zurück 17.10.1894, Mittwoch ID: 189410175

Eine Berliner Zeitung meldet, daß Bruckner in Steyr schwer erkrankt sei. Das Adagio der 9. Symphonie sei fast fertig komponiert. Bruckner habe geäußert, er müsse die Universitätsvorlesungen wieder aufnehmen, da er auf die Remuneration von 400 fl angewiesen sei (*).

Bruckner unterschreibt eine Empfangsbestätigung für Tantiemen (**).
[identisch damit oder eine zweite Quittung?] Quittung über 100 fl Tantiemen (***).

Das Linzer Volksblatt Nr. 238 meldet [inzwischen irrtümlich] auf S. 4, daß am 21.10.1894 in Wien die 7. Symphonie und das »Te deum« aufgeführt werden:
"    – Dr. Anton Bruckner. Zur Feier des siebzigsten Geburtstages Anton Bruckners veranstaltet der Wiener akademische Wagner=Verein am 21. d., mittags ½1 Uhr im großen Musikvereinssaale ein Festconcert, in welchem unter Leitung der Herren Ferdinand Löwe und Josef Schalk und unter Mitwirkung der Damen: Marie Lederer, k. k. Hofopernsängerin und Valerie Kusmitsch und der Herren Winkelmann, Kammersänger, Ferdinand Graf und Professor Josef Vockner des Hofopernorchesters, des Wiener Männergesangvereines „Schubertbund” und des Wagner=Vereinschores die siebente Symphonie und das Tedeum des Meisters zur Aufführung gelangen." (°).

Berichte über Bruckners Gesundheitszustand erscheinen

[vermutlich am 17.10.1894] in der Wiener Allgemeinen Zeitung:
"     [Textauszug hier nach dem Artikel der Tagespost vom 18.10.1894] Gestern war irrthümlich das Gerücht verbreitet, Anton Bruckner sei in Steyr schwer erkrankt. Diese Stadt hat der greise Componist schon vor vierzehn Tagen verlassen und seit dieser Zeit weilt derselbe in Wien in seiner Wohnung Hessgasse Nr. 7. Professor Bruckner ist nicht krank, wohl aber infolge seines hohen Alters großen Schwächezuständen unterworfen. Im übrigen befindet er sich leidlich wohl, wenn er es auch vermeidet, bei der schlechten, rauhen Witterung auszugehen. Einer unserer Mitarbeiter hatte Gelegenheit, Professor Bruckner heute zu sehen und zu sprechen. Das Aussehen des greisen Componisten hat sich in den letzten Jahren wenig verändert, nur leidet derselbe an asthmatischen Beschwerden, die von einem Herzleiden herrühren. Nach Aussage des Arztes kann sich dieser Zustand noch bessern und Professor Bruckner hofft, Ende dieses Monats seine Vorlesungen an der Universität wenigstens theilweise wieder aufzunehmen. Auch möchte derselbe gerne über Einladung Gerikes [sic] einer Probe seiner großen Messe beiwohnen, welche in einem der Gesellschaftsconcerte zur Aufführung gelangt. Gegenwärtig arbeitet Bruckner an seiner neunten Symphonie, deren dritten Satz er fast vollendet hat. Bruckner ist sehr erfreut darüber, dass ihm neuestens Berichte aus Amerika zukommen über die großen Erfolge, welche die Aufführung seiner Werke in der neuen Welt erzielen. Sonderbar klingt die Mittheilung des großen Componisten, dass der akademische Senat eine für ihn vom Ministerium gewünschte jährliche Ehrendotation von einigen hundert Gulden nicht erreichen konnte. Wir glauben, der arme Bruckner wäre einer solchen Ehrendodation [sic] höchst würdig." (°°),

