zurück 7.4.1893, Freitag ID: 189304075

Im Deutschen Volksblatt Nr. 1530 wird im Feuilleton (signiert "d.") auf S. 2 Tilgners Bruckner-Büste [IKO 55] erwähnt:
"        Die Wiener Plastik im Künstlerhause*).
[*) Fußnote: Hinweis auf zwei vorangegangene Artikel]
     Wir haben in unserer letzten Besprechung der heurigen Jahresausstellung im Künstlerhause nur einen allgemeinen Ueberblick gebracht, wie wir denselben bei oberflächlichem Durchstreifen der Räume gewannen. Wir glauben daher noch einen eingehenderen Bericht über die ausgestellte Plastik anfügen zu sollen, [...].
     Victor Tilgner's Makart ist eine von den Arbeiten des Künstlers, die am meisten Natürlichkeit aufweisen, das Haar steht zwar im Zeichen der Barockornamentik, aber der Blick und die Haltung des Kopfes waren dem Maler eigen, was bei den Büsten des Domcapellmeisters Preyer und Dr. A. Bruckner nicht behauptet werden kann. Wir müssen zugeben, daß Tilgner, wie kaum ein Anderer, den treffsichern Blick besitzt, was ihm den Sieg über alle Bildhauer, die sich dem Porträt widmeten, erringen half, wer aber Dr. A. Bruckner kennt, wird uns beipflichten, daß diese Haltung des Kopfes, wie sie die Büste zeigt, bei dem Componisten für gewöhnlich nicht beobachtet werden kann. Niemand würde aus dem Porträt des Domcapellmeisters [Preyer] den liebenswürdig heiteren Menschen erkennen, der er in Wirklichkeit ist. Dasselbe gilt auch von der Büste Wilhelm Jahn's, dessen gläserner Blick und halboffener Mund keineswegs die Intelligenz unseres Hofopern=Directors vermuthen lassen. Wir dächten aber doch, daß es die Aufgabe des Künstlers sein sollte, das Wesen und den Charakter, wie sie sich im Gesichte und in der Haltung abspiegeln, wiederzugeben. Das Bild soll uns den Eindruck von dem Menschen wie er "leibte und lebte" erhalten. Eines Porträtisten von dem Range Tilgner's halten wir es für unwürdig, Kopfbewegungen so decorativ auszunützen. [... über weitere Plastiken, die geringe Rolle der Plastik bei der Wohnungsgestaltung ... Hoffnung auf gute Verkäufe ...] Es wäre aber auch den Künstlern zu wünschen, denn viel wird geschaffen und so wenig angekauft.             d." (*).

Auf S. 8 wird die Aufführung des Quintetts am 12.4.1893 angekündigt: "Eine Aufführung von Meister Bruckner's Streichquintett. Der nächste Vereinsabend des Neuen Richard Wagner=Vereines wird sich zu einem für unsere musikalische Welt hochinteresanten Ereignis gestalten. Der Verein veranstaltet nämlich am 12 d. M. eine Aufführung des Streichquintettes von Bruckner durch Mitglieder des Opernorchesters. Neben den übrigen musikalischen Darbietungen wird auch Herr Chamberlain den Reigen seiner Vorträge: "Das Leben Richard Wagner's" fortsetzen und zwar diesmal das Verhältnis des Meisters zur social=religiösen Frage erörtern." (*a).

Brief Bruckners an Gustav Mahler (in Wien geschrieben):
    Dankt [für die Aufführung von »Te deum« und d-Moll-Messe in Hamburg]. Publikum und Kritik (erwähnt [Hamburger] Fremdenblatt, Hanslick etc.) bräuchten noch Jahrzehnte zum Verständnis. Empfiehlt die 4. Symphonie - für die 8. Symphonie sei Hamburg noch nicht reif. Beiliegend eine Karte für Herrn Zinne und eine Photographie. Hans Richter vergleiche ihn, wie seinerzeit Wagner, mit Beethoven. Auch das Lob des Brahms-Lehrers Marxsen habe ihn ähnlich getröstet (**).
Die diesem Brief vermutlich beigelegte Photographie [IKO 65] trägt auf der Rückseite den Text "Meinem hochedlen Freunde und Interpreten dem genialen H Kapellmeister Gustav Mahler / von / Dr ABrucknermp / 1893." (***)


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189304075, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189304075
letzte Änderung: Feb 02, 2023, 11:11