zurück 21.10.1893, Samstag ID: 189310215

Von der Berliner Aufführung der 3. Symphonie [am 16.10.1893] berichten
 
das Neuigkeits-Weltblatt Nr. 242 auf S. 10:
"     Man berichtet aus Berlin: Bruckner's dritte Symphonie (D-moll) hat bei der ersten hiesigen Aufführung im letzten philharmonischen Konzerte unter Kapellmeister Hermann Levi's Leitung einen glänzenden Erfolg errungen. Wie populär der geniale Wiener Meister in Berlin bereits ist, beweist die interessante Thatsache, daß die Aufführung der D-moll-Symphonie auf besonderen Wunsch des Publikums stattfand, welches von Bruckner durchaus eine neue ganze Symphonie hören wollte, während die Konzertleitung nur das Adagio einer schon gehörten (der Siebenten in E) zu wiederholen gedachte." (*)
 
und nochmals - sich auf Otto Ehrlichs Kritik im Berliner Courier beziehend - die Linzer Zeitung auf S. 1281:
„            Linzer und Kronlands=Nachrichten.
                               
Linz, 20. October.
[…]
     * (Noch einmal die D-moll-Symphonie Nr. 3 von Anton Bruckner.) Der bekannte Berliner Musikkritiker Otto Ehrlich schreibt im „Berliner Courier“ vom 17. d. über die Aufführung des obenbezeichneten Werkes: Anton Bruckner, ein in ganz Oesterreich seit langem Hochgeschätzter Künstler, steht bereits in dem hogen Alter von 69 Jahren; eine ganze Literatur großer Werke zeugt nicht nur von seinem unermüdlichen Fleiß, sondern auch von einem ungewöhnlichen Talent, das, um es ganz allgemein zu charakterisieren, allerdings mehr coloristischer als construierender Natur ist. Einen besonderen Einfluß auf den Componisten Bruckner hat Wagners Wirken und Schaffen geübt, zu dessen aufrichtigsten Bewunderern er gehört. Aber die strenge Geistesschulung geht ihm ab, die Wagner und alle großen Componisten auszeichnet, und die sie vor Abschweifungen und Irrwegen aller Art bewahrt. Vielleicht ist Bruckner überhaupt keine so original=schöpferische Natur, wie vorausgesetzt werden müßte, wenn seine weitaussehenden, großartig angelegten Compositionspläne zu entsprechender Ausführung kommen sollten. Aber trotzdem ist er interessant und auch eigenartig genug, um eine öftere Vorführung in unseren großen Concerten verlangen zu können. Heute steht ihm unser Publicum ganz fremd gegenüber. Persönliche Freunde hat der in seiner heimatlichen Klause weltfremd Dahinlebende hier gewiß nicht ein halbes Dutzend, und seine gewagten, um den äußeren Erfolg ganz unbekümmerten Erzeugnisse seiner Feder werden bei so seltener Vorführung, ohne jede Möglichkeit, sich an sie zu gewöhnen, niemals auf lebendigere Theilnahme rechnen dürfen. Jedenfalls hätte die gestrige, übrigens „Meister Richard Wagner in tiefster Ehrfurcht gewidmete“ Symphonie eine viel wärmere Aufnahme verdient, als sie sie gefunden hat. Ein Satz ist ganz reizend – ohne jeden Abzug – nämlich das Scherzo, dessen Hauptsatz wie Trio zu den allerglücklichsten Eingebungen gehört, und der melodisch, rhythmisch, kurz in jeder Weise den Stempel des Meisters trägt. Der erste Satz hat prächtige Themen, leider läßt sich weder im ersten Thema, noch – was ja schlimmer ist – in der Gesammtdurchführung desselben eine über die erlaubte Grenze hinausgehende Aehnlichkeit mit entsprechenden Stellen in Beethovens 9. Symphonie überhören. Das erste Thema des zweiten Satzes ist nicht bedeutend; sehr bald findet sich aber eine anderes (B-dur ¾ Andante), das zu einem entzückenden kleinen Satze verhilft. Auch im Schlußsatz ist thematisch ungemein Interessantes. Der durchgehende Hauptfehler aller Sätze (mit Ausnahme des Scherzo) ist der, daß die vorhandenen, sehr verwendbaren Themen öfter willkürlich abgebrochen werden, daß man dann wohl eine logische Entwicklung vermißt, daß auch die harmonischen Härten oft ohne ersichtlichen Grund auftreten. Dabei ist im großen und ganzen das allgemeine Formenschema der Symphonie beibehalten. Aber die Durchführung stockt eben zu oft, und so erhält man einen mosaikartigen Eindruck. Die ungewöhnlich häufig auftretenden, meist nur kurzen Generalpausen erinnern an eine gleiche Gepflogenheit bei Liszt; aber dieser ist in der thematischen Entwicklung viel einheitlicher als Bruckner, der bei solcher Gelegenheit oft einfach genug auf ein anderes Thema überspringt. Der Orchesterklang ist aber durchgehend von großer Schönheit, oft mächtig, oft aber auch ungemein zart. Die Ausführung der Symphonie seitens des Orchesters war vorzüglich “
[ohne die mutmaßliche Signatur des Originalartikels] (**).
 
