Mitwirkung bei der D=Messe verband, Ausdruck zu geben. – Noch manche Reden wurden gehalten und manches "Hoch" noch ausgebracht. Meister Bruckner gab auch noch die Versicherung, daß ihn die heutige Aufführung der D=Messe deswegen besonders freue, weil sie an dem größten christlichen Feste und in der Kirche stattgefunden habe, und dort gehöre die Messe hin, denn zur Ehre Gottes habe er sie geschaffen; die Messe sei erst am Charfreitag in Hamburg unter großem Beifall aufgeführt worden, das mache ihm aber weitaus nicht so viel Freude. Herr Stadtpfarrer sprach unter allgemeiner freudiger Zustimmung die Erwartung aus, daß man in Steyr noch manches Meisterwerk Bruckner's, z. B. das Te Deum, werde zu hören bekommen.
     Lebhaften Beifall fand auch ein sehr launiger Toast, welchen Herr Lehrer A. Riener auf die mitwirkenden Damen ausbrachte. Lehrer Riener feierte auch den Componisten der D=Messe in folgendem recht gelungenen Gelegenheitsgedicht:
     Meister, ich grüße Dich in unsern Mauern,
     [... insgesamt neun Strophen ...]
     Unlöschlich wirst Du, Dein Werk und Dein Streben
     Eingeschrieben im Herzen uns steh'n.
     Die allgemein freudige Stimmung wurde noch erhöht durch Musik und Gesang, wovon von erwähnt sei die herrliche Clavierpiéce, welche Frau Fanny Melichar in gewohnter Meisterschaft vorzutragen die Güte hatte, und das liebliche "Mein Herz thu' ich auf", Quintett mit Sopransolo vom Abt. Kein Wunder daß man sich allseitig und gut unterhielt. Gewiß werden alle Theilnehmer an diesem Abend der gemüthlichen Stunden, die nur den einen Fehler hatten, daß sie zu rasch entschwanden, oft und gerne gedenken." [keine Signatur] (**).
 
Rezension von August Riener »Die Aufführung der Bruckner'schen D=Messe in Steyr« im Alpen-Boten (***).
 
Verspätetes Telegramm Bruckners an Hans Richter:
     Sendet aus Steyr seine Gratulation zum "hochbedeutenden feste" [Richters 50. Geburtstag am 4.4.1893] (°).
 
Im Musikalischen Wochenblatt Nr. 15 ist auf S. 226 eine Aufführung des "Te deum" verzeichnet:
"                Concertumschau.
     Aachen.
5. Städt. Abonn.-Conc. (Schwickerath) unt. solist. Mitwirk. der Frauen Uzielli u. Hahn u. der HH. Naval u. Sistermans: H moll-Symphonie v. Schubert, "Siegfried-Idyll" von Wagner, Ouverturen v. Beethoven ("Coriolan") und Goldmark ("Im Frühling"), "Te Deum" f. Soli, Chor u. Orch. v. A. Bruckner, "O schöne Nacht", "Späthherbst" u. "Neckereien" f. vier Solostimmen m. Clav. v. Brahms, Ukrainische Liebeslieder f. do. v. I. Knorr. – [...]" (°°).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189304065, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189304065
letzte Änderung: Aug 24, 2023, 21:21