zurück 18.10.1894, Donnerstag ID: 189410185

Über Bruckners Gesundheitszustand (nicht ernsthaft erkrankt, aber sehr geschwächt, relativ günstige Prognose Prof. Schrötters) berichten mehrere Zeitungen:
 
Alpen-Bote Nr. 83 auf S. 3:
"                   Verschiedenes.
                                     Steyr,
18. October.
     (Dr. Anton Bruckner.) Diese Tage waren in Wien über den Gesundheitszustand des Herrn Professors Dr. Anton Bruckner beunruhigende Gerüchte im Umlauf. Nach selben sollte das Aergste für das Leben des greisen Componisten zu fürchten sein. Es wurde [sic] auch von verschiedenen Seiten, welche Bruckner noch in Steyr vermutheten, mehrfach telegraphische Anfragen hieher gerichtet. Glücklicherweise entbehrten diese alarnierenden Gerüchte jeder Begründung. Dr. Bruckner fühlt sich, wie die "Neue Freie Presse" meldet, gegenwärtig bedeutend wohler und arbeitet täglich an seiner neunten Symphonie. Ueberdies gibt auch der Hausarzt, Professor Schrötter, beruhigende Versicherungen. – Unter einem sei darauf aufmerksam gemacht, dass am 4. November Bruckners herrliche Messe in F vom Singverein zu Wien im großen Musikvereinssaale aufgeführt werden wird." (*),
 
Linzer Volksblatt Nr. 230 auf S. 4:
"     Wien, 16. October. (Personalnachricht.) Heute morgens waren hier Gerüchte von einer schweren Erkrankung des greisen Componisten Anton Bruckner verbreitet. Sie beruhen erfreulicherweise nicht auf Wahrheit. Bruckner, der vor vierzehn Tagen von Steyr nach Wien zurückgekehrt ist, hat wohl noch manchmal an den Folgen der Krankheit, die er im letzten Winter überstanden hat, zu leiden, doch befindet er sich sonst vollkommen frisch und wohl." (*a),
 
Neuigkeits-Weltblatt Nr. 239 auf S. 4 (die Rubrik ist datiert "17. Oktober"):
"     Komponist Anton Bruckner. Ein gestern in Wien verbreitet gewesenes Gerückt, daß der heimische Komponist Anton Bruckner in Steyr schwer krank darniederliege, bestätigt sich erfreulicherweise nicht. Der greise Meister weilt in seiner Wohnung, Heßgasse 7, in Wien und befindet sich, abgesehen von gewissen Schwächezuständen in Folge seines hohen Alters, ziemlich wohl. Meister Bruckner gedenkt Ende dieses Monats seine Vorlesungen an der Universität wieder aufzunehmen und arbeitet an seiner neunten Symphonie, welche der Vollendung entgegengeht. Professor Bruckner leidet an asthmatischen Beschwerden, welche die Folgen eines Herzleidens sind. Zu ernstlichen Bedenken gibt sein Zustand keinen Anlaß." (*b),
 
Linzer Zeitung auf S. 1179:
„      Linzer und Kronlands=Nachrichten.
                                  
Linz, 17. October.
     * (Dr. Anton Bruckner.) Vorgestern war in Wien irrthümlich das Gerücht verbreitet, Anton Bruckner sei in Steyr schwer erkrankt. Diese Stadt hat der greise Componist schon vor vierzehn Tagen verlassen, und seit dieser Zeit weilt derselbe in Wien in seiner Wohnung Heßgasse Nr. 7. Professor Bruckner ist nicht krank, wohl aber infolge seines hohen Alters großen Schwächezuständen unterworfen. Im übrigen befindet er sich leidlich wohl, wenn er es auch vermeidet, bei der schlechten, rauhen Witterung auszugehen. Ein Mitarbeiter der „Wiener Allg. Ztg.“ hatte Gelegenheit, Professor Bruckner gestern zu sehen und zu sprechen. Das Aussehen des greisen Componisten hat sich in den letzten Jahren wenig verändert, nur leidet derselbe an asthmatischen Beschwerden, die von einem Herzleiden herrühren. Nach Aussage des Arztes kann sich dieser Zustand noch bessern, und Professor Bruckner hofft, Ende dieses Monats seine Vorlesungen an der Universität wenigstens theilweise wieder aufzunehmen. Auch möchte derselbe gern über Einladung Gerikes [sic] einer Probe seiner großen Messe beiwohnen, welche in einem der Gesellschafts=Concerte zur Aufführung gelangt. Gegenwärtig arbeitet Bruckner an seiner neunten Symphonie, deren dritten Satz er fast vollendet hat. Bruckner ist sehr erfreut darüber, daß ihm neuestens Berichte aus Amerika zukommen über die großen Erfolge, welche die Aufführung seiner Werke in der neuen Welt erzielt.“ (**),
 