Die Illustrierte Zeitung Leipzig Nr. 2625 erwähnt auf S. 471 die Aufführung von »Helgoland« am 8.10.1893:
„       Theater und Musik.
[…]
     – Das große Jubiläumsconcert des Wiener Männergesangvereins, das am 8. October in der Winterreitschule der k. k. Hofburg stattfand, brachte in der Hauptsache drei neue Chorwerke, die von den Componisten eigens für den festlichen Anlaß geschrieben waren: „Leonidas“ von Max Bruch, „Phöbus Apollon“ von Gernsheim und „Helgoland“ von Anton Bruckner. Die Kritik macht namentlich den beiden ersten Werken den Vorwurf, daß sie zu lang seien.“ (***).
 
Auf die Aufführung des »Locus iste« am 22.10.1893 weisen mehrere Zeitungen hin:
 
Fremdenblatt Nr. 291 auf S. 8:
„     (Kirchenmusik am Sonntag den 22. Oktober.)
[…]
     In der Votivkirche um 10 Uhr: Messe in C, op. 86, von Gottfried Preyer: Graduale (Locus iste) von A. Bruckner; Offertorium (Domine Deus) von F, X. Witt.“ (°),
 
Deutsches Volksblatt Nr. 1726 auf S. 2 des Abendblatts:
"     * [Kirchenmusik am Sonntag, den 22. October.] [...] – In der Votivkirche um 10 Uhr: Messe in C, op. 86, von Gottfried Preyer, Graduale (Locus iste) von A. Bruckner, Offertorium (Domine Deus) von F. X. Witt. – [...]" (°a),
 
"Das Vaterland" Nr. 291 auf S. 3 des Abendblatts:
"     (Kirchenmusik.) In der Votivkirche gelangt Sonntag, 22. d. M., um 10 Uhr zur Octav. Anniv. Dedic. Eccl. zur Aufführung: Gottfr. Preyer: Missa in C, op. 86; A. Bruckner: Graduale "Locus iste"; F. X. Witt: Offertorium "Domine Deus". – [...]" (°b),
 
Neue Freie Presse Nr. 10476 auf S. 6:
"     [Kirchenmusik am Sonntag den 22. October.] [...] – In der Votivkirche um 10 Uhr: Messe in C (Op. 86) von Gottfried Preyer, Graduale ("Locus iste") von A. Bruckner, Offertorium ("Domine Deus") von F. X. Witt. – [...]" (°°),
 
»Die Presse« Nr. 291 auf S. 2 im Abendblatt:
"     [Kirchenmusik.] Sonntag den 22. October: [...] – Votivkirche (10 Uhr): Messe in C, Op. 86, von Gottfried Preyer, Graduale (Locus iste) von A. Bruckner, Offertorium (Domine Deus) von F. X. Witt. – [...]" (°°°),
 
Wiener Tagblatt Nr. 291 auf S. 4:
"     * (Kirchenmusik.) Am 22. Oktober: In der Votivkirche (10 Uhr) Octava Annio. Dedic. Eccl. Gottfried Preyer: Missa in C, op. 86; A. Bruckner: Graduale "Locus iste"; F. X. Witt: Offertorium "Domine Deus"." (#)
 
und Wiener Zeitung Nr. 242 auf S. 3:
"     (Kirchenmusik.) [...] In der Votivkirche gelangt Sonntag, den 22. d. M., um 10 Uhr Vormittags, Octava Anniv. Dedic. Eccl.; zur Aufführung: Gottfr. Preyer: Missa in C, op. 86; A. Bruckner: Graduale "Locus iste"; F. X. Witt: Offertorium "Domine Deus". (##).
 
Heinrich Schenkers Artikel »Anton Bruckner« erscheint in der von Maximilian Harden herausgegebene Zeitschrift »Die Zukunft« (###).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189310215, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189310215
letzte Änderung: Dez 03, 2023, 20:20