in der Neuen Freien Presse Nr. 10830 auf S. 8:
»                             Wien, 16. October. [...]
   – Ueber Anton Bruckner's Gesundheitszustand waren heute ungünstige Nachrichten verbreitet, welche jedoch unbegründet scheinen. Wenigstens schreibt uns heute ein Freund des Componisten: „Soeben komme ich von einem Besuche bei Dr. Anton Bruckner zurück, den ich – wie alle seine Freunde – noch in Steyr vermuthete, während er seit einiger Zeit nach Wien zurückgekehrt ist. Bruckner lächelte über die ihn betreffenden allarmirenden [sic] Nachrichten. Er fühlt sich gegenwärtig bedeutend wohler, als er sich diesen Sommer in Steyr befunden hat. Thatsache ist allerdings, daß er seit einigen Jahren herzleidend ist und in den Füßen sich Wasser bildet, was ihm das Treppensteigen erschwert. Trotzdem wohnte er letzten Sonntag in der Michaelskirche dem Gottesdienste bei und arbeitet täglich an seiner neunten Symphonie. Professor Schrötter, sein Freund und Hausarzt, sagt, daß Bruckner bei guter Pflege noch viele Jahre leben könne.”« (°°°).

im Wiener Tagblatt Nr. 285 auf S. 3:
„          Wiener Tagesbericht.
[…]
     * (Anton Bruckner.) Das Gerücht, dass unser heimischer Komponist Anton Bruckner in Steyr schwer krank darniederliege, bestätigt sich erfreulicherweise nicht. Der greise Meister weilt in seiner Wohnung, Heßgasse 7, in Wien und befindet sich, abgesehen von gewissen Schwächezuständen in Folge seines hohen Alters, ziemlich wohl. Meister Bruckner gedenkt Ende dieses Monates seine Vorlesungen an der Universität wieder aufzunehmen und arbeitet an seiner neunten Symphonie, welche der Vollendung entgegengeht. Professor Bruckner leidet an asthmatischen Beschwerden, welche die Folgen eines Herzleidens sind. Zu ernstlichen Bedenken gibt sein Zustand erfreulicherweise keinen Anlaß.“ (#),

im Deutschen Volksblatt Nr. 2080 auf S. 6:
"    * [Professor Anton Bruckner.] Die Nachricht von einer schweren Erkrankung des berühmten Tondichters bestätigt sich glücklicherweise nicht. Bruckner weilt auch nicht mehr in Steyr, sondern ist von dort bereits seit einigen Tagen in Wien eingetroffen." (##),

im Prager Tagblatt Nr. 287 auf S. 12:
"    * [Anton Bruckner schwer erkrankt]. Wie das "Ill. Wr. Extrbl." mittheilt, ist Anton Bruckner, der erst vor Kurzem seinen 70. Geburtstag feierte, in Steyr so schwer erkrankt, daß man Befürchtungen für das Leben des Tondichters hegt." (###)