Linzer Tages-Post Nr. 239 auf S. 5f:
"     (Dr. Anton Bruckner.) Aus Steyr schreibt man uns unter dem 16. d. M.: "Die hiesigen Freunde des Componisten Bruckner befinden sich heute in nicht geringer Aufregung und Bestürzung. Vormittags gegen 10 Uhr langten hier mehrere Telegramme verschiedener Wiener Blätter bei der Stadtgemeinde, bei dem dieser Tage verstorbenen Chef der Firma Gschaider, Herrn Kutschera, u. s. w. ein, welche Anfragen enthielten über ein besorgniserregendes Befinden Bruckners, ja eine solche Depesche spricht sogar von einer Katastrophe. Bruckner scheint auf räthselhafte Weise von Wien fort zu sein und sich vielleicht hieher gewendet zu haben. Was es für eine Bewandnis mit dem dunklen Inhalte der Depeschen hat, ist in Steyr bisher ganz unbekannt. Die hiesigen Freunde Bruckners befürchten Schlimmes." Glücklicherweise sind diese Besorgnisse nicht begründet. Die "Wiener Allgemeine Zeitung" schreibt nämlich:
     "Gestern war irrthümlich das Gerücht verbreitet, Anton Bruckner sei in Steyr schwer erkrankt. Diese Stadt hat der greise Componist schon vor vierzehn Tagen verlassen und seit dieser Zeit weilt derselbe in Wien in seiner Wohnung Hessgasse Nr. 7. Professor Bruckner ist nicht krank, wohl aber infolge seines hohen Alters großen Schwächezuständen unterworfen. Im übrigen befindet er sich leidlich wohl, wenn er es auch vermeidet, bei der schlechten, rauhen Witterung auszugehen. Einer unserer Mitarbeiter hatte Gelegenheit, Professor Bruckner heute zu sehen und zu sprechen. Das Aussehen des greisen Componisten hat sich in den letzten Jahren wenig verändert, nur leidet derselbe an asthmatischen Beschwerden, die von einem Herzleiden herrühren. Nach Aussage des Arztes kann sich dieser Zustand noch bessern und Professor Bruckner hofft, Ende dieses Monats seine Vorlesungen an der Universität wenigstens theilweise wieder aufzunehmen. Auch möchte derselbe gerne über Einladung Gerikes [sic] einer Probe seiner großen Messe beiwohnen, welche in einem der Gesellschaftsconcerte zur Aufführung gelangt. Gegenwärtig arbeitet Bruckner an seiner neunten Symphonie, deren dritten Satz er fast vollendet hat. Bruckner ist sehr erfreut darüber, dass ihm neuestens Berichte aus Amerika zukommen über die großen Erfolge, welche die Aufführung seiner Werke in der neuen Welt erzielen. Sonderbar klingt die Mittheilung des großen Componisten, dass der akademische Senat eine für ihn vom Ministerium gewünschte jährliche Ehrendotation von einigen hundert Gulden nicht erreichen konnte. Wir glauben, der arme Bruckner wäre einer solchen Ehrendodation [sic] höchst würdig.
     Ueber Anton Bruckners Gesundheitszustand waren ungünstige Nachrichten verbreitet, welche jedoch unbegründet scheinen. Ein Freund des Componisten in Wien schreibt der "N. F. P." [vgl. 17.10.1894]: "Soeben komme ich von einem Besuche bei Dr. Anton Bruckner zurück, den ich – wie alle seine Freunde – noch in Steyr vermuthete, während er seit einiger Zeit nach Wien zurückgekehrt ist. Bruckner lächelte über die ihn betreffenden alarmierenden Nachrichten. Er fühlt sich gegenwärtig bedeutend wohler, als er sich diesen Sommer in Steyr befunden hat. Thatsache ist allerdings, dass er seit einigen Jahren herzleidend ist und in den Füßen sich Wasser bildet, was ihm das Treppensteigen erschwert. Tretzdem [sic] wohnte er letzten Sonntag in der Michaeler=Kirche dem Gottesdienste bei und arbeitet täglich an seiner neunten Symphonie. Professor Schrötter, sein Freund und Hausarzt, sagt, dass Bruckner bei guter Pflege noch viele Jahre leben könne." (***),
 
Reichspost Nr. 240 auf S. 5:
"    * Anton Bruckner. Gestern war das Gerücht verbreitet, daß Anton Bruckner schwer erkrankt. Dasselbe bestätigt sich nicht. Der Meister weilt in Wien und befindet sich ziemlich wohl. Er gedenkt Ende dieses Monates seine Vorlesungen wieder aufzunehmen." (°)

und Steyrer Zeitung Nr. 83 auf S. 3:
"                     Localnachrichten.
                    Steyr, am 18. October 1894.
[...]
     Dr. Anton Bruckner. In Wien war (wie mehrfache hierher, auch an uns, gelangte Telegramme bezeugten) vorgestern das falsche Gerücht verbreitet, "daß in Steyr der berühmte Componist Dr. Anton Bruckner schwer erkrankt sei." Bekanntlich ist derselbe, nach beendigtem Sommeraufenthalte dahier, am 30. September wieder nach Wien zurückgereist. Gestern wird von dort berichtet, "daß Herr Dr. Bruckner wohl noch manchmal an den Folgen der Krankheit, die er im letzten Winter überstanden, zu leiden hat, sich aber sonst vollkommen frisch und wohl befindet." – Zur nachträglichen Feier des 70. Geburtstages Bruckners veranstaltet der Wiener akademische Wagner=Verein am 21. ds., Mittags ½1 Uhr, im großen Musikvereinssaale zu Wien ein Festconcert, in welchem unter Mitwirkung des Hofopernorchesters, des Wiener Männergesangvereines "Schubertbund" und des Wagner=Vereinschores die siebente Symphonie und das Te Deum des Meisters zur Aufführung gelangen." (°°).

Linzer Zeitung und Tagespost erwähnen auch, daß Bruckner gegenwärtig an der 9. Symphonie arbeite und von Gericke zur Probe der f-Moll-Messe eingeladen worden sei (**)/(***).

Artikel »Dr. Anton Bruckner«, signiert »A. Z.«, in der Ostdeutschen Rundschau Nr. 286 auf S. 1f:
"               Dr. Anton Bruckner.
     Er ist unlängst siebzig Jahre alt geworden und mag verwundert gewesen sein, daß auf einmal so viele Tagesblätter davon wußten und sich in mancherlei rührenden Sermonen darüber ausließen; auch sein Porträt war sogar irgendwo zu finden und er also mit einem Male eine Berühmtheit. [... Gründe für den späten Ruhm ...rätselhafte Andeutungen über einen Widersacher in der Tannengasse ... Bevorzugung eines "gewissen Stammes" ... sind die Geburtstagselogen wirklich echt? (nächste Saison abwarten!) ... Werke waren meist zu wenig geprobt ... wünschenswert: zyklische Musteraufführungen in Bruckners Anwesenheit, bevorzugt mit den Philharmonikern unter Hans Richter ...] – – Das gäbe dann Alles ein wahrhaftes, glaubwürdiges und glänzendes Zeugniß, daß die vielen schönen Worte nicht nur für einen Tag gesprochen waren.
     Aber solche schöne Feste haben wir nicht zu befürchten, denn das vorher verlangt worden ist, wird nicht erfüllt werden. [... Zustand der Kritik wird bleiben ...]
     [... Beispiel:] Mit rührender Unverfrorenheit wurde herumgesagt und geschrieben, Bruckner sei selber Schuld daran, daß er so lange fast unbekannt habe bleiben müssen, es sei ihm mancherlei versagt, von allerlei Schliff war die Rede, und ein besonders Geistvoller fand: "Gott, wie ungefüg verbeugt sich doch der Mann!" Einem solchen Gimpel könnte man in's Gesicht springen, wenn es nicht doch bequemer wäre, ihm den Rath zu ertheilen, er möge einen "Nürnberger Trichter zur gründlichen Erlernung graziöser Verbeugungen, mit besonderer Rücksicht auf bedeutende Komponisten" verfassen. (Verlag Taunengasse [sic])
           – – –   
     Die Wenigen, welche Gelegenheit gehabt haben, Dr. Bruckner's Werke schätzen zu lernen, werden in die Worte einstimmen:
     "Man ist dem würdigen, bedeutenden Manne viel Freude schuldig geblieben; es ist hohe Zeit, daß man mit Ernst daran denke."                    A. Z." (°°°).

Bruckner wird erwähnt in einer antisemitisch gefärbten Leserbriefbeantwortung des Deutschen Volksblatt Nr. 2081 auf S. 8:
"      Antworten der Schriftleitung.
     [...] – Vereinsmitglied. Sie haben recht; es ist mindestens sehr eigenthümlich, daß der auf christlicher Basis stehende Katholisch=gesellige Fortbildungsverein "Reunion" bei seiner Generalversammlung ein Clavierconcert von Mendelssohn zur Aufführung bringt. Also das Werk eines Juden muß bei diesem katholischen Feste aufgeführt werden! Für diesen Verein scheinen ein Haydn, Beethoven, Bruckner nicht zu existiren. Ihren Vorschlag, in Hinkunft die Verlautbarungen jener Vereine, die Werke von Juden zur Aufführung bringen, nicht mehr in unserem Blatte zu publiciren, scheint uns beachtenswerth." (#).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189410185, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189410185
letzte Änderung: Nov 15, 2023, 16:16