und in der Ostdeutschen Rundschau Nr. 285 auf S. 4, wobei die Gelegenheit genutzt wird, Bruckners Einstellung zum Antisemitismus zur Sprache zu bringen und antisemitische Spitzen einzubauen:
"     Meister Bruckner erkrankt. So lautete die trübe Kunde, die sich wie ein schriller Mißklang in den Festjubel des Straußjubiläums [Johann Strauß, 14.10.1894, vgl. auch 20.10.1894] mischte, sich aber erfreulicherweise nicht bestätigte. Der hochbetagte Meister, der erst vor Kurzem seinen 70. Geburtstag feierte, befindet sich verhältnismäßig wohl. Gewiß Jedem, der weiß, was Bruckner der deutschen Kunst bedeutet, bangte bei jenem Gerüchte um das Leben des Meisters, von dessen geistiger Rüstigkeit wir noch manche herrliche Schöpfung seines Geistes erwarten können. Nicht so der Jude, vollends der Preßjude. Ihm ist Alles Geschäft, Alles Sensation. Ein Mitarbeiter des berüchtigten "Wiener Extrablattes" hat die Gefühlsroheit besessen, den angeblich Schwerkranken in seiner Wohnung aufzusuchen und ihn mit dem bei dieser Schandpresse beliebten "Ausfratscheln" (Interview genannt) zu quälen. Gibt es Jemanden, der auch nur einen Augenblick daran glaubt, Bruckner hätte bei dieser Gelegenheit ohne Veranlassung über – Antisemitismus zu sprechen begonnen, wie es die Darstellung des genannten Judenblattes glauben machen will? "Dann kam Bruckner," so heißt es dort, "auf den Verdacht zu sprechen, in den er gerathen sei, "daß er mit den Antisemiten liebäugle." Niemals hat, unseres Wissens, ein antisemitisches Blatt die Dummheit begangen, einen vom Lärm des öffentlichen Lebens so ganz abgekehrten, so ganz der stillen Weihe seines musikalischen Schaffens ergebenen Mann wie Bruckner für die Antisemiten zu reklamirem. Doch der Jude wußte, daß die echt deutsche, nicht verjudete Presse Bruckner's Bedeutung stets in demselben Maße würdigte und hervorhob, als die jüdische Presse den Meister Jahrzehnte hindurch todtgeschwiegen und, wo dies nicht anging, in ziemlich unverblümter Weise einen "Narren" genannt hatte. Darum der Verdacht, Bruckner könnte Antisemit sein, daher die freche Frage! Was sollte der alte Mann, der so glücklich ist, von Politik und Rassenkämpfen ebenso wenig zu wissen, wie seinerzeit P. K. Rosegger, dem zudringlichen Juden antworten? Das "Extrablatt" schreibt: "Sehen Sie," fuhr der Meister auf, "das hat mir wehe gethan. Ich bin ein gläubiger Katholik. Nimmermehr gebe ich mich zu Gemeinheiten und Albernheiten her. Ich hasse das Schlechte, wo ich es finde, bei Christen und Juden gleichmäßig. Ich ein Antisemit! Lächerlich. Ich verdanke viel den Juden, dem Hofkapellmeister Lewy, Siegfried Ochs, und einer meiner Lieblingsschüler, Vogel, ist auch ein Jude." – Wir überlassen es jedem urtheilsfähigen Leser, von dieser durch einen Juden wiedergegebenen Aeußerung zu glauben, was er mag. Die Freude, den Antisemitismus wieder einmal vernichtet zu sehen, sei den Juden von Herzen gegönnt. Bruckner mag dem Antisemitismus noch so feindlich gegenüberstehen, deshalb sinkt er in der Achtung seines Volkes um keinen Zoll. Den Antisemitismus kennt er offenbar gar nicht, Ihr Herren Hebräer! Dieses Gefühl scheint wohl nicht Bruckner, umso mehr aber dessen Haushälterin, Frau Kachelmayer gehabt zu haben, wie aus der plumpen Umschreibung des "Extrablattes" hervorgeht: "Wir sprachen noch über Mancherlei und wiederholt wurde die Unterredung lebhaft. Da trat die brave Frau Kachelmayer ein und mahnte den Dichter zur Ruhe. Mit einem Händedruck verabschiedete er mich und geleitete mich bis zur Treppe." – Wenn dies nicht moralisch hinausgeschmissen heißt, dann wurde noch keinem jüdischen Hausirer die Thüre gewiesen." [keine Signatur, vgl. die Anmerkung] (a).

Brief von Pater Hartmann von An der Lan-Hochbrunn an Johann Langthaler:
"Herrn Dr Anton Bruckner werden Sie wohl meine Zeichen aufrichtigster Verehrung übergeben haben? In den beneidenswerthen Besitz einer Zeile freundl. Bestättigung des Erhaltenen vom Meister war ich bis jetzt nicht so glücklich zu gelangen. Er hat bereits seinen 70. Geburtstag gefeiert u. soll krank sein." (b).


Zitierhinweis:

Franz Scheder, Anton Bruckner Chronologie Datenbank, Eintrag Nr.: 189410175, URL: www.bruckner-online.at/ABCD-189410175
letzte Änderung: Jan 17, 2024, 15